Heidi Dietzel

DAS LEBEN DER BIENEN


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besten sind die, welche nur eine einzige Wabe enthalten, sodass man sie von beiden Seiten beobachten kann. Diese Kästen lassen sich ohne weiteres und ohne jede Gefahr in einem Wohn- oder Arbeitszimmer aufstellen, vorausgesetzt, dass sie einen Ausgang nach außen haben. Die Bienen meines Beobachtungskastens, den ich in Paris in meinem Arbeitszimmer habe, tragen selbst in der Steinwüste der Großstadt genug ein, um zu leben und fortzukommen. Gewährt. Man hatte ihm versprochen, dass dieser Kasten ein ungeheures Maß von Tatkraft, eine Unzahl von weisen Gesetzen, eine erstaunliche Fülle von Geist, dass er Mysterien, Erfahrungen, Berechnungen, Wissen und Gewerbefleiß der verschiedensten Art, weise Voraussichten, Gewissheiten und Gewohnheiten voller Klugheit und eine Menge von seltsamen Tugenden und Gefühlen enthielte. Und nun erblickt er nur ein Gekribbel von rötlichen Beeren, die wie geröstete Kaffeebohnen aussehen, oder wie Rosinen, die massenhaft an den Scheiben sitzen. Sie scheinen mehr tot als lebendig und ihre Bewegungen sind langsam, unzusammenhängend und unverständlich. Er erkennt die herrlichen Lichttropfen nicht wieder, die noch eben ohne Unterlass in den gold- und perlenschimmernden Schoss von tausend geöffneten Blumenkelchen hinabtauchten und wieder hervorkamen. Sie zittern anscheinend in der Finsternis. Sie ersticken in einer unbeweglichen Menge; man möchte sagen, sie sind wie kranke Gefangene oder entthronte Königinnen, die nur einen glänzenden Augenblick unter den leuchtenden Blumen des Gartens leben, um alsbald in das scheußliche Elend ihres armseligen, engen Kerkers zurückzukehren.

      Es ist mit ihnen, wie mit allen tiefen Realitäten. Man muss sie beobachten lernen. Wenn ein Bewohner einer andren Welt auf die Erde herabkäme und sähe, wie die Menschen durch die Straßen gehen, wie sie sich um einzelne Gebäude scharen oder auf gewissen Plätzen zusammendrängen, wie sie ohne auffällige Gebärden in ihren Wohnungen sitzen und harren, so würde er auch zu dem Schlusse kommen, dass sie träge und bedauernswert sind. Mit der Zeit erst beginnt man die vielseitige Tätigkeit, die in dieser Trägheit liegt, zu erkennen.

