Liv-Malin Winter

Eiskalte Energie


Скачать книгу

passieren? Er wird ein paar Tage ärgerlich sein und sich dann wieder beruhigen. Das war bisher immer so. Außerdem schicke ich den Bericht ja nicht an externe Leute, sondern an das Umweltministerium. Die sind schließlich unsere Auftraggeber.‹‹

      ››Tu, was du nicht lassen kannst‹‹, erwiderte Luisa skeptisch.

      ››Ja, das werde ich auch. Am besten sofort.‹‹ Isabella drehte sich um und verließ Luisas Büro.

      ››Herr Minister, Sie haben eine wichtige E-Mail vom Institut für Umweltforschung erhalten.‹‹

      ››Was wollen die denn?‹‹, fragte Gerhard Wallner seine Assistentin.

      ››Es geht um neue Forschungsergebnisse bezüglich des Einsatzes von Methanhydrat als Energieträger. Hier steht, dass der Einsatz von Methanhydrat den Klimawandel extrem beschleunigen würde. Außerdem könnten beim Abbau des Methanhydrats auch Tsunamis ausgelöst werden. Davon wären Küstenregionen auf der ganzen Welt betroffen‹‹, erklärte seine Assistentin.

      ››Immer kommen diese Forscher mit neuen Horrorszenarien. Irgendwo muss die Energie doch herkommen, oder?‹‹, antwortete er ungehalten. ››Verbinden Sie mich mit Schwaiger. Ich kläre das!‹‹, fügte er hinzu und ging in sein Büro. Einige Minuten später hatte er den Chef des Instituts für Umweltforschung am Telefon.

      ››Hallo Bruno, hier ist Gerhard! Sag mal, hast du deine Leute nicht mehr im Griff?‹‹, eröffnete der Umweltminister ärgerlich das Gespräch.

      ››Was ist denn los?‹‹, fragte Bruno Schwaiger.

      ››Ich habe gerade eine hochwichtige E-Mail von einer deiner Mitarbeiterinnen bekommen. Sie meint, dass auf keinen Fall Methanhydrat abgebaut werden darf. So ein Schwachsinn! Methan ist der Energieträger der Zukunft und wird alle unsere Probleme lösen! Hast du von dieser E-Mail gewusst?‹‹

      ››Nun, von ihren Ergebnissen habe ich gewusst, aber dass sie sie an euch schickt, natürlich nicht. Vermutlich wollte sie sich ein bisschen profilieren. Du weißt ja, wie die jungen Forscher sind. Ihre Ergebnisse müssen immer spektakulär sein.‹‹

      ››Ich will, dass du das Problem löst! Wenn diese Weltuntergangstheorien an die Öffentlichkeit gelangen, kann das unsere Pläne gewaltig durchkreuzen!‹‹

      ››Keine Sorge, Gerhard. Ich kümmere mich darum‹‹, sagte Bruno und legte auf. Wütend rief er Isabella in sein Büro.

      ››Was fällt Ihnen ein, eigenmächtig Forschungsergebnisse weiterzugeben?‹‹, fuhr er sie aufgebracht an, sobald sie sein Büro betreten hatte.

      ››Ich habe sie doch nur an den Umweltminister geschickt. Ich dachte, er muss informiert ...‹‹, weiter kann sie nicht, als er sie wütend unterbrach.

      ››Ich habe gesagt, ich kümmere mich darum! Was erlauben Sie sich, dass Sie sich meinen Anweisungen widersetzen? Das reicht mir jetzt endgültig! Sie sind gefeuert. Packen Sie sofort ihre Sachen und verschwinden Sie! Ich will Sie hier nicht mehr sehen!‹‹

      ››Aber …‹‹, setzte sie an.

      ››Los, raus hier!‹‹, schrie er sie an.

      Isabella verließ benommen das Büro. Auf dem Flur standen einige Kollegen, die das Gebrüll des Chefs gehört hatten. Sie waren aus ihren Büros gekommen, um zu erfahren, was los war.

      ››Ich bin entlassen worden‹‹, sagte Isabella, den Tränen nahe. Aber sie riss sich zusammen. Auf keinen Fall wollte sie jetzt anfangen zu weinen.

      ››Warum das denn?‹‹ fragte eine Kollegin erstaunt.

      ››Weil ich Forschungsergebnisse an den Umweltminister weitergegeben habe. Unser Chef hat es nicht getan, als so habe ich es gemacht. Ich dachte, der Umweltminister muss doch informiert werden‹‹, sagte Isabella fast ein bisschen trotzig.

      Bedauernde Blicke folgten ihr, als sie in ihr Büro ging und wahllos alles einpackte, was auf ihrem Schreibtisch lag. Isabella sah auf, als sich die Tür öffnete. Luisa kam in ihr Büro und schloss die Tür hinter sich. Sie ging zu Isabella und nahm diese in den Arm.

