Lucy van Geldern

Tennis oder Liebe


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nach Michael zerriss sie schier. Nicht nur seine liebevollen Umarmungen und die feurigen Küsse fehlten ihr. Warum nur ließ er sie immer wieder in stich?

      »Hörst du mir noch zu?« Sandra knuffte sie in die Seite. »Aufwachen und die Ohren spitzen. Ich habe hier etwas für dich.« Sie wedelte mit zwei bunt bedruckten Seiten vor ihrer Nase herum. »Du musst das lesen, sofort und sehr aufmerksam.«

      Ohne sonderliches Interesse nahm Meike die zwei Blätter, die ihre Freundin aus einer Illustrierten herausgerissen hatte, und studierte die Schlagzeile. »Ein Mann für gewisse Stunden« - was soll ich damit?«

      »Erst lesen, dann fragen.«

      Meike schwieg und vertiefte sich, ihrer Freundin zu liebe, in den Artikel. Nach wenigen Minuten blickte sie auf.

      »Klingt ganz nett. Doch was hat Jemand, der sich als Callboy oder Escort-Mann anbietet, mit mir zu tun?« Sie faltete die Blätter zusammen und gab sie Sandra zurück.

      »Viel. Warum mietest du dir nicht einen Mann? Das ist die Gelegenheit, Michael eifersüchtig zu machen.«

      Völlig überrollt von diesem Vorschlag, schnappte Meike nach Luft. »Nie im Leben. Du hast 'ne Meise.«

      »Wieso? Es ist doch nur die logische Konsequenz. Michael muss merken, dass du auch ohne ihn auskommst. Wenn er sieht, wie du dich mit einem anderen vergnügst, sollte ihm das zu denken geben. Ja, er soll auf ganzer Linie eifersüchtig werden. Dann kommt er garantiert nicht mehr auf die Idee, dich ständig im Stich zu lassen.«

      Tröpfchenweise sickerten die Worte in Meikes Bewusstsein. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Zu abenteuerlich klang das, was ihr Sandra da vorschlug. Einen Freund auf Zeit. Sie schüttelte den Kopf.

      »Nein?« Sandra klang wie der personifizierte Vorwurf. »Die Idee ist einmalig. Du musst den anderen nicht lieben. Er tut nur seinen Job.«

      »Ich bin für so etwas nicht zu haben.« Demonstrativ starrte Meike auf ihre Fußspitzen. Sie konnte sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, mit einem Fremden auf Tour zu gehen. Alles in ihr sträubte sich dagegen. Wie sollte das überhaupt laufen? Sie versuchte, ihre Gefühle zu sortieren und die Sache von der nüchternen Seite aus zu betrachten. Statt mit dem selbstverliebten Michael spontan mit einem Fremden in den Zoo. Warum eigentlich nicht? Langsam fand sie Gefallen an dieser Idee.

      »Du bist eine verrückte Nudel, Sandra. Wie soll ich mir so einen Callboy für ein paar Wochen leisten? Der treibt mich in den Ruin. Mein Geld ist schon jetzt knapp.«

      In gespielter Verzweiflung schüttelte Sandra mit dem Kopf. »Wo soll das nur mit dir enden? Du beschäftigst ihn doch nicht Tag und Nacht. Du verabredest dich mit ihm, wenn Michael dich versetzt. Dann besuchst du mit deinem Ersatzmann die Vernissage oder gehst mit ihm ins Kino. Am Ende bezahlst du ihn und verschwindest nach Hause. Du gehst dabei keinerlei Verpflichtungen ein. Michael hat doch keine Ahnung davon, dass du ihm nur etwas vorspielst. Er wird denken, dass du jetzt einen anderen Freund hast. Und schwupp steht er vor deiner Tür und wird dich auf Knien um Verzeihung bitten.«

      Sandras Augen glühten, ihr Gesicht war gerötet. Sie hatte sich regelrecht in Begeisterung geredet. Und sie schien Recht zu haben. Andere Möglichkeiten, Michael endgültig für sich zu gewinnen, gab es nicht.

      »Hast du eine Ahnung, wie teuer so ein Callboy ist?«, fragte Meike vorsichtig. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ein besonders preiswertes Vergnügen ist.«

      »Das ist kein Problem. Da die Idee von mir ist, beteilige ich mich an den Kosten. Das ist es mir wert. Sein Gesicht möchte ich sehen, wenn du mit einem anderen gehst. Stell dir mal vor, wie blöd er aus der Wäsche guckt, wenn er das mitbekommt.« Sandra lachte vergnügt auf.

      »Also gut. Wie soll ich es anstellen?« Voller Energie und Elan sprang Meike auf, und aktivierte die Kaffeemaschine. Laut brummend lieferte der Automat in wenigen Augenblicken einen frisch gebrühten Kaffee.