       In Wahrheit arbeitet jede dieser fast unbeweglichen kleinen Bienen unermüdlich, und jede tut etwas andres. Keine kennt die Ruhe, und gerade die z. B., welche scheinbar eingeschlafen sind und wie leblose Trauben an den Scheiben hängen, haben die geheimnisvollste und ermüdendste Arbeit zu verrichten, sie bereiten das Wachs. Aber wir werden auf diese Einzelheiten ihrer streng geteilten Tätigkeit bald näher eingehen. Inzwischen genügt es, die Aufmerksamkeit auf den Hauptcharakterzug der Bienen zu lenken, durch den sich das enge Beieinandersitzen in dieser mannigfachen Tätigkeit erklärt. Die Biene ist vor allem und mehr noch als die Ameise ein Gesellschaftstier, sie kann nur zu vielen leben. Wenn sie aus dem dichtbesetzten Stocke ausfliegt, so muss sie sich mit dem Kopfe einen Weg durch die lebenden Mauern bahnen, die sie umschließen, und sie verlässt damit ihr eigentliches Element. Sie taucht einen Augenblick in den blumenreichen Raum, wie der Schwimmer in den perlenreichen Ozean, aber sie muss, wenn ihr das Leben lieb ist, von Zeit zu Zeit wieder in den Dunstkreis ihrer Gefährtinnen zurück, wie der Schwimmer wieder auftaucht, um Luft zu schöpfen. Bleibt sie allein, so geht sie auch bei den günstigsten Temperaturverhältnissen und dem größten Blumenreichtum in wenigen Stunden zu Grunde, nicht infolge von Hunger oder Kälte, sondern von Einsamkeit. Die Menge ihrer Schwestern, der Bienenstock, ist für sie ein zwar unsichtbares, aber nicht weniger unentbehrliches Nahrungsmittel als der Honig. Dieses Bedürfnis muss man sich gegenwärtig halten, will man den Geist der Gesetze des Bienenstaates erfassen. Das Individuum gilt im Bienenstock nichts, es hat nur ein Dasein aus zweiter Hand, es ist gleichsam ein nebensächlicher Faktor, ein geflügeltes Organ der Gattung. Sein ganzes Leben ist eine vollständige Aufopferung für das unzählige, beharrende Wesen, zu dem es gehört. Sonderbarerweise lässt sich feststellen, dass dies nicht immer so war. Man findet auch heute noch unter den Honigwespen alle Stadien der schrittweisen Entwickelung unserer Hausbiene vor. Auf der untersten Stufe arbeitet sie allein im Elend; oft erblickt sie nicht einmal ihre Nachkommenschaft (wie bei den Prosopis und Colletes), bisweilen lebt sie im engen Familienkreise mit ihrer jährlichen Brut (wie bei den Hummeln), vereinigt sich dann vorübergehend zu Gesellschaften (Grabbienen, Hosenbienen, Ballenbienen) und erreicht schließlich, von Stufe zu Stufe steigend, die nahezu vollkommene Gesellschaftsform unserer Bienenstöcke, wo das Individuum vollständig in der Gesamtheit aufgeht und die Gesamtheit wiederum der abstrakten, unsterblichen Gesellschaft der Zukunft geopfert wird.

       Bild 10Hüten wir uns, aus diesen Tatsachen voreilige Schlüsse auf den Menschen zu ziehen. Der Mensch hat das Vermögen, sich den Naturgesetzen nicht zu fügen. Ob es Recht oder Unrecht ist, von diesem Vermögen Gebrauch zu machen: das ist der wichtigste, aber auch der unaufgeklärteste Punkt unserer Moral. Inzwischen ist es nicht belanglos, den Willen der Natur in einer anders gearteten Welt zu belauschen, und gerade bei den Honigwespen, die nächst dem Menschen unzweifelhaft die intelligentesten Bewohner dieses Erdballes sind, tritt dieser Wille sehr deutlich zu Tage. Er trachtet sichtlich nach Veredelung der Art, aber er zeigt auch, dass er diese nur auf Kosten der individuellen Freiheit und des individuellen Glückes erreichen will oder kann. In dem Masse, wie die Gesellschaft sich organisiert und erhebt, wird dem Sonderleben eines jeden ihrer Glieder ein immer engerer Kreis gezogen. Wo ein Fortschritt eintritt, geschieht dies durch ein immer vollkommeneres Opfer der persönlichen zu Gunsten der allgemeinen Interessen. Zunächst muss ein jedes Individuum auf eigenmächtige Laster verzichten. So findet man auf der vorletzten Kulturstufe der Bienen die Hummeln, die unseren Menschenfressern zu vergleichen sind: die ausgewachsenen Arbeiterinnen stellen nämlich unaufhörlich den Eiern nach, um sie zu fressen, und die Mutter muss sie mit aller Energie dagegen verteidigen. Ferner muss sich jedes Individuum, nachdem es die gefährlichsten Laster abgelegt hat, eine Anzahl von immer strenger gefassten Tugenden zu Eigen machen. Die Arbeiterinnen bei den Hummeln lassen es sich z. B. noch nicht einfallen, der Liebe zu entsagen, während unsere Hausbiene in unbedingter Keuschheit lebt. Nun, wir werden ja bald sehen, was sie alles in Tausch gibt für das Wohlbefinden, die Sicherheit, die architektonische, ökonomische und politische Vollkommenheit des Bienenstockes, und wir kommen auf den Entwicklungsgang der Honigwespen in dem Kapitel über den »Fortschritt der Art« noch einmal zurück.

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