Roland Roth

Geheimnisvolle Unterwelten


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      Abb. 2: Arthur Conan Doyle 1890, aufgenommen von Herbert Rose Barraud

      Das Plateau beherbergt dennoch eine einzigartige, nur auf dem Tepui vorkommende Tier- und Pflanzenwelt, die man an keinem anderen Ort der Welt findet. Das liegt nicht zuletzt an der mehrere hundert Meter hohen Steilwand, die eine schier unüberwindbare Barriere darstellt. Darüber hinaus ist das Klima gegenüber dem Regenwald isoliert. Unten ist das Klima feucht und tropisch, während auf dem Plateau dagegen ein eher gemäßigtes Klima mit verschiedenen Wetterverhältnissen herrscht.

      Eine weitere unerforschte Welt ist die Cueva de Villa Luz, eine Höhle in der Nähe von Tapijulapa im südmexikanischen Bundesstaat Tabasco. Bereits vor der Höhle wird man vom fauligen Geruch des Schwefelwasserstoffs empfangen. Das Gas ist ein starkes Gift für die Atemwege, dennoch existiert hier extremophiles Leben, ebenso wie in der tiefen Lechuguilla-Höhle, eine Tropfsteinhöhle bei Carlsbad in New Mexico, über die wir in diesem Buch noch einiges lesen werden. (Als „extremophil“ bezeichnet man Organismen, die sich sogar lebensfeindlichen Umgebungsbedingungen angepasst haben. Das Gegenteil wären mesophile Organismen.)

      Auch weite Teile der Arktis, Antarktis und Sahara haben bisher lediglich die elektronischen Augen von Satelliten gesehen. Im Himalaja sind vielen nur die Achttausender bekannt, doch die Gipfel der 250 Sechstausender in Ost-Tibet sind noch immer weitgehend unberührt und Menschen waren zumeist noch nicht einmal in der Nähe dieser Regionen.

      Forscher stoßen oft nur durch Zufall auf ein Wegenetz unter dem Blätterdach eines Urwalds oder auf riesige Flächen von Steilwänden im Hochgebirge. Im Nordosten Perus, in der Provinz Chachapoyas und rund 700 km von der Hauptstadt Lima entfernt, entdeckte beispielsweise der deutsche Entwicklungshelfer Stefan Ziemendorff im Jahr 2002 so ein Hochgebirge, in dem sich zahlreiche Flüsse von den Anden zum Amazonas hinunter schlängeln.

      Die Indios erzählten dem Entwicklungshelfer von einer weißhaarigen Sirene, die unterhalb des gewaltigen Gocta-Wasserfalls einen Goldschatz bewache und jeden in einen Felsen verwandle, der sich ihr nähert. Man solle der Stelle in jedem Fall fern bleiben, denn Juan Mendoza, einen der ihren, habe es schon erwischt. Der Entwicklungshelfer ging der gruseligen Geschichte trotzdem nach und entdeckte im Jahre 2002 im Urwald der östlichen Anden schließlich den Felsen, der einst Juan Mendoza gewesen sein soll und zudem einen gigantischen Wasserfall mit 771 m Fallhöhe.

      Viele denken bei vergessenen Welten und unentdeckten Orten sofort auch an El Dorado, die sagenhafte Goldstadt der Inkas. Der Traum vom Inkagold trieb im 16. Jahrhundert Hunderte von Abenteurern in die dünne Luft der Anden und in die dampfende Hölle des Amazonas. Für viele von ihnen war der Lohn nur der Tod. Auch mit modernsten Mitteln ist es bislang nicht gelungen, nennenswerte Schätze zu bergen, als sei die Suche nach dem Gold für alle Zeit verflucht.

      El Dorado bleibt für die Europäer offensichtlich unerreichbar. Einer von vielen war Francisco de Orellana (1511-1546). Er stieg 1541 von Quito aus mit seinem Tross über die Berge hinab in dampfende Dschungelwälder, fuhr acht Monate lang auf einem riesigen Strom, fast 6.000 km bis zur Mündung und entdeckte so zwar nicht EI Dorado, wohl aber den Amazonas.

      Dem Konquistador verdankt der Strom auch seinen Namen, denn sein mitreisender Dominikaner-Mönch Gaspar de Carvajal (1500-1584) berichtete in seinen Aufzeichnungen über eine seltsame Begegnung:

      „Als wir dem Ufer immer näher kamen, begannen die Indios mit Pfeilen nach uns zu schießen, und da es zahlreiche Krieger waren, schien es, als regne es Pfeile. Aber unsere Arkebusiere und Armbruster waren auch nicht träge. Obwohl sie viele töteten, schienen es die Indios gar nicht zu merken, denn trotz des Schadens, der ihnen zugefügt wurde, machten sie unermüdlich weiter, indem die einen kämpften, die anderen Kriegstänze vollführten ...

