Hugo Berger

Steinreich


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       Stephan Steinreich/ Jackpotgewinner und der ewiger Verlierer

       Strapsi (Angela-Julia Tussinger) Ex von Stephan, Friseuse

       Susanne Glück/ Lottotante

       Süße/ Bank-Assistentin bei Bahama Bank

       Tante Hilde /Stephans erfundene Erb-Tante

       Weißbier-Hugo/ Kumpel aus der Suchtklinik

       Willi/ Stiefvater

      1-Fix

      Tom und ich waren superdicke Freunde wie Tom Sawyer und Huckleberry Finn und manchmal spinnefeind wie Katz und Maus. Wir waren Kumpels auf Biegen und Brechen und gingen uns dann wieder jahrelang aus dem Weg. Wir haben die wildesten Dummheiten gemacht und waren beinahe Todfeinde. Zwei wie Pech und Schwefel und dann wieder …. Konkurrenten… und wir waren gleich alt aber ansonsten einer von dem anderen so ziemlich das gegenseitige Gegenteil und sind es bis heute geblieben.

      Kaum vorstellbar, dass dieser damals sechsjährige neunmalkluge Bengel aus Berlin-Neukölln, zu meinem Kumpel, Freund und Blutsbruder geworden ist, als er mit seinen Eltern in das Mehrfamilienhaus meiner tiefbayerischen Heimat eingezogen ist, in dem ich mit meiner Mutter gewohnt habe. Tom, oder Fix, wie ihn sein Vater so gern nannte, hatte eine große Klappe und war nie auf den Mund gefallen, clever, technisch äußert geschickt und immer einen Schritt voraus, egal um was es ging. Kurz, ein echter Draufgänger, oder wie wir in Niederbayern zu sagen pflegen: ein voglwuider Hundling, der sich so ziemlich alles zugetraut hat, was Gott verboten hat, und trotzdem dabei immer mächtig Dusel hatte.

      Vielleicht sollte man unsere Freundschaft -zumindest phasenweise- auch eher als eine praktische Zweckfreundschaft bezeichnen. Ich sein Buhmann für alle Gelegenheiten und er derjenige, von dem ich jeden Trick hätte lernen können und der meine Unfall-Schrottis, beziehungsweise das, was davon übriggeblieben ist, wieder zusammengeflickt hat. Und doch, wir haben uns irgendwie ergänzt, Tom Freund und ich. Natürlich war es mehr als absehbar, dass es in unserer Freundschaft auch mächtig Zoff geben würde und Zerwürfnisse vorprogrammiert waren, die teilweise über Jahre hinaus gegangen sind. Der Grund war immer derselbe. Es war seine Hurenbock-Seele und es ging immer um dasselbe Mädchen.

      Man kann unsere Freundschaft auch mit einem deftigen Kotelett vergleichen, das einige unverdauliche Knorpel hat, die man beim besten Willen nicht hinunterschlucken kann oder an denen man eine Ewigkeit kaut, bis sie endlich verdaut sind. Der Sieger am Ende war dann trotzdem Fix.

      2-Stephan Steinreich

      Ich dagegen war wie das Butterbrot, das immer mit der falschen Seite auf den Boden gefallen ist. Das bedauernswerte Butterbrot hieß Stephan. Dafür habe ich wenigstens einen verflucht gut klingenden Familiennamen von meiner Mutter bekommen, Steinreich, Stephan Steinreich. Mein Vater dafür Fehlanzeige und Fragezeichen. Das war`s.

      Stopp, es ist zwar keinen Pfifferling wert, aber ich habe es so reichlich, dass es schon weh tut. Gutmütigkeit. Ja, ehrlich. Es ist diese verdammt blöde Sorte von Gutmütigkeit, die mich immer wieder auf alle Lügen und Versprechungen hereinfallen lässt. Ob ich darauf stolz sein soll? Wenn nicht, dann kann ich als ungewünschte Zugabe noch mein ausgeprägtes Versager-Gen draufpacken, und der erklärte Pechvogel meines Jahrgangs mit der bescheidenen Daseinsberechtigung einer Rest-Mülltonne ist perfekt, danke.

      3-Strapsi

      Und dann war da noch die Strapsi. Sie liebt mich, sie liebt mich nicht, sie liebt mich vielleicht, sie liebt mich wieder nicht. Sie ist nur ein Jahr jünger als ich, aber trotzdem war sie mir beziehungstechnisch immer meilenweit voraus. Sie geisterte seit meiner Schulzeit in meinem Leben herum und tauchte immer wieder auf. Immer dann, wenn ich nicht damit gerechnet hatte.

