fuhr ein gleißend heller Blitz nieder und schlug in den Boden ein. Meike zuckte unwillkürlich zusammen. Sie hängte sich die Handtasche um und erhob sich. Als sei es ein Zeichen für Jürgen, klatschte dieser in die Hände.
»Schluss für heute. Feierabend. Ihr kommt über den Einstand nicht mehr hinaus. Das Spiel wird unterbrochen. Wir verschieben diese Begegnung zwischen zwei Titanen auf ein anderes Mal.«
Patrick nickte und beachtete den Schlag von Michael nicht mehr. Er lief vom Spielfeld in Richtung Ausgang.
»Ich protestiere«, rief Michael. »Das ist nicht fair. Ich hätte dieses Spiel gewonnen.«
Jürgen blieb unerbittlich und eilte zum schützenden Eingang. »Das Gewitter ist gleich über uns.«
Meike wartete unten am Spielfeld auf Michael. Sie hatte kein Verständnis für seinen Starrsinn. Es handelte sich um ein hundsgewöhnliches Trainingsmatch. Es ging um nichts und nochmals nichts. Aber ihr Freund tat, als sei der Abbruch eine Katastrophe.
Ein ausgewachsener Sturm brach los. Die Bäume schüttelten sich und rauschten unheilvoll. Die Werbetafeln an der Bande knatterten protestierend.
»Komm jetzt endlich«, rief sie ihm zu und sah zu, wie hielt Patrick und Jürgen zum schützenden Gebäude eilten. Anders Michael - betont gelangweilt strich er mit seinem Schuh Abdrücke auf dem Platz glatt.
Meike hatte es satt. Sie rannte los. Begleitet von einem weiteren Blitz und einem gewaltigen Donnerschlag, öffnete der Himmel seine Schleusen zu einem Wolkenbruch. Fast übergangslos wurde es finster. Der Sand spritzte an Meikes Hosenbeinen empor und verwandelte ihre blütenweißen Turnschuhe innerhalb von ein, zwei Atemzügen in unansehnliche Latschen. Von oben stürzte das Wasser auf sie herab, als habe jemand absichtlich mehrere Badewannen voll aus dem Fenster geschüttet.
»Puh«, machte sie, als sie kurz darauf im schützenden Flur stand. Sie wischte sich den Regen aus dem Gesicht. Ihre Klamotten tropften, und ehe sie sich versah, bildete sich um ihre Füße eine ansehnliche Pfütze. Ihre Haare hingen, strähnig wie nasse Wollfäden, herab.
Endlich tauchte Michael auf. Betont langsam schritt er durch die tobenden Naturgewalten und blieb unter der Tür stehen.
»Hier seid ihr«, grinste er. »Ich wollte schon glauben, dass ich das alles nur geträumt hätte. Es war ein Fehler, das Match abzubrechen.«
»Tut mir leid«, empörte sich Jürgen, und trat einen Schritt auf ihn zu. »Du hättest mir das vorher sagen sollen, dass du dich mit Selbstmordabsichten trägst. Da hätte sich was einrichten lassen. Jetzt ist es zu spät.«
»Ist schon gut«, Meike ging dazwischen und legte Jürgen besänftigend ihre Hand auf den Unterarm. Auf einen absolut unnötigen Streit konnte sie jetzt wirklich verzichten.
»Ich gehe mich mal umziehen.« Hoheitsvoll nickte er Patrick und Jürgen zu. »Wir treffen uns gleich an der Bar. Dort können wir dieses Spiel zumindest theoretisch zu Ende bringen.«
Meike folgte Michael bis zum Eingang in die Umkleiden.
»Und war ich gut?« Er blickte sie mit treuen Augen an, und Meike fühlte, wie ihre Knie weich wurden. Ehrgeiz hin oder her, sie liebte diesen Kerl über alle Maßen.
»Du hast wirklich ganz toll gespielt«, sagte Meike und fiel ihm um den Hals. Sein eindringlicher Duft nach Schweiß und Deo empfing sie.
Ungewohnt sanft legte er seinen Arm um ihre Taille, und ihre Lippen fanden sich zum Kuss. Es war ein einziges Feuerwerk der Gefühle, das in ihr explodierte. Sie spürte seinen kräftigen Herzschlag. Sein Kuss war so drängend und fordernd, dass ihr der Atem wegblieb. Als sie sich voneinander lösten, schnappten sie beide nach Luft.
»Gibst du mir ein Handtuch?«, fragte Meike. »Ich muss mich zumindest ein wenig trocken rubbeln.«
»Klar.« Er holte aus seiner Sporttasche ein flauschiges Sporttuch und reichte es ihr mit einem liebevollen Lächeln.
