Marie Wendland

Rapsblütenherz


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Johanna ihren Freund, während sie sich unwillig erhob, um sich etwas anderes anzuziehen.

      „Muss Liebe schön sein“, rief Linea ihr hinterher und Johanna konnte förmlich sehen, wie sie die Augen verdrehte.

      * * *

      „Hanni-Bunny!“ Moritz lehnte lässig im Türrahmen und strahlte ihr entgegen. Das sanfte Gegenlicht betonte seine durchtrainierte Silhouette und seine blonde Surfer-Frisur fiel ihm wie zufällig in die Stirn, was aber tatsächlich das Ergebnis von viel Stylinggel und langen Minuten vor dem Spiegel war. Johanna fiel wieder einmal auf, wie ungemein attraktiv er war, und war beinahe ein bisschen stolz darauf, dass er gerade ihr Freund war. „Schön, dass du da bist!“, sagte er, während er sie in seine Arme zog.

      „Sorry, dass ich erst jetzt komme!“ Johanna hatte nicht vorgehabt, sich zu entschuldigen, und wusste eigentlich auch gar nicht wofür, aber als sie sich an seinen inzwischen so vertrauten Körper schmiegte, fühlte sich das plötzlich richtig an. Sobald sie ihn sah, meldete eine eindringliche Stimme in ihrem Inneren (aber definitiv nicht in ihrem Kopf), wie sehr sie ihn liebte.

      „Es gibt Spaghetti Carbonara“, verkündete Moritz und zog sie in die Wohnung. „Ich hab‘ sogar schon angefangen.“ Er deutete Richtung Küche, die genau wie die übrigen Zimmer erstaunlich geräumig dafür war, dass Moritz noch studierte. Die Wohnung verschlang einen Löwenanteil der großzügigen Gaben seiner Eltern, mit dem Rest unterstützte er ebenso großzügig die lokalen Bars und Fitnessclubs, was höchstwahrscheinlich einer der Gründe dafür war, dass er noch kein bedeutender Anwalt war.

      Auf der Arbeitsplatte lag eine Packung Spaghetti neben zwei Eiern. Eine Reibe war ebenfalls bereitgelegt und wartete geduldig auf den Zauberspruch, mit dessen Hilfe sie den Parmesanblock selbsttätig zu perfekten Spänen verarbeiten würde. Johanna - was blieb ihr auch anderes übrig? - seufzte.

      „Nicht schmollen, Schnuffi!“ Moritz sah mit seinen braunen Welpenaugen so putzig aus, dass Johanna fast gegen ihren Willen lachen musste.

      „Gut, dann kochen wir eben zusammen“, grummelte sie. „Du kannst ja schon mal den Tisch decken.“

      Als Johanna wenig später mit einer großen Schüssel Spaghetti Carbonara (die sich freundlicherweise nicht in Rührei mit Nudeln verwandelt hatten) ins Wohnzimmer kam, hatte Moritz den Tisch vor die geöffnete Balkontür geschoben und eine Kerze daraufgestellt. Ein lauer Windhauch bewegte sanft die Flamme, die Pasta duftete und Johanna freute sich, dass sie jetzt doch noch zu ihrem italienischen Abend kam.

      „Hast du vielleicht auch ein Glas Wein für mich?“, fragte sie Moritz, der ihr gerade eine Flasche Bier hinhielt. „Das würde gerade super zum Essen passen."

      „Ne, lass‘ mal, Hanni. Es lohnt nicht, für dich jetzt extra eine Flasche aufzumachen“, meinte er und Johanna nickte.

      „Hast du eigentlich noch was zum Umziehen dabei?“, fragte Moritz beim Essen beiläufig.

      „Nein, zum Übernachten hab‘ ich doch alles hier.“

      „Aber willst du wirklich so zur Party gehen? Die anderen werden…“

      „Welche Party?“, platzte es aus Johanna heraus.

      „Na, bei Jan. Hab‘ ich das nicht erzählt? Nur eine kleine Houseparty. Nur ein paar Leute.“ Nein, das hatte er zufällig nicht erwähnt…

      „Mo, bitte, heute nicht. Ich möchte ehrlich nur noch aufs Sofa!“

      „Schnuffi, das geht nicht. Das sind doch unsere Freunde und sie rechnen mit uns. Wir müssen da hin!“ Moritz schaute sie verständnislos an und Johanna bekam sofort ein schlechtes Gewissen.

      „Ok… Aber lass‘ uns bitte nicht so lange bleiben, sonst übersteh‘ ich den Rest der Woche nicht“, lenkte sie ein.

