Dagmar Isabell Schmidbauer

Marionette des Teufels


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schiefen Grinsen. Sie wollte nicht klagen. Sie wollte einfach Verständnis.

      „Waren wir nicht alle mal so?“

      „Ich weiß nicht. Ich will ja, dass sie es besser haben, als ich damals, aber“, sie zuckte hilflos mit den Schultern, „ständig brauchen sie Geld und immer muss es das neueste Handy sein. Mir reicht doch auch ein ganz einfaches. Hauptsache, es ruft mal jemand an!“

      Automatisch zog Franziska ihr Handy aus der Tasche und warf einen Blick drauf. Keine neuen Nachrichten. Ramona hatte recht: Hauptsache es melden sich nicht immer nur die Kollegen.

      „Sag mal, ist Hannes schon da?“

      „Ja, er sitzt in eurem Büro.“

      „Und weißt du, wann die Besprechung ist?“

      „Die müsste jeden Moment beginnen.“

      Als Franziska und Hannes kurz darauf gemeinsam den Konferenzraum betraten, saßen alle, die zum Team Weberknecht gehörten, bereits an den u-förmig gestellten Tischen und sahen sie erwartungsvoll an. Oberstaatsanwalt Schwertfeger hatte sich zu seinem Freund Brauser gesetzt und nippte, sichtlich lustlos, an einem Becher mit dünnem Kaffee. Sein Gesichtsausdruck ließ ahnen, dass der in der Staatsanwaltschaft schmackhafter war. Franziska trug eine Akte mit allem, was sie bereits recherchiert hatte unter dem Arm und begann gleich darauf, Fotos der toten und der lebenden Sophia Weberknecht an die Wand zu pinnen. Während sie die Bilder akkurat aufhängte, berichtete sie für alle, die nicht am Tatort waren, aus dem Leben des Opfers.

      „Sophia Weberknecht wurde zweiunddreißig Jahre alt. Sie stammt aus der Senf-Dynastie Weberknecht in Regensburg.“ Ein zustimmendes Gemurmel ging durch den Raum und Franziska lächelte nachsichtig, bis sie fortfahren konnte.

      „Okay. Sie war seit drei Jahren als Sängerin am Fürstbischöflichem Opernhaus zu Passau engagiert und lebte seither in der Postackerstraße 7. Wie es aussieht, allein.“

      Die Kommissarin blickte kurz in die Runde, ob jemand einen Einwand hatte, und fuhr dann fort. „Nach dem bisherigen Bericht wurde Sophia irgendwann am Mittwochabend in ihrem Wohnzimmer mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen, anschließend ins Schlafzimmer gebracht und aufs Bett gelegt. Sie war nackt, als die alte Nachbarin Paula Nowak sie fand. Das Türschloss war noch intakt, und da sich in der Wohnung durchaus wertvolle Gegenstände befanden, kann wohl ein Raubmord ausgeschlossen werden.“

      „Es sei denn, jemand hatte es auf etwas Bestimmtes abgesehen. Auf etwas, das im ersten Moment niemandem fehlt“, warf einer der Ermittler ein.

      „Wie auch immer, sie muss von dem tödlichen Schlag überrascht worden sein, zumindest fanden wir keine Hinweise dafür, dass sie sich gewehrt hat. Näheres wird aber erst die Obduktion ergeben. Aus diesen Umständen schließen wir, dass sie ihren Mörder kannte. Laut einer Zeugin“, Franziska sah kurz zu Hannes, der Agnes Neumüller befragt hatte, „bekam sie immer wieder nächtlichen Besuch von einem Mann, der angeblich einen Schlüssel zu Haus und Wohnung hatte.“ Ihr Kollege nickte ihr zu.

      „Eine Zeugin sah am Nachmittag einen Mann am Haus. Wir wissen nicht, ob es nicht derselbe war, der am Abend wiederkam oder vielleicht noch immer in der Wohnung war und so Gelegenheit zur Tat hatte. Vielleicht war er der nächtliche Besucher. Leider haben wir bisher noch keine Beschreibung.“ Franziska warf einen Blick in ihr grünes Notizbuch und schmunzelte, bevor sie vorlas. „Aber er soll gut ausgesehen haben!“

      „Was bitte verstehst du unter gut aussehen?“ Der für die Ermittlungsarbeit hinzugezogene Kollege Obermüller war ein großer Kerl, breit wie ein Schrank, mit einem nicht zu übersehenden Bauchansatz, der durch zu viele Döner Kebabs während des Dienstes kam. Seine mittelblonden Haare trug er kurz, das Gesicht rasiert. Er war ein Mann der Tat, legte sich die Vorschriften gern selbst aus, leistete jedoch stets gute Arbeit.

      Franziska sah ihn kurz an. Für Mitte vierzig hatte er sich sicher gut gehalten, aber gut aussehend fand sie ihn eigentlich nicht. Sympathisch ja, aber nicht schön.

