Geri Schnell

Der Politiker


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Abend zum Bahnhof von Kleve gefahren. Sie mussten sich in Formation aufstellen, dann kommandiert der Feldwebel Achtung Stellung und meldet die Kompanie dem Kommandanten als bereit.

      Normalerweise richtet sich der Kommandant nach so einem Aufmarsch an seine Truppe, doch diesmal schaut er auf die Bahngleise. Nach zwei langen Minuten hörte man das Nahen eines Zugs. Der verlangsamt seine Fahrt und hält genau vor der Formation an.

      «Kompanie run!», schrie jetzt der Kommandant.

      Jetzt kann man auch erkennen, was der Zug geladen hatte. Es sind Panzer. Willi zählt auf den Güterwagen 32 neue Panzer 35T.

      «Abladen!», schreit der Kommandant, «aber schnell. Die Offiziere wissen was zu tun ist, folgt den Anweisungen.»

      Ab sofort verwandelte sich der Bahnhof in einen Ameisenhaufen. Zwei Stunden später rollte der Konvoi in gemächlichem Tempo in Richtung ihres Camps am Waldrand. Die Fahrer haben die Anweisung, möglichst leise zu fahren, zum einen will man möglichst wenig Aufmerksamkeit erregen, zum anderen müssen die Motoren noch eingefahren werden.

      In den folgenden Tagen werden, auf einer vorbereiteten Strecke im Wald, die Panzer vorsichtig eingefahren. In Kleve darf nichts bemerkt werden. Höchsten ein leichtes brummen ist zu hören, doch das könnte auch von LKWs herrühren.

      Nach einer Woche hatte jeder der 32 Panzer die notwendigen Einfahrkilometer abgespult. Nun müssen noch die MGs und vor allem die Kanone eingeschossen werden. Das ist nicht ohne Lärm möglich. Das MG-Feuer ist kein Problem, das ist in der Nähe von Truppen nicht aussergewöhnlich.

      Damit der Lärm der Kanonen, möglichst nur lokal zu hören ist, wird jeweils ein Panzer in eine Kiesgrube gefahren, wo er seine ersten drei Schüsse abgeben kann. Genau zum Zeitpunkt der Schussabgabe, fliegt eine Bomberformation mit neun Do111 im Tiefflug über Kelve, so sind die Schüsse der Kanone kaum noch zu hören.

      Anfang Mai führen immer fünf Panzer Übungen im Formationenfahren durch, dazu nutzte man ein Naturschutzgebiet, welches schon lange für Besucher gesperrt ist. Die Kompanie ist vorbereitet, jeder spürt, dass es nächstens losgeht. Die politische Lage ist angespannt. Offiziell haben Frankreich und England den Deutschen den Krieg erklärt, doch bis jetzt gab es höchstens mal ein Schusswechsel entlang der deutschfranzösischen Grenze. Das deutsche Volk ist immer noch im Siegestaumel. Nebst Polen im letzten Herbst, wurde auch Dänemark und Norwegen ohne grossen Widerstand besetzt. Jeder ist begeistert, den Deutschen kann niemand das Wasser reichen.

      Ab dem 5. Mai werden alle Aktivitäten der Truppe eingestellt. An den Fahrzeugen werden allfällige Reparaturen vorgenommen. Die Übungsmunition wird durch Kriegsmunition ersetzt. Die Tanks sind gefüllt und in jedem Panzer gibt es eine Ecke mit einem Notvorrat an Verpflegung. Für Willi steht fest, es wird bald losgehen. Der Führer ist schon klug. Die französischen Truppen stehen wie im Weltkrieg an der Maginot Linie und Hitler umgeht das Bollwerk. Sehr geschickt, wir Deutschen habe ein riesen Glück, so ein weitsichtigen Führer zu haben.

      Am 8. Mai gibt es nochmals Ausgang in Kleve. Danach wird die Alarmstufe drei gelten, also noch einmal tüchtig feiern. In Kleve haben sie selten Ausgang, deshalb hat Willi noch keine Freundin. Lohnt sich auch nicht, sie werden sicher bald verlegt. Für den Ausgang müssen sie diesmal zivile Kleidung tragen, es darf niemand merken, dass es in Kleve so viel Militär gibt.

      Um Mitternacht gibt es einige Soldaten, welche den Heimweg nicht allein geschafft hätten. Man hilft sich gegenseitig, beim Rapport wird keiner vermisst. Der nächste Tag verläuft für Soldaten untypisch. Nur zum Essen kommen sie aus den Zelten, sonst ist Ruhe angesagt. Bis zum Abendrapport sind alle wieder nüchtern. Für die Nacht wird erhöhte Wachbereitschaft gefordert. Geschlafen wird nur noch in Kampfuniform, höchstens die Jacke darf man ausziehen.

      Um vier Uhr fünfundvierzig kommt der Befehl: «Aufsitzen, aber leise!»

      Jeder bezieht seine Position. Bereits stimmen die ersten Vögel ihren Gesang an, von den über hunderten Männern in den Panzer, ist nichts zu hören. Willi lauscht mit gespannter Erwartung auf das was jetzt folgt. Ist es nur eine Übung oder geht es gleich los? Noch ist das Funkgerät ruhig, es herrscht Sendeverbot. Die Spannung steigt mit jedem neuen Vogel, welcher ins Morgenkonzert einstimmt.

      Der Leutnant rennt von Panzer zu Panzer: «Mit dem fünf Uhr Schlag der Kirchenuhr starten alle gleichzeitig die Motoren und danach in Formation auffahren.»

      Welche Formation gemeint ist, weiss jeder, man hat sie hundert Mal geübt. Dann, die Kirchenuhr beginnt zu schlagen. Sekunden später erzittert der Wald in einem infernalen Getöse der Panzer. Die Vögel werden Mühe haben, heute eine Partnerin zu finden, aber Willi hat jetzt andere Sorgen. Er darf den vorderen Panzer nicht aus den Augen verlieren. Im leichten Morgennebel, der sie beim Verlassen des Waldes erwartet, ist das gar nicht so einfach. Nach zehn Minuten weicht die sonst übliche Route von den bisherigen Übungen ab, statt nach rechts, biegt der Führungspanzer nach links in Richtung Holländisch Grenze ab.

      Jetzt weiss jeder was es geschlagen hat, endlich kann man in den Kampf ziehen. Als das Tal breiter wird, Fächern sich die Panzer auf und fahren in Sechserreihe Richtung Grenze.

      Jeder weiss was zu tun ist. Noch ein Kilometer, dann dürfte die Grenzbefestigung in Schussweite liegen. Man weiss, dass der Grenzübergang mit zwei Kanone gesichert wird, noch bevor die Panzer in Schussweite der Kanonen gelangen, stürzt sich ein Verband von vier Stuckas auf die Bunker und deckt diese mit einem Bombenhagel ein. Die Truppe wurde beim Üben auf dem Kartentisch auch auf drei Panzer