      Meine Mehrfach-Ex war ein echter Hingucker, das muss ich ihr lassen. Die geile Maus war und ist ein richtig böses, böses Mädchen. Sie raubte mir mein Hirn und meinen Restverstand, und das nicht nur einmal. Eigentlich ist ihr Name Angela Tussinger und ihr Plan A war eine Karriere als Model und als konsequente Folge davon sehr viel Zaster zum Flatrate-Shoppen.

      Genaugenommen hatten wir so wenige Gemeinsamkeiten, wie eine ausgestopfte Fledermaus mit einem gegrillten Hendl am Oktoberfest, bis auf die Sache mit dem Glück. Hier ging es ihr nicht viel besser als mir. Auch sie konnte nicht von sich behaupten, ständig davon verfolgt zu werden. Es hat sie trotzdem nicht abgehalten, jahrelang immer wieder und immer noch davon zu träumen, eines Tages in einem Haufen voller Geld zu schwimmen, während sie sich Tag für Tag in dem ungeliebten Friseursalon ihrer noch weniger geliebten Tante die Füße in den Bauch gestanden hat. Dabei wäre sie noch vor ein paar lächerlichen Wochen tatsächlich so verdammt nah dran gewesen, unglaublich nahe. Doch eben nur nahe. Da hat die geldgeile Zuckerschnecke echt Pech gehabt, dieses Miststück mit dem megascharfen Hinterteil und ihrem nimmerstillen frechen Mäulchen. Manchmal ist das Schicksal schon echt gemein oder soll ich es einfach ein eindeutiges Zeichen von Gerechtigkeit nennen?

      4-unglaublich-

      Kennst du so einen Tag, an dem du mit dem falschen Fuß aufgestanden bist, dir mit dem anderen so fest die große Zehe an der Bettkante angestoßen hast, dass der höllische Schmerz wie ein Pfeil durch deinen ganzen Körper sticht; du beim Duschen auf der Seife ausrutschst und volle Kante mit dem Hinterkopf gegen die altmodischen Fliesen krachst, dir anschließend eine volle Tasse brühend heißen Kaffees über das frisch gebügelte weiße Oberhemd schüttest; dir ein Rechtsabbieger den Parkplatz wegschnappt, für den du schon unzählige Minuten als Linksabbieger in der Warteschleife stehst und du am liebsten wie ein HB-Männchen in die Luft gehen möchtest; wie du nach zusätzlichen dreißig Minuten Weiter-Parkplatz-Suchen mindestens fünfhundert Meter weit zur Arbeit hetzt, während es wie aus Gießkannen zu schütten begonnen hat und du klitschnass wirst, weil du wie selbstverständlich den Regenschirm zu Hause vergessen hast? Natürlich hast du auch kein passendes Kleingeld für den Parkautomaten dabeigehabt und damit einen deftigen Strafzettel riskiert. Genau so ein Tag muss es gewesen sein, als mich die Gebärmutter zusammen mit ein paar zuvor ausgelaufenen Litern Fruchtwasser gnadenlos ausgespuckt hat in eine Welt, die mit einem Güterzug voller Missgeschicken auf mich gewartet hat um die Katastrophen und Pechsträhnen wie einen Bandwurm durch mein Leben ziehen zu lassenbis zu diesem denkwürdigen Sonntagvormittag, dreiundvierzig Jahre später, als die Radiostimme sechs Zahlen und eine Zusatzzahl aufzählte.

      Nein, ich konnte es einfach nicht glauben. Wieder und wieder stelle ich mir diese Frage, warum genau ich, warum genau jetzt, nach einem Leben, das nicht mehr wert war als ein Hundehaufen am Bürgersteigrand. Warum plötzlich diese wahnsinnige Wende in meinem Leben, in dem das Wort Glück ein Fremdwort gewesen war? Vierzig Jahre eines Lebens, das prall gefüllt war wie ein Fotoalbum mit Erinnerungen an Niederlagen, Enttäuschungen und Reinfällen. Ganz ehrlich, nein, das konnte nicht sein, das war unmöglich, ausgerechnet ich, der Superlooser meines Jahrgangs. Das war so verdammt abwegig wie eine Kondompflicht beim E-Roller-Fahren, der Eberhofer als weibliche Teilnehmerin bei Guido Kretschmer`s Shopping-Queen, oder eine Friday-for-Future-Demo-Plicht für Außerirdische.

      Okay, ich wollte mich ja nicht dagegen wehren, geschweige denn beschweren, keinesfalls, ich wäre ja völlig irre gewesen. Das war alles nur so gigantisch unfassbar gewesen. Doch wie ich über mein bisheriges Leben nachgedacht hatte und das, was mir alles widerfahren war … ja, genaugenommen ich hatte es verdient und zwar so