Heidi Dietzel

DAS LEBEN DER BIENEN


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Monographie von Kirby und Spence in ihrer »Introduction to Entomology« erwähnen, aber sie ist fast ausschließlich technisch. Michelet hat den Gegenstand kaum gestreift; Büchners Studie ist ziemlich erschöpfend; aber liest man all die gewagten Behauptungen und längst widerlegten Fabeln, die er von Hörensagen berichtet, so kann man nicht umhin, zu glauben, dass er nie seine Bibliothek verlassen hat, um seine Heldinnen selbst zu befragen, und dass er nicht einen von den hundert summenden und flügelglänzenden Bienenstöcken geöffnet hat, die man vergewaltigt haben muss, bevor unser Instinkt sich ihrem Geheimnis anpasst, bevor wir mit dem Dunstkreise und dem Geiste des Mysteriums, das diese emsigen Jungfrauen bilden, vertraut werden. Das riecht weder nach Honig noch nach Bienen, und es hat denselben Mangel, wie viele unserer gelehrten Werke: die Schlüsse sind vielfach schon bekannt, und der wissenschaftliche Apparat besteht aus einer riesenhaften Anhäufung von unsicheren Geschichten aus jedermanns Munde. Indessen werde ich ihm in meiner Arbeit nicht oft begegnen; unsre Ausgangspunkte, Ansichten und Ziele liegen zu weit auseinander.

       Die Bibliographie der Bienenkunde – denn ich möchte den Anfang mit den Büchern machen, um sie möglichst schnell zu erledigen und zu der Quelle zu kommen, aus der sie geschöpft sind – ist sehr umfangreich. Von Urbeginn an hat dies kleine seltsame Gesellschaftstier mit seinen komplizierten Gesetzen und seinen im Dunkeln entstehenden Wunderwerken die Wissbegier der Menschen gefesselt. Aristoteles, Cato, Varro, Plinius, Columella, Palladius haben sich damit beschäftigt, nicht zu reden von deBild 3m Philosophen Aristomachos, der sie nach Aussage des Plinius 58 Jahre lang beobachtet hat, oder Phyliscus von Thasos, der in öden Landstrichen lebte, um nur sie zu sehen, und den Beinamen »der Wilde« trug. Aber das sind im Grunde Fabeln über die Bienen, und alles, was der Rede wert ist, d. h. so gut wie Garnichts, findet sich zusammengefasst im vierten Buche von Virgils »Georgica«.

       Die Geschichte der Biene beginnt erst im 17. Jahrhundert mit den Entdeckungen des großen holländischen Gelehrten Swammerdam. Jedoch, um der Wahrheit die Ehre zu geben, muss vorausgeschickt werden, dass schon vor Swammerdam ein vlämischer Naturforscher Clutius gewisse wichtige Wahrheiten gefunden hat, z. B. dass die Königin die alleinige Mutter ihres ganzen Volkes ist und die Attribute beider Geschlechter besitzt, aber er hat dies nicht bewiesen. Swammerdam war der erste, der eine wissenschaftliche Beobachtungsmethode einführte; er schuf das Mikroskop, sezierte die Bienen zuerst und bestimmte endgültig, durch Entdeckung der Eierstöcke und des Eileiters, das Geschlecht der Königin, die man bisher für einen König (»Weisel«) gehalten hatte. Er warf ein unerwartetes Licht auf die politische Verfassung des Bienenstockes, indem er sie auf die Mutterschaft begründete. Außerdem hat er Durchschnitte entworfen und Platten gezeichnet, die so tadellos waren, dass man sie noch heute zur Illustration von Werken über Bienenzucht benutzt. Er lebte in dem geräuschvollen, trübseligen Amsterdam von ehemals, voller Sehnsucht nach »dem süßen Landleben«, und starb im Alter von 43 Jahren, von Arbeit erschöpft. In deutlicher, frommer Sprache, mit schönen, schlichten Sätzen, in denen er beständig Gott die Ehre gibt, hat er seine Beobachtungen niedergelegt; sein Hauptwerk »Bybel der Natuure« wurde ein Jahrhundert später von Dr. Boerhave aus dem Niederländischen ins Lateinische übersetzt (unter dem Titel Biblia naturae, Leyden 1737).

       Nach ihm hat Réaumur, derselben Methode getreu, in seinen Gärten in Charenton eine Menge merkwürdiger Experimente und Beobachtungen gemacht und den Bienen in seinen »Mémoires pour servir à l'Histoire des Insectes« einen ganzen Band gewidmet. Man kann ihn noch heute mit Erfolg und ohne Langeweile lesen. Er ist klar, ehrlich, genau und nicht ohne einen gewissen verschlossenen und herben Reiz. Er hat es sich vor allem angelegen sein lassen, eine Reihe von alten Irrtümern zu zerstreuen, – wofür er freilich einige neue in Umlauf gesetzt hat –; er gewann einen Einblick in die Entstehung der Schwärme, die politischen Gewohnheiten der Königinnen, kurz, er fand verschiedene verwickelte Wahrheiten und wies den Weg zu anderen. Er heiligte durch seine Wissenschaft die architektonischen Wunder des Bienenstaates, und alles, was er darüber gesagt hat, kann nicht besser gesagt werden. Man verdankt ihm schließlich den Gedanken der Kasten mit Glaswänden, der in seiner späteren Vervollkommnung das ganze häusliche Treiben dieser unermüdlichen Arbeiterinnen ans Licht gebracht hat, die, wenn sie ihr Werk in blendendem Sonnenschein beginnen, es doch nur im Finstern vollenden und krönen. Der Vollständigkeit halber wären noch die etwas späteren Untersuchungen und Arbeiten von Charles Bonnet und Schirach zu nennen, welch letzterer das Rätsel des königlichen Eis gelöst hat; aber ich will mich auf die großen Züge beschränken und gehe darum zu François Huber über, dem Meister und Klassiker der heutigen Bienenkunde.

