Lucy van Geldern

Tennis oder Liebe


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schulterte ihre Handtasche und machte sich auf den Weg. Drei Kilometer im Regen war immer noch besser als fünf Minuten im Wagen dieses Lüstlings.

      Kapitel

      Sandra wartete bereits ungeduldig im Foyer auf sie.

      »Wie siehst denn du aus?«, rief sie ihr entgegen. »Ich habe dich ein paar Mal versucht zu erreichen, aber du bist nicht ans Handy gegangen.«

      »Du hast ja recht. Es lag ausgeschaltet in der Küche.«

      Unauffällig musterte Meike sich in der spiegelnden Eingangstür und zog eine Grimasse.

      »Wieso fragst du? Ich sehe aus wie immer.«

      »Von wegen, dein Gesicht spricht Bände. Du hast dich mit Michael gestritten. Deshalb ist er nicht mitgekommen.«

      »Es ist etwas vorgefallen. Aber es hat nichts mit Michael zu tun.«

      »Auch recht. Wo steckt er? Strengte ihn das Tennismatch so sehr an, dass er im Bett liegt und sich erholt?«

      »Wenn es nach ihm ginge, wäre es vermutlich so. Falls ihn nicht vorher der Blitz erschlagen hätte.«

      Meike erzählte ihrer besten Freundin von dem abgebrochenen Match und der Unterhaltung im Clubrestaurant.

      »Ja, ja und als du ihn an diesen Termin erinnert hast, zog er eine Schnute. Richtig? Ich kenne doch Michael.«

      »Und dann bat ihn der Erste Vorsitzende noch um ein Gespräch unter vier Augen.«

      »Da war Michael aber erleichtert. Keine lästige Vernissage.« Sandra zog ihre Freundin mit sich und musterte sie verstohlen. »Er scheint der Meinung zu sein, dass du ihm für immer und ewig treu ergeben bist. Auch wenn er keine Zeit für dich hat.«

      Entsetzt sah Meike Sandra an. »Natürlich bin ich treu. Was denkst denn du. Obwohl ich es jedes Mal schade finde, dass er mich bei kulturellen Veranstaltungen im Stich lässt.«

      Mit einem Schulterzucken, das sowohl Resignation als auch Enttäuschung bedeutete, beendete Meike das leidige Thema und musterte ihre Freundin. Sandra trug, passend zu dem festlichen Anlass, ein elegantes Kleid. Die geschickte Anordnung der Rüschen kaschierte die Pölsterchen an den Hüften. Ihre lange krause Haarpracht bändigte sie mit einem Seidenband. Wie eine Diva stolzierte sie durch das Foyer in Richtung der Ausstellungsräume.

      »Nun komm schon, lass den Kopf nicht hängen. Nutz die Gelegenheit, um dich ein bisschen zu vergnügen. Du bist so schlank und siehst umwerfend aus. Da drinnen stehen genügend Junggesellen herum, dankbar für jede Art der Aufmerksamkeit. Du brauchst nur zuzugreifen.«

      Bei dem Stichwort zuzugreifen zuckte Meike zusammen. Der Zwischenfall mit Patrick stand wieder deutlich vor ihren Augen. Kurz überlegte sie, ob sie Sandra nicht davon erzählen sollte. Sie entschied sich dagegen.

      Sandra zog sie am Arm. »Wir sollten uns das Buffet nicht durch die Lappen gehen lassen. Mein Chef hat wieder eine tolle Auswahl getroffen.«

      »Es geht nicht um Michael«, betonte sie nochmals. »Aber du hast recht. Lassen wir uns nicht den Abend versauen. Hattest du mir nicht versprochen, mir den Künstler persönlich vorzustellen?«

      »Ja, aber Ludwig Fabke ist noch nicht eingetroffen. Das Übliche, Verspätungen bei der Bahn.«

      Sie bedienten sich am kalten Buffet. Sandra tat es wie immer sehr eingehend, und es entging ihr nicht, dass Meike fast keinen Bissen hinunterbrachte. Von da an fühlte sich Meike unablässig von ihr beobachtet.

      Sie gingen an den Stellwänden entlang und betrachteten die Radierungen und Aquarelle. Sandra wusste zu jedem Bild Einzelheiten. Sie jobbte in den Semesterferien regelmäßig in dieser Galerie und schwärmte von Fabke. Besonders ein Werk hatte es ihr angetan. Es trug den Titel »Träume der Camargue«.