      Währenddessen holte Sandra eine Kleinanzeige aus ihrer Handtasche. »Das stand vergangene Woche im Käseblättchen. Am besten, du rufst sofort an. Ich hole mir inzwischen auch einen Kaffee.«

      Mit vor Aufregung zitternden Fingern nahm Meike den Fetzen Papier. Neugierig las sie die Anzeige: »Einsam? Suchen Sie einen Begleiter für nette Stunden? Junger, kultivierter Mann, 25 Jahre, leistet Ihnen bei jeder Gelegenheit Gesellschaft.« Es folgte die Telefonnummer.

      »Das passt«, meinte sie, und nippte am heißen Kaffee. Jetzt schmeckte ihr das Gebräu endlich wieder. »Er ist gerade mal drei Jahre älter als ich. Kultiviert. Was habe ich denn darunter zu verstehen? Einwandfreie Tischmanieren? Sicher legt er die Füße nicht auf den Tisch.«

      »Halt. Schön auf dem Boden bleiben. Es ist völlig egal, wie er sich benimmt. Hauptsache, er begleitet dich, ohne zu murren.«

      Auffordernd hielt sie ihrer Freundin das Handy vor die Nase.

      »Los, Ruf an!«

      Meike holte tief Luft und tippte die Rufnummer ein. Insgeheim wünschte sie sich, dass besetzt war. Aber sie hatte Pech. Nach dem fünften Freizeichen erklang eine freundliche Männerstimme.

      »Guten Tag. Hier spricht Jan-Erik Mölders. Leider bin ich zurzeit im Urlaub und nicht erreichbar. Bitte hinterlassen Sie nach dem Signalton eine Nachricht und Ihre Nummer. Ich rufe Sie zurück. Auf Wiederhören.«

      Ein ungewohntes Gefühl, das aus einer Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung bestand, machte sich in Meike breit. Sie wartete auf das Signal, nannte ihren Namen und die Rufnummer und bat um baldigen Rückruf.

      »Das ging ja wie geschmiert«, lobte Sandra und nahm ihr das Handy aus der Hand. »Was hat der Anrufbeantworter gesagt?«

      »Wenig. Der Herr heißt Jan-Erik und ist zurzeit auf Urlaub. Er verspricht, sich zu melden.«

      »Na ja, besser als nichts.« Sandra räumte das Telefon fort und hockte sich zu ihrer Freundin auf das Sofa. »Setzt dich doch nachher hin und google diesen Namen und jetzt lass uns endlich den Kuchen essen. Sonst bringe ich dir nie wieder etwas mit.«

      Kapitel

      »Meike, bitte entschuldige mein Verhalten. Es tut mir leid.« Wie ein Häufchen Elend stand Michael da und hielt ihr einen Biedermeierstrauß hin.

      Regungslos musterte Meike ihn und machte keine Anstalten, den Strauß anzunehmen.

      »Mehr hast du nicht zu sagen?«, bohrte sie. Einen Moment sollte er ruhig noch schmoren. Eine ganze Woche lang hatte Funkstille geherrscht. So einfach wollte sie es ihm nun doch nicht machen.

      »Unsere Beziehung ist mir nicht egal, das weißt du. Ich liebe dich.« Zögernd lächelte er und sah sie mit seinen schwarzen Augen an. Meikes Puls beschleunigte sich, ihr Atem ging schneller. Es gab keine Zweifel, auch sie liebte ihn noch immer.

      Sie nahm die Entschuldigung und das Blumensträußchen an. Jedes Mal wenn er sie so verliebt anblickte, konnte sie ihm nicht widerstehen.

      »Komm rein.« Sie schob die Tür auf und ließ ihn ein. Gut gelaunt und mit sich zufrieden, wie sie an seinem Grinsen erkannte, zog er seine Jacke aus. Abwartend lehnte Meike am Türrahmen und wartete darauf, dass er sie in die Arme nahm.

      »O Meike. Ich habe dich vermisst.« Wie ein Verdurstender stürzte er sich auf sie, und seine Lippen suchten die ihren.

      Es war ein Kuss voller Zärtlichkeit und Sehnsucht. Die lange Woche des Wartens und der Einsamkeit forderte ihren Tribut. Selten hatte Meike sich so sehr auf Wolke sieben gefühlt. Übergangslos schwanden all die kritischen Gedanken.

      Minutenlang standen sie in inniger Umarmung da. Meike roch sein Rasierwasser und den leichten Hauch von Schweiß.

      Übermütig wie ein Kind zog Michael sie zum Sofa.

      »Komm, ich habe dir so viel zu erzählen. Du glaubst gar nicht, was sich in dieser Woche alles ereignet hat.«

      Nur zu gern ließ sich Meike von seiner Begeisterung mitreißen. Den kleinen Strauß legte