      „Schwer zu sagen. Vor allem weiß ich nicht, was Paula Nowak darunter versteht. Aber ich würde sie heute gern abholen lassen und vielleicht kommen wir mit Beispielen ihrer Beschreibung etwas näher. Sie ist übrigens schon weit in den Achtzigern und nicht mehr so ganz fit.“

      „Soll ich das übernehmen?“, fragte Kollege Gruber, der eine Schwäche für alte Damen hatte.

      „Ich glaube, es wäre besser, wenn Obermüller das macht. Frau Nowak vertritt nämlich die Meinung, dass alle Männer mit langen Haaren schwul sind.“ Vergnügt zwinkerte sie Obermüller zu.

      „Ja sag mal, was für eine Art von Gesprächen führst du denn mit deinen Zeugen?“ Ludwig Gruber strich sich in einer oft wiederholten Geste die dunkelbraunen Haare hinter die Ohren. Seine lange Mähne war sein Markenzeichen. Auch er war groß, aber schlanker als Obermüller, mit dem Dreitagebart, den auch der beste Rasierer kaum im Zaum halten konnte, und der olivbraunen Haut hatte er viel von einem Südländer oder eben einem Indianer. Ob das der Grund für seinen Spitznamen war oder die Tatsache, dass er an manchen Wochenenden sein Tipi aufbaute und darin campierte, wusste keiner seiner Kollegen so genau zu sagen. Hinter seinem Rücken unterhielten sie sich jedenfalls gern darüber, dass es für einen Mann mit fast fünfzig schon ein bisschen lächerlich sei, Indianer zu spielen. Noch dazu, wo er außer einer Frau auch schon erwachsene Zwillingstöchter hatte, die ein wenig jünger als Franziska waren.

      „Weiter!“, forderte Schwertfeger, den in diesem heiteren Moment alle vergessen hatten, nicht unfreundlich und mahnte, an den Fall zu denken.

      Ertappt zupfte Franziska an ihrem Pulli herum und fuhr dann fort. „Zum Täterprofil würde ich sagen, dass wir es mit einem großen, kräftig gebauten, männlichen Täter zu tun haben. Einem, der sich entweder sehr gut auskannte oder so unauffällig war, dass er von niemandem wahrgenommen wurde. Da wir am Tatort kein Notizbuch und kein Handy mit Telefonnummern gefunden haben, sollten wir uns, neben der Befragung der Nachbarn, vor allem auf das Stadttheater konzentrieren. Frau Weberknecht sang viele Titelrollen und war, den Besprechungen nach, beim Publikum sehr beliebt. Doch schreiben die Zeitungen das eine und die Kollegen sagen vielleicht was ganz anderes.“

      „Der liebe Kollegentratsch!“ Gruber grinste in die Runde, fügte aber nichts mehr hinzu.

      „Vielleicht ist er in diesem Fall ja von Vorteil und bringt uns ein bisschen weiter“, gab Franziska zu bedenken, die sofort wusste, was ihr Kollege meinte. „Ich denke nämlich, dass die Frau entweder keine Freunde hatte und man daher über sie sprach, oder dass gerade einer dieser Freunde der Täter war und aus diesem Grund das Handy mitgenommen hat, weil er fürchtete, dort gespeichert zu sein.“ Keiner wollte ihrer These zu diesem Zeitpunkt widersprechen.

      „Was wissen wir über die Art der Tötung?“, fragte der Staatsanwalt nach einem Blick auf die Uhr.

      „Der Notarzt ging davon aus, dass Frau Weberknecht mit einem flachen Gegenstand einen tödlichen Schlag auf den Hinterkopf bekommen hat. Näheres wird uns hoffentlich bald die Rechtsmedizin in München mitteilen.“

      „Sie fahren hin?“

      „Ja.“ Sie nickte zur Bekräftigung.

      „Wie sieht es mit Spuren am Tatort aus?“ Schwertfeger sah jetzt Annemarie Michl von der Kriminaltechnik an, die die Ermittlungen vor Ort geleitet hatte.

      „Nichts. Keine verwertbaren Spuren. Der Täter hatte entweder Handschuhe getragen oder er wusste genau, wie man die Spuren effektiv beseitigt. Die Tatwaffe fehlt ebenfalls.“ Sie warf einen Blick auf ihr Notizbuch, das geschlossen vor ihr lag, und fuhr fort. „Der ganze Tatort war picobello sauber. Wahrscheinlich war sie gerade mit ihrem Herbstputz fertig, als sie getötet wurde. Vielleicht hatte sie auch eine Bakterienphobie. In ihrem Badezimmer und im Nachttisch haben wir jede Menge Vitamin C gefunden und einige Schachteln Cortison.“

      „Ich hab mal gelesen, dass Sänger damit ihre Stimme dopen“, warf Hannes ein und Franziska sah ihn verwundert an, nickte dann aber mechanisch.

      „Gut. Fürs Erste ist es nicht viel, aber es sind Ansätze da und denen gehen Sie bitte nach. Ich muss sicher