Hans-Jürgen Kampe

Vatter - es kostet nix


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die anfangs etwas originell, dann aber nur noch lästig fanden.

      Als er Andrea dann auch noch bedrängte, seine Dreh­muscheln als Tischdeko zu verwenden, welche die Gäste sogar mitnehmen durften, war das Maß bei Andrea gestrichen voll.

      „Wenn Du so weitermachst, bleiben uns noch die Freunde weg, und wir werden auch nicht mehr eingeladen“, schimpfte Andrea mit ihrem ziemlich verständnislos drein­blickenden Mann.

      Und so blieben Klaus nur noch die Kinderzimmer als Depot, nachdem auch in seinem Hobbyraum im Keller kein Platz mehr war.

      3

      Andrea hatte ja für ihren Ältesten viel Verständnis, denn sie wusste, wie wenig einfühlsam Klaus als Beifahrer war.

      Sie selbst musste sich bei manchen, gut gemeinten „Verbesserungsvorschlägen“ von Klaus an ihrer Fahrweise auch sehr beherrschen.

      Aber da sie Emma versprochen hatte, mit ihr den Samstag bei ihren Pferden Contess und Schmidtchen zu verbringen, musste Anton wohl oder übel mit seinem Vater fahren.

      Weil Anton ja am liebsten alleine Auto fahren wollte, was auf dem Verkehrsübungsplatz nicht möglich war, machte Andrea als ausgleichende Mutter einen Vorschlag zur Güte.

      „Fahrt doch heute auf dem Parkplatz vom Tennisverein. Jetzt im Februar ist eh alles geschlossen und der Parkplatz ist leer. Da kannst Du dann in Ruhe allein üben und der Papa bleibt am Rande stehen.“

      Antons Mine hellte sich wieder auf. Der Vorschlag klang gut. Nur Klaus schaute skeptisch drein.

      Denn bei kaltem Regen im Februar eine Stunde draußen zu stehen und die kreischenden Geräusche der falsch einge­legten Gänge zu hören, oder sein geliebtes Auto über den Asphalt springen zu sehen, erforderte aus seiner Sicht schon ein Übermaß an väterlicher Toleranz.

      Aber gut. Er würde sich warm einpacken und einen Schirm mitnehmen.

      „Nehmt ihr Mila mit zum Reitstall, denn sie muss nochmal raus?“

      „Lass mal, Papa, ich würde mit Mila gehen, denn ich bleibe ja zu Hause, höre noch Musik und lese. Ich mach`s mir schön gemütlich“, schlug Emil vor und biss in sein zweites Roquefort Brötchen. Bei Emil musste immer alles gemütlich sein. Sein absoluter Lieblingszustand.

      „Super, Emil, vielen Dank. Dafür üb` ich dann nächstes Jahr auch mit Dir“, versprach Klaus seinem Zweitgeborenen, der sich aber nicht ganz sicher war, ob er das auch als Drohung auffassen könnte.

      Auf der Fahrt zum Tennisplatz kam Klaus ins Grübeln. Anton wollte, wie viele seiner Altersgenossen auch, in die Fahrschule Grube gehen. Die Eigentümerin hatte in ihrem Stadtteil einen kleinen Laden in der Nähe der Schule gemietet, in dem Anton zusammen mit seinem Freund Lutscher, der eigentlich aber Artur hieß, Mittwochabends Theorie Unterricht hatte.

      Die Chefin des Ein-Frau-Unternehmens hatte bedauer­licherweise als Täufling von ihren Eltern den wohl­klingenden französischen Vornamen Claire bekommen. Es dauerte nur 6 Jahre, bis in der Grundschule aus ihrem Namen Claire Grube ihr Spitzname „Klärgrube“ wurde.

      Dieser Name klebte bis heute an ihr. Denn da Frau Grube nie geheiratet hatte, blieb ihr bis heute dieser interpretationsfähige Name erhalten. Und so war es bei allen Jugendlichen in Antons Alter sehr angesagt, die „Pappe“ oder den „Lappen“ bei der „Klärgrube“ zu machen.

      Das rechtfertigte aber nicht die außergewöhnliche Kreativität von Claire Grube beim Erfinden von Gründen von weiteren teuren, und aus Sicht von Klaus völlig un­nötigen Fahrstunden, die Klaus eigentlich durch seine Fahrübungen mit Anton auf ein absolutes Minimum reduzieren wollte.

      Was ihm aber nicht gelang, denn Frau Grube erfand immer neue Gründe für „notwendige“ Fahrten, die ihre meist noch minderjährigen Schüler eingeschüchtert zu absolvieren hatten.