       Huber wurde i. J. 1750 in Genf geboren und erblindete schon als Knabe. Durch Réaumurs Experimente angeregt, die er zunächst nur auf ihre Richtigkeit prüfen wollte, empfand er bald eine Leidenschaft für diese Dinge und widmete mit Hilfe eines treuen und verständigen Dieners, François Burnens, sein ganzes Leben dem Studium der Bienen. In den Annalen des menschlichen Leidens und Siegens ist nichts rührender und lehrreicher, als die Geschichte dieses geduldigen Zusammenarbeitens, wo der eine, der nur einen unstofflichen Schimmer wahrnahm, die Hände und Blicke des Anderen, der sich des wirklichen Lichtes erfreute, mit seinem Geiste lenkte, und obschon er, wie versichert wird, nie mit eigenen Augen eine Honigwabe gesehen hat, durch den Schleier dieser toten Augen hindurch, der jenen andren Schleier, in den die Natur alle Dinge hüllt, für ihn verdoppelte, dem Geiste, der diesen unsichtbaren Honigbau schuf, seine tiefsten Geheimnisse ablauschte, wie um uns zu lehren, dass wir unter keinen Umständen darauf verzichten sollten, die Wahrheit herbeizuwünschen und zu suchen. Ich will hier nicht aufzählen, was die Bienenkunde ihm alles verdankt, ich könnte leichter sagen, was sie ihm nicht verdankt. Seine »Nouvelles Observations sur les Abeilles«, von denen der erste Band i. J. 1789 in Form von Briefen an Charles Bonnet erschien – der zweite folgte erst 25 Jahre später – sind der unerschöpfliche, untrügliche Schatz für alle Bienenforscher. Gewiss enthält das Werk auch Irrtümer und Unzulänglichkeiten, es sind seit diesem Buche in der mikroskopischen Bienenkenntnis und praktischen Bienenzucht, der Behandlung der Königinnen u. s. w. manche Fortschritte gemacht worden, aber nicht eine seiner Hauptbeobachtungen ist widerlegt oder als irrig erwiesen worden; sie sind im Gegenteil die Grundlage unseres heutigen Wissens.

       Bild 4Nach Hubers Entdeckungen herrschte einige Jahre Schweigen, aber bald entdeckte ein deutscher Bienenzüchter, der Pfarrer Dzierzon, aus Karlsmarck in Schlesien, die jungfräuliche Zeugung (Parthenogenesis) und erfand den ersten Kastenstock mit beweglichen Waben, durch den der Imker befähigt wird, seinen Anteil an der Honigernte zu gewinnen, ohne seine besten Völker zu zerstören und die Arbeit eines ganzen Jahres in einem Augenblick zu vernichten. Dieser noch sehr unvollkommene Kastenstock ist dann von Langstroth meisterhaft vervollkommnet worden. Er erfand den eigentlichen beweglichen Rahmen, der in Amerika Verbreitung fand und außerordentliche Erfolge erzielte. Root, Quinby, Dadant, Cheshire, de Layens, Cowan, Heddon, Houward u. a. brachten dann noch einige wertvolle Verbesserungen an. Endlich erfand Mehring, um den Bienen Arbeit und Wachs, also auch viel Honig und Zeit zu sparen, Kunstwaben, die sie alsbald benutzten und ihren Bedürfnissen anpassten, während Major von Hruschka die Honigschleuder erfand, eine Zentrifugalmaschine, die den Honig ausschleudert, ohne dass die Waben zerstört werden. Damit eröffnet sich eine neue Periode der Bienenzucht. Die Kästen sind von dreifachem Fassungsvermögen und dreifacher Ergiebigkeit. Überall entstehen große, leistungsfähige Bienenwirtschaften. Das unnütze Hinmorden der arbeitslustigsten Völker und die »Auslese der Schlechtesten«, welche die Folge davon war, hören auf. Der Mensch bekommt die Bienen wirklich in seine Gewalt, er kann seinen Willen durchsetzen, ohne einen Befehl zu geben, und sie gehorchen ihm, ohne ihn zu kennen. Er übernimmt die Rolle des Schicksals, die sonst in der Hand der Jahreszeiten lag. Er gleicht die Ungunst der einzelnen Jahreszeiten aus. Er vereinigt die feindlichen Völker. Er macht reich arm und arm reich. Er vermehrt oder verringert die Geburten. Er regelt die Fruchtbarkeit der Königin. Er entthront und ersetzt sie in schwer errungenem Einvernehmen mit dem beim bloßen Argwohn einer unbegreiflichen Einmischung rasenden Bienenvolke. Er versehrt, wenn er es für nützlich hält, ohne Kampf das Geheimnis des Allerheiligsten und kreuzt die kluge und weitblickende Politik des königlichen Frauengemaches. Er bringt sie fünf oder sechs Mal hintereinander um die Früchte ihrer Arbeit, ohne sie zu verletzen, zu entmutigen