Irene Dorfner

Die Jagd nach dem Serum


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lediglich 200 € wert. Für wieviel kann man die verhökern? Höchstens für die Hälfte.“

      „Es sei denn, sie werden ins Ausland verkauft. Sammler zahlen für die Stücke weit mehr, als sie wert sind. Es wird seit Jahren immer mehr Mode, solch alte Schnitzkunst zu besitzen,“ sagte Stumpf. „Amerikaner, Japaner und Chinesen würden vielleicht sehr viel Geld für diese Holzfiguren ausgeben.“

      „Das glaube ich nie und nimmer,“ sagte Leo. „Die sind doch auch nicht blind und haben ihrerseits Gutachter, die den eigentlichen Wert richtig beziffern. Ich glaube nicht, dass es nur um die Figuren geht.“

      Es folgte eine heftige Diskussion, die darin endete, dass niemand an den Handel mit den Figuren glaubte. Es musste um mehr gehen.

      „Gehen wir davon aus, dass dem so ist. Wie gelangen die Figuren zu den Kunden?“

      „Persönlicher Kontakt wäre eine Möglichkeit,“ sagte Stumpf.

      „Oder die Figuren werden wie auch immer verschickt. Wir sind alle Möglichkeiten durchgegangen und haben beinahe jeden Einzelnen überprüft, der Waren ins Ausland verkauft.“

      „Und? Haben Sie irgendjemand im Visier?“

      „Nein.“

      „Wenn wir den Vertriebsweg haben, kommen wir so vielleicht auf die Bande. Die werden doch nicht so dumm sein, und die Stücke per Post schicken?“, sagte Krohmer, der die Frage nicht ernst gemeint hatte.

      „Warum eigentlich nicht?“, sagte Leo.

      „Per Post? Vergiss es!“, lachte Asanger. „Du glaubst wirklich, dass die vielen Figuren einfach so per Post versandt werden? Wie naiv bist du eigentlich?“

      „Leck mich…“ sagte Leo verächtlich.

      „Ich darf doch sehr bitten,“ unterbrach Krohmer. „Suchen Sie nach dem Vertriebsweg und finden Sie die Diebe, damit das endlich ein Ende hat. Ich könnte wetten, dass morgen die Zeitungen mit Berichten voll sind.“

      Krohmer sollte Recht behalten. Am nächsten Tag war nicht nur ein größerer Bericht im Regionalteil der Tageszeitung, sondern sogar im Bayernteil. Krohmer stöhnte auf. Das war sicher auf Eberweins Mist gewachsen. Warum konnte der Mann nicht einfach seinen Mund halten? Sobald eine Kamera oder ein Mikrofon in seiner Nähe war, zog ihn das förmlich an. Jetzt lag es auf der Hand, dass besorgte Bürger den ganzen Tag über anriefen.

      Auch die Familie Kurowski war sauer über die viel zu großen Zeitungsartikel.

      „Jetzt wird es nicht mehr ganz so leicht werden, die Figuren zu klauen,“ sagte Gerhard zu seinen Neffen. „Ihr müsst höllisch aufpassen. Vielleicht ist es an der Zeit, die Gegend zu wechseln.“

      „Mach dir nicht ins Hemd, Onkel Gerhard, uns erwischt schon keiner. Bis die Besitzer Wind von dem Diebstahl bekommen, sind wir längst über alle Berge. Wir haben eine heiße Spur und sind hier noch lange nicht fertig. Die Gegend ist eine Goldgrube. Gestern war unser Glückstag. Wir haben viele schöne Stücke gefunden. Die musst du dir unbedingt ansehen.“

      „Das mach ich. Sobald ich meinen Kaffee ausgetrunken habe, fahren wir los.“

      Gerhard Kurowski sah die Menge an Figuren, die achtlos übereinandergeworfen wurden.

      „Habe ich euch nicht gesagt, dass ihr mit den Stücken pfleglicher umgehen sollt?“, sagte er wütend.

      „Ist doch eh altes Zeug. Eine Macke mehr oder weniger macht doch nichts aus,“ sagte Kevin. Er und sein Bruder sahen gelangweilt zu, wie ihr Onkel ein Stück nach dem anderen begutachtete. Gerhard ließ sich extra viel Zeit damit, denn seine Neffen waren nicht mit großer Geduld gesegnet.

      „Wir ziehen schon mal los, du brauchst uns nicht. Sperr die Scheune zu, wenn du gehst,“ sagte Torsten. Kevin sprang auf und war sofort dabei. Hier herumzusitzen war viel zu langweilig für ihn. Er brauchte Action und frische Luft.

      Darauf hatte Gerhard gewartet. Zwei der Figuren waren Reliquienfiguren. Als seine Neffen weg waren, rief er Arsai an.

      „Ich habe gefunden, wonach Sie suchen.“

      „Wie viele?“

      „Zwei.“

      „Sehr gut. Wo treffen wir uns?“

      „Ich komme zu Ihnen.“

      „Nein. Ich fahre zu Ihnen. Kennen Sie das Wasserschloss in Töging?“

      „Das finde ich.“

      „Um 13.00 Uhr bin ich dort.“

      Gerhard Kurowski packte die beiden Figuren in seinen Wagen. Woher wusste Arsai, dass er sich hier in der Gegend aufhielt? Arsai war ihm unheimlich. Wenn er mit ihm weiter zusammenarbeiten wollte, musste er ein ernstes Wort mit ihm sprechen. Gerhard warf noch einen Blick auf den Stapel Heiligenfiguren. Das durfte nicht mehr geschehen, dass seine Neffen mit den Figuren so umgingen. In Zukunft würde er abends hier auf sie warten und darauf achten, dass damit vorsichtiger umgegangen wurde. Dabei könnte er die Figuren auch sofort inspizieren.

      Gerhard wartete am Wasserschloss Töging auf seinen Geschäftspartner. Was er wohl für die beiden Figuren bezahlte? Sie hatten nicht über einen Betrag gesprochen. Endlich fuhr ein unscheinbarer Kombi auf ihn zu. Arsai und sein Fahrer stiegen aus. Wo war diese Protzkarre vom letzten Mal?

      „Guten Tag, Herr Kurowski. Haben Sie die Ware dabei?“

      „Selbstverständlich.“ Gerhard öffnete die Klappe seines Kombis, der sehr viel älter und schmutziger war als der seines Geschäftspartners.

      Arsai nahm eine Figur nach der anderen vorsichtig in die Hände und drehte sie in alle Richtungen.

      „Sehr schöne Figuren, ich bin zufrieden. Wie vereinbart, ist das die Hälfte des Geldes,“ sagte Arsai. Er nickte Iwan zu, der Gerhard einen dicken Umschlag übergab. „Gebrauchte, kleine Scheine. Ich hoffe, das ist Ihnen recht so?“

      „Sicher.“ Gerhard zählte sofort nach, was Arsai missfiel. Dieser Kurowski war ein Prolet, wie er im Buche stand.

      „Passt,“ sagte Gerhard hocherfreut. Er hatte die beiden Holzfiguren auf vielleicht jeweils 100 € geschätzt. Im Umschlag waren 400 €. Das würde bedeuten, dass der Typ dieselbe Summe nochmals bezahlte. Gerhard lächelte. Das war weit mehr, als er erwartet hatte. Arsai war wirklich sehr versessen auf diese Reliquienfiguren.

      „Bitte warten Sie einen Moment,“ sagte Arsai höflich und ging mit seinem Fahrer zum Wagen. Gerhard konnte nicht sehen, was die beiden dort machten. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sich ein Mann wie Arsai für solch stümperhafte und in seinen Augen wertlose Kunst interessierte. Er und sein dubioser Freund hatten ganz sicher eine Sauerei damit vor.

      Schweren Herzens nahm Arsai das Innenleben der beiden Figuren heraus, die aus Haaren, Stoffen und Papierfetzen bestand. Wie gerne hätte er vor allem bei dieser Figur alles so belassen, wie es war. Aber es ging nicht anders, er musste das tun. Dann ging er wieder zu Kurowski.

      „Wenn beide Figuren mit Blei versehen wurden, sehen wir uns wieder. Ich werde die Reliquien wieder in die Figur geben und Ihnen dann die Adressen mitteilen. Wann denken Sie, dass die Figuren fertig sind?“

      Gerhard glaubte Arsai kein Wort, ging aber darauf ein.

      „Morgen früh.“

      „Treffen wir uns um 9.00 Uhr wieder hier?“

      „Wenn Sie wollen, gerne. Vergessen Sie die Restzahlung nicht.“

      „Ich halte immer mein Wort.“

      Gerhard sah den beiden Männern hinterher. Dass Arsai mit den Figuren eine Sauerei vorhatte, lag auf der Hand. Eine Bleiverkleidung nur für dieses wertlose, uralte Innenleben? Nie und nimmer! Aber was hatte er tatsächlich vor? Morgen konnte er sich persönlich davon überzeugen.

      Pünktlich um neun Uhr des nächsten Tages trafen sich die Männer erneut. Kevin hatte noch am späten Abend ganze Arbeit geleistet und fünf Figuren mit Blei ausgekleidet, zwei