      Eine Autobahnfahrt mit und ohne Stau

      eine Regenfahrt mit und ohne Aquaplaning

      eine Nachtfahrt mit und eine ohne Vollmond

      eine Fahrt mit nüchternem und eine mit vollem Magen

      Und so weiter.

      Einige Eltern rebellierten allerdings schon, als Frau Grube mindestens eine Fahrstunde ohne Klimaanlage und ohne Deo, dafür aber mit randvoller Blase verlangte, um die Situation in zähfließendem Verkehr durch eine der endlosen Autobahnbaustellen auf der A7 bei geschlossener Raststätte zu simulieren.

      Alles angeblich Empfehlungen des deutschen Fahrlehrer­verbandes.

      Klaus hasste den Einfallsreichtum von Claire Grube. Er bekam eine seiner sehr seltenen Hitzewellen, wenn er die Stunden von Anton zusammenzählte und daran dachte, dass ihn das Gleiche bei Emil und Emma erwartete.

      Wehmütig dachte er an seine eigene Fahrschulzeit. Da hatte er nämlich nach nur zehn Fahrstunden die Fahrprüfung abgelegt.

      Zumindest war das seine Kurzversion, die er seinen Kindern mit verträumten Augen erzählte.

      Dass er bei der ersten Prüfung krachend durchgefallen war, weil er fast einen Auffahrunfall provoziert und auch noch die Vorfahrt genommen hatte, und danach weitere zehn Stunden, sowie eine weitere Prüfung absolvieren und bezahlen musste, wusste nur seine Mutter Alma.

      Und die hielt garantiert dicht. Noch.

      Denn nur Klaus wusste, dass auch Alma zweimal durch die Prüfung gefallen war. Aber man wusste nie, was Oma Alma ihren Enkeln mal bei einer entspannten Teestunde erzählen würde. Oder, noch schlimmer, Fräulein Saurbier.

      Auf dem Parkplatz angekommen, stieg Klaus ächzend aus dem Auto, nahm seinen Schirm und überließ dem über­raschten Anton kommentarlos die Autoschlüssel.

      Klaus stellte sich mit Kapuze und Schirm unter eine Kiefer, die etwas Schutz bot und beobachtete mit zusammen­gekniffenen Augen sehr argwöhnisch seinen Ältesten.

      Anton legte erstaunlicherweise relativ geräuschlos den Rückwärtsgang ein und fuhr aus der Parkbucht.

      Der Kombi hoppelte auch gar nicht, als Anton einmal auf die andere Seite des Parkplatzes fuhr und dann rückwärts einparken übte.

      „Andrea hatte wohl leider recht. Es flutscht bei Anton besser, wenn ich nicht im Auto sitze. Ich werde ihr nachher aus dem Aldi ein Sträußchen Blumen mitbringen“, sinnierte der verblüffte Klaus.

      Anton übte weiter ganz geduldig und fuhr dann wieder langsam auf Klaus zu.

      Als Klaus wohlmeinend den Daumen nach oben reckte und einsteigen wollte, gab Anton auf einmal Gas, beschleunigte, fuhr zum Ausgang und verließ mit quietschenden Reifen den Parkplatz.

      Klaus entglitten ziemlich schnell die Gesichtszüge. Er sah so hilflos aus, als hätte er sich nachts auf einer einsamen Landstraße einen Platten gefahren. Im ersten Moment vermutete Klaus einen geschmacklosen Scherz von „Versteckte Kamera“. Aber am Samstag morgen bei Regen. Eher unwahrscheinlich. Er war sprachlos, geschockt, ent­setzt und dann tief verärgert. Denn Anton befand sich jetzt mit seinem Kombi auf einer öffentlichen Straße.

      Wenn irgendetwas passieren würde, oder das rauskam, würde er als Vater zur Verantwortung gezogen werden. Und er brauchte seinen Führerschein dringend.

      Klaus sah sich schon vier Wochen Straßenbahn, Bus oder Taxi zu seinen Mandanten fahren. Peinlich. Und die Kosten.

      Er rannte über den Parkplatz, in der einen Hand seinen geöffneten Schirm schwenkend, lief auf die Straße, suchte Anton verzweifelt und sah dann fünfhundert Meter weiter seinen Kombi stehen.

      Die Warnblinkanlage blinkte nervös.

      Hoffentlich hatte der Junge das Auto nur abgewürgt, und es war nichts passiert.

      Na, der würde von ihm eine Predigt zu hören bekommen. Klaus stand kurz vor der Kernschmelze.

      Er lief heftig gestikulierend auf sein Auto zu. Als Klaus noch ungefähr fünfzig Meter entfernt war, öffnete sich die Fahrertür und