      »Diese weißen, halbwilden Pferde faszinieren ihn über alles. Ganz früh am Morgen begab er sich auf die Pirsch, um sie zusammen mit den Flamingos zu zeichnen.«

      Aufmerksam betrachtete Meike das Bild und lauschte den Worten ihrer Freundin. Der Künstler hatte mit einer Detailtreue gemalt, dass man das Bild mit einer Fotografie verwechseln konnte. Der Schwung des Schilfs, die Maserung des Gefieders, die Proportionen und der Ausdruck der Pferde, es stimmte einfach alles. Eine starke Ruhe ging von dem Bild aus. Urplötzlich verspürte sie Sehnsucht, dort einmal Urlaub zu machen. Vielleicht konnte sie ja Michael zu einem Campingurlaub in der Camargue überreden. Morgens würde er sie mit frischem Baguette überraschen, und den Nachmittag verbrachten sie gemeinsam an einem einsamen Strand.

      »Die Bilder sind auf einer Rundreise durch Frankreich und Spanien entstanden.« Sandra zog sie zum nächsten Werk. Unermüdlich erzählte sie und übersah völlig, dass Meike mit ihren Gedanken längst woanders war.

      »Du hast Glück. Herr Fabke ist eingetroffen.« Diese zwei Sätze, etwas lauter ausgesprochen, holten die Freundin aus ihrem Traum.

      Sandra deutete auf zwei Männer, die von einer Gruppe Journalisten umlagert wurden. Den einen kannte Meike. Es war Sandras Chef. Seine Kleidung verströmte dieselbe Eleganz wie die Einrichtung der Galerie. Der andere war folglich der Künstler persönlich, aber er sah so gar nicht aus, wie Meike ihn sich vorgestellt hatte. Seine Zeichnungen und Aquarelle zeugten von einem ordentlichen und sauberen Stil. Dagegen schien der Künstler wenig wert auf sein Äußeres zu legen. Die Säume der Stoffhose waren unterschiedlich lang und die abgewetzte Strickjacke hatte schon bessere Tage erlebt. Seine schulterlangen, grau melierten Haare wurden von einem simplen, roten Gummi gebändigt.

      Mit einem solchen Kontrast hatte sie nicht gerechnet. Zwar wusste sie, dass Künstler manchmal etwas extravagant waren, aber das?

      Sandra steuerte zielstrebig auf die Gruppe zu und bahnte sich einen Weg zwischen die Journalisten durch.

      »Hallo Herr Fabke, darf ich Ihnen meine Freundin Meike Sanders vorstellen?«

      »Aber gern. Guten Tag.«

      Blaue Augen blickten sie an, tief und unergründlich. Der Druck seiner schlanken Hand war kräftig, sein Lächeln ausgesprochen herzlich.

      »Garantiert hat Ihnen Sandra schon viel erzählt«, meinte er. »Gefallen Ihnen meine Bilder?«

      »Ja sehr. Besonders die »Träume der Camargue«.«

      Ein Wort ergab das andere, und kurz darauf waren sie in ein ausführliches Gespräch vertieft. Begeistert blinzelte Sandra ihrer Freundin zu. Abgelenkt von den düsteren Gedanken, blühte Meike regelrecht auf. Die Damen und Herren von der Presse warteten ungeduldig.

      »Es tut mir leid. Aber die Pflicht ruft«, sagte Ludwig Fabke nach einer Weile. Mit einer Geste des Bedauerns wandte er sich den Journalisten zu. »Die Zusammenstellung meiner Werke in dieser Ausstellung erfüllt einen bestimmten Zweck. Sie soll auf eine gefährdete Landschaft aufmerksam machen. In zwei Wochen reise ich erneut nach Südfrankreich, begleitet von einem Aufnahmeteam des Fernsehens.«

      Sandra zupfte an ihrem Ärmel und dirigierte Meike zur nächsten Stellwand.

      »Na, was habe ich gesagt? Er gehört zu den wirklich sympathischen Künstlern.«

      »Ja, da hast du recht. Am Anfang war ich völlig perplex. Du hättest mich zumindest vorwarnen können.«

      »Nee, ich wollte dein fassungsloses Gesicht sehen. Und diese Überraschung ist mir gelungen.«

      »Das kannst du laut sagen.« Meike gähnte und sah verstohlen auf die Uhr. Halb zehn. Die Zeit verging wie im Flug. Und der lange Fußmarsch durch den Regen machte sich bemerkbar. Bleierne Müdigkeit breitete sich in ihren Gliedern aus.

      »Ich muss früh raus«, murmelte sie entschuldigend. »Mein Job kommt nicht zu mir ins Haus. Ich mache mich unauffällig auf die Socken.«

      »Wie du meinst. Ein Pech, dass die Vernissage diesmal ausgerechnet an einem Donnerstagabend stattfindet.«

      »Genau. Niemand denkt an die arbeitende Bevölkerung. Samstag oder Sonntag wäre