      „Deal!“ Moritz strahlte. „Nur eine Stunde, versprochen!“

      * * *

      In Jans Wohnung, die noch großzügiger war als die von Moritz, war es schwül und stickig. Im Halbdunkel sah Johanna Leute in Grüppchen zusammenstehen, durch die Luft waberte laute Musik. Sie mochte den Song. Kaum waren sie angekommen, verschwand Moritz mit einigen Kumpels und ward nicht mehr gesehen. Unschlüssig stand Johanna eine Weile herum und hatte das Gefühl, abschätzig beäugt zu werden. Aber wahrscheinlich war das nur Einbildung, denn ihr Outfit unterschied sich kaum von dem der anderen und auch ihr Make-Up hatte sie notdürftig aufgefrischt. Dann holte sie sich eine Cola light und gesellte sich zu einer Gruppe Mädchen, die sie flüchtig kannte. Die Unterhaltung schien sich um einige Typen zu drehen, die Johanna absolut nicht kannte.

      Nachdem sie einige Minuten schweigend zugehört und dabei möglichst teilnahmsvoll genickt hatte, entschied sie, dass es wohl nicht sehr unhöflich wäre, wieder zu gehen. Also murmelte sie eine Entschuldigung, die wahrscheinlich in der Musik unterging, und machte sich auf die Suche nach Moritz. Sie fand ihn glücklicherweise auf der Dachterrasse, auf der es angenehm frisch war und man einen fantastischen Blick über die Nachbarschaft hatte. Er stand mit einigen Kommilitonen zusammen, die Moritz‘ Freundin freundlich grüßten. Es ging um vertrackte Fälle, die sie im Jurastudium behandelt hatten. An Moritz gelehnt hörte sie interessiert zu und wurde dabei angenehm schläfrig.

      „Mo, wollen wir bald los?“, fragte sie leise, als sie irgendwann kaum mehr die Augen offen halten konnte. Er hatte gerade seine Bierflasche geleert, sodass es ihr ein passender Moment zu sein schien.

      „Was? Wir sind doch gerade erst gekommen!“

      „Nein, eigentlich nicht. Und außerdem hatten wir doch abgemacht, dass wir nur ein Stündchen bleiben.“

      Moritz wandte sich peinlich berührt an seine Kumpel: „Hanni-Bunny ist nach der Arbeit immer schrecklich müde.“ Er tätschelte ihr die Schulter. „Sie arbeitet ja im Büro.“

      „Ich bin Projektmanagerin in einer Unternehmensberatung“, warf Johanna ein.

      „Tja, so ein Nine-to-Five-Job ist bestimmt was ganz anderes, als Tag und Nacht zu büffeln“, grinste Kilian und die Jungs brüllten vor Lachen. Johanna wurde so wütend, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen.

      „Lass‘ uns bitte gehen“, bat sie noch einmal, sah dann aber, dass auch ihr Freund sich köstlich amüsierte. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und verließ möglichst würdevoll die Wohnung.

      Auf der Straße holte Moritz sie ein: „Warte! Schnuffi, du kannst doch nicht einfach so abhauen!“

      „Doch, ich gehe nämlich nach Hause! Wie wir es besprochen hatten, erinnerst du dich?“

      „Jetzt sei doch nicht so! Sei doch einmal spontan!“

      „Wieso? Damit ihr weiter über mich lachen könnt?“, fuhr Johanna ihn an.

      „Was? Nein! Das hast du falsch verstanden. Kilian macht doch nur Spaß, du kennst ihn doch!“, verteidigte Moritz sich. Eigentlich kannte sie ihn überhaupt nicht, sagte eine eindringliche Stimme in Johannas Kopf, die sie aber vorsichtshalber ignorierte. Überhaupt kannte sie eigentlich niemanden dieser Leute richtig, die angeblich ihre Freunde waren. Aber sie war erschöpft und sie wollte Moritz gerne glauben. Und als er sie dann wieder mit dem Welpenblick ansah und bat: „Komm‘, sei nicht sauer!“, nickte sie.

      In Moritz Wohnung fiel Johanna nach einem kurzen Abstecher ins Badezimmer sofort ins Bett. Inzwischen war es nach Mitternacht und ihr Wecker würde in gut fünf Stunden klingeln. Sie hatte sich schon in ihre Decke gerollt, als Moritz‘ Hand unternehmungslustig an ihrem Oberschenkel hinaufwanderte. Sie küsste ihn, schob ihn aber sanft weg. „Heute nicht…“

      „Aber wir sind doch schon wegen dir früher von der Party weg“, meinte er ungehalten und sofort meldete sich Johannas schlechtes Gewissen wieder. Na gut…

      Sie hatte bestimmt nur drei Stunden geschlafen, als sie noch vor dem Weckerklingeln aufwachte. Im Zimmer war es noch dunkel, aber durch die Vorhänge fiel fahles Morgenlicht vermischt mit dem niemals erlöschenden Flackern der Großstadt. Johanna warf einen vorsichtigen Blick auf Moritz, der tief