      Ich will, dass man erfährt, warum diese Indios sich auf solche Weise verteidigten. Es muss erklärt werden, dass sie tributpflichtige Untertanen der Amazonen sind. Als sie von unserem Kommen erfahren hatten, wandten sich die Indios mit der Bitte um Hilfe an diese, und es kamen so etwa zehn bis zwölf von ihnen, denn wir selbst sahen diese Frauen, die als weibliche Hauptleute in vorderster Front von allen Indios kämpften. Die Frauen sind sehr hellhäutig und groß und tragen langes Haar, das sie geflochten und um den Kopf gewickelt haben. Sie sind sehr kräftig und gehen ganz nackt, wobei allerdings ihre Schamteile bedeckt sind.“

      Orellana berichtete neben seinen Kontakten mit den Amazonen in den Aufzeichnungen auch über Millionen Menschen, welche die Ufer des Amazonas in großen Städten besiedelten. Spätere Expeditionen fanden jedoch nichts als Regenwald, daher nahm man an, dass Orellana gelogen habe. Allerdings ergaben moderne Forschungen eine erhebliche menschliche Siedlungstätigkeit im Amazonasbecken. Diese Behauptung wird durch das massive Vorkommen von Terra preta gestützt, die portugiesische Bezeichnung für „schwarze Erde“.

      Terra preta bedeutet nicht mehr und nicht weniger als im Amazonasbecken anzutreffenden anthropogenen Boden, also die durch Menschen verursachten Rückstände, so beispielsweise Asche, Biomasse, Küchenabfälle, Verkohlungsrückstände, Knochen, Dung oder menschliche Fäkalien.

      Die Verwitterung schreitet in den Tropen relativ rasch voran und die geografischen Abschätzungen lassen darauf schließen, dass das Amazonasbecken einst 5 bis 10 Millionen Menschen beherbergt haben könnte. Hierbei entstanden die meisten dunklen Böden zwischen 700 und 1000 n. Chr., andere sind allerdings weitaus älter. Wo sind sie alle hin, diese Menschen? Möglicherweise fielen sie den Epidemien zum Opfer, die von den europäischen Eroberern eingeschleppt worden waren.

      Fast 30 Jahre nach Orellana versuchte es Pedro de Ursúa (1526-1561) auf einer südlicheren Route, wurde aber bei einer Meuterei umgebracht. Der Anführer der Rebellen, ein gewisser Lope de Aguirre (1510-1561), auch in Werner Herzogs brillantem Film-Epos „Aguirre – der Zorn Gottes“ von Ausnahmeschauspieler Klaus Kinski (1926-1991) im meisterhaften Wahnsinn dargestellt, schrieb nach einer monatelangen Odyssee und kurz vor seiner Ermordung in der grünen Hölle Amazoniens seiner Katholischen Majestät: „Ich schwöre bei meinem christlichen Glauben, keiner kommt hier mehr raus, denn all diese Geschichten sind falsch.“ Doch die Legende vom EI Dorado vergiftete noch eine lange Zeit die europäischen Köpfe.

      In der modernen Welt gehen Forscher schon nüchterner an die Sache heran. Im Vordergrund stehen Wissenschaft und Forschung, nicht mehr die Entdeckung unermesslicher Reichtümer oder die Rettung einer schönen Prinzessin aus den Fängen blutgieriger Menschenfresser.

      Im Südwesten von Slowenien liegt beispielsweise der Zirknitzer See, ein geheimnisvolles Gewässer, dessen Wasser auf mehrere Mo-nate in unterirdischen Gängen versickert, die bis heute nicht vollständig erforscht sind. Der Historiker und Topograph Johann Weichard von Valvasor (1641-1693) erforschte den mysteriösen Sickersee 1689. Am Beckenrand fließt der See auch durch zwei Höhlen in das Innere der Erde ab.

      Der periodisch verschwindende See, im ehemaligen Herzogtum Krain, in den der Wörthersee zweimal hineinpassen würde, war stets von Geheimnissen umgeben. Auf alten Übersichtskarten finden sich seltsame Beschreibungen wie „hexen zusammenkhunft“ oder „ungewitter loch“. Durch das nahegelegene Tal Rakov Skocjan fließt der Fluss Rak, heute oberirdisch, vor Millionen von Jahren noch unterirdisch. Die urtümliche Landschaft von Rakov Skocjan war 1964 Filmkulisse für Szenen in „Winnetou 2. Teil“ mit Pierre Brice (1929-2015) in der Hauptrolle.

      Ferner haben Forscher von der Durham University in England in 2007 auf dem Grund des Atlantiks ein gewaltiges Loch in der Erdkruste gefunden. Wo sich Gestein der Kruste kilometerdick auftürmen müsste, liegt der Erdmantel quasi völlig frei. Es befindet sich auf halber Strecke zwischen Teneriffa und Barbados, den Angaben zufolge 5 km unter der Wasseroberfläche. Zudem hat er einen Durchmesser von 3 bis 4 km.

      Am Mittelatlantischen Rücken, wo zwei tektonische Platten auseinanderdriften und sich eine Reihe von Untersee-Vulkanen erstreckt, sind solche Löcher in der Erdkruste keine Seltenheit. Allerdings füllen sie sich normalerweise von unten wieder mit Lava auf. Hier kann man direkt auf den Fels des Erdmantels blicken, der grün schimmert, weil er aus dem Mineral Olivin besteht.

      Die Entdeckung ist spektakulär, weil sich hier die einmalige Gelegenheit bietet,