      ››Ich habe gerade gehört, was passiert ist. Es tut mir so leid.‹‹

      ››Ich verstehe das nicht!‹‹ Isabella war geschockt.

      ››Du weißt doch, dass Schwaiger sehr aufbrausend ist.‹‹

      ››Ja schon, aber mich gleich zu feuern, ist doch völlig übertrieben, oder?‹‹

      ››Lass ihn mal eine Nacht darüber schlafen. Er regt sich schnell auf, aber genauso schnell regt er sich auch wieder ab. Wenn Schwaiger sich beruhigt hat, werde ich versuchen, mit ihm zu reden. Bestimmt überlegt er sich das mit der Kündigung noch mal. Schließlich kann er es sich nicht leisten, auf eine brillante Wissenschaftlerin wie dich zu verzichten‹‹, versuchte Luisa Isabella aufzuheitern.

      ››Danke‹‹, entgegnete Isabella mit einem zittrigen Lächeln.

      ››So, ich muss wieder. Lass den Kopf nicht hängen‹‹, verabschiedete sich Luisa und verließ eilig Isabellas Büro.

      Isabella beeilte sich, ihre Sachen zusammenzupacken. Sie wollte so schnell wie möglich weg aus dem Büro. Vorsichtig öffnete sie ihre Bürotür und sah nach draußen. Auf dem Flur war niemand zu sehen. Sie hastete an den Büros ihrer Kollegen vorbei und meinte, hinter den angelehnten Türen Getuschel zu hören. Doch keiner ließ sich blicken. Sie lief die Treppe zum Erdgeschoss hinunter und strebte eilig dem Ausgang zu.

      ››Frau Filanders?‹‹, sprach der Pförtner sie zögernd an.

      Überrascht sah Isabella auf.

      ››Kann ich bitte Ihre Zugangskarte haben?‹‹, fragte der Pförtner verlegen.

      ››Ja natürlich‹‹, murmelte Isabella und wühlte hektisch in ihrer Tasche, bis sie sie schließlich gefunden hatte und dem Pförtner in die Hand drückte. Dann eilte sie zum Ausgang und einen Moment später fiel die Tür hinter ihr zu. Der Pförtner griff zum Telefon und wählte.

      ››Frau Filanders hat gerade das Gebäude verlassen. Ihre Zugangskarte habe ich.‹‹

      ››Gut, sorgen Sie dafür, dass sie keiner mehr herein lässt. Sie ist im Institut für Umweltforschung unerwünscht‹‹, ordnete Bruno Schwaiger an, während er aus seinem Büro beobachtete, wie Isabella mit gesenktem Kopf über den Vorplatz eilte. Er gratulierte sich im Stillen, dieses Problem so schnell gelöst zu haben.

      Als Isabella ihre Wohnung erreichte, stand sie immer noch unter Schock. Sie schloss die Wohnungstür auf und ließ achtlos ihre Tasche und den Einkaufsbeutel mit ihren Bürosachen auf den Boden fallen. Sie durchquerte das Wohnzimmer und ging auf den kleinen Balkon. Blicklos sah sie in die Ferne, während sie versuchte zu verstehen, was da am Vormittag geschehen war. Schwaiger hatte sie entlassen, weil sie ihren Bericht an das Umweltministerium geschickt hatte. Doch das ergab für Isabella keinen Sinn. Sie hatte schon häufiger Forschungsberichte an andere Stellen weitergegeben, die über die jeweiligen Ergebnisse informiert werden mussten, ohne dass Schwaiger sich besonders dafür interessiert hatte. Warum war seine Reaktion dieses Mal derartig extrem ausgefallen? Sollten die Ergebnisse etwa geheim bleiben? Aber aus welchem Grund?

      Diese Idee erschien ihr zu abwegig. Sie beruhigte sich mit dem Gedanken, dass der Umweltminister über ihre Ergebnisse Bescheid wusste. Er würde dafür sorgen, dass sie in die politische Diskussion einfließen und Gehör finden würden. Wenn das geschehen war, würde auch Schwaiger einsehen, dass er überreagiert hatte.

      Getröstet von diesem Gedanken ging Isabella ins Wohnzimmer und startete ihr Notebook. Sie wollte sehen, ob auf der Seite des Umweltministeriums vielleicht schon ein Statement zum Thema Methanhydrat zu lesen war. Beim Einschalten flackerte der Bildschirm bedenklich. Doch mit ein bisschen Geruckel bekam Isabella wieder ein klares Bild. Sie musste das Gerät bald zur Reparatur bringen, denn lange würde der Bildschirm nicht mehr funktionieren. Sie hoffte, dass