*
In ihren klammen Sachen saß Meike an einem der zierlichen Tische im Club-Restaurant. Der heiße Kaffee wärmte sie nicht nur von innen. Nachdenklich hielt sie die Tasse mit beiden Händen und nippte daran. Das Spiel und der übertriebene Ehrgeiz Michaels gingen ihr nicht aus dem Sinn.
Endlich öffnete sich die Tür von den Umkleiden. Ihr Freund stürmte, als ob er immer noch auf dem Spielfeld wäre, in das Restaurant und warf die Sporttasche auf den Fußboden.
»Da bin ich«, sagte er grinsend und plumpste auf einen der Rattan-Stühle.
»Wird aber auch Zeit. Du warst schon schneller.«
Wohlweislich überhörte er die Anspielung und drehte sich zur Theke. »Holger, für mich bitte eine Apfelsaft-Schorle.«
Der Barkeeper nickte zustimmend und begab sich gewohnt gemächlich zum Kühlschrank. Mit seiner Leibesfülle stand er in krassem Gegensatz zu den Spielern des Clubs. Kurz darauf brachte er den Saft und setzte das Glas vor Michael ab. »Darf es noch was sein? Ich hätte da ein paar leckere Kleinigkeiten im Angebot.«
»Nein, danke. Im Moment nicht.« Meike schenkte ihm ein freundliches Lächeln. Holger verschwand in der Küche, und Michael nutzte die Gelegenheit und beugte sich zu seiner Freundin herüber.
»Das war doch ein spitzenmäßiges Match. Ein richtiges Duell, oder?«
Wie zufällig berührten sich ihre Hände auf dem Tisch. Liebevoll streichelte Meike über die kräftigen Finger und zeichnete die Form seiner Fingernägel nach. Erwartungsvoll spitze sie die Lippen. Michael wusste genau, wonach ihr der Sinn stand. Sie versanken in einer innigen Liebkosung.
»Na ja«, meinte Meike, als sie sich voneinander lösten. »Ja, das Spiel hat mir gefallen. Das weißt du doch. Aber wenn du nur nicht immer so übertreiben würdest. Um zu gewinnen, hättest du dich vom Blitz erschlagen lassen.«
»Unsinn. Ich weiß selbst gut genug, wann es Zeit ist, aufzuhören.«
Patrick und Jürgen erschienen und setzten sich zu ihnen.
»Wer ist jetzt Aufschlagkönig?«, fragte Michael Jürgen. Der blätterte nachdenklich in seiner Liste. »So leid es mir tut. Es ist eindeutig Patrick!«
»Na gut. Du hast also einen Wahnsinnsaufschlag«, gestand Michael seinem Gegner zu. »Aber du vergisst dabei alles andere. Deine Schwäche ist zweifelslos die rechte, hintere Ecke. Ich brauche dich nur nach vorn ans Netz zu locken, und schon ...« er grinste vielsagend. »Deine Technik ist bescheiden.«
»Von wegen«, polterte Patrick. »Du willst doch nur von deinen eigenen Schwächen ablenken. Ohne das Gewitter hätte ich dir gezeigt, wer der Bessere von uns ist.«
»Wenn ihr meine Meinung hören wollt ...« Jürgen legte eine Pause ein. »Ihr seid gute Spieler. Michael hätte den Satz lässig gewonnen, wenn er nicht so ungeduldig wäre. Er kann seine Chance nicht abwarten und begeht dadurch Fehler. Und Patrick wirkt manchmal, als sei er an der Grundlinie festgefroren. Beinarbeit, Junge. Das ist wichtiger als viele anderen Sachen. Wisst ihr, was für ein Geheimrezept ich habe, um beweglich und elastisch zu bleiben?«
Gelangweilt rührte Meike ihren Kaffee um. Wie so oft bissen sie sich an ihrem Lieblingsthema fest. Erst verdroschen sie stundenlang unschuldige Filzkugeln, und hinterher kamen sie sich vor wie die Athener nach der listenreichen Eroberung Trojas. Michaels Mundwerk lief heiß, und er bestellte sich eine zweite Apfelsaftschorle.
Draußen goss es immer noch wie aus Kübeln. Der Regen peitschte unablässig gegen die Panoramascheiben. Das Gewitter entlud sich mit aller Macht.
»Du trinkst bestimmt noch einen Kaffee, Meike. Unser Gespräch dauert eine Weile.«
Täuschte sie sich, oder zeichneten sich unter ihren nassen Sachen mehr Details ab, als ihr lieb war? Der dunkle, starrende Blick von Patrick, mit dem er sie musterte, irritierte sie sehr. Sie schüttelte unbewusst mit dem Kopf und zog den nassen Blazer dichter um die Schultern. »Danke, mir reicht eine Tasse. Wir müssen gleich aufbrechen. Du weißt doch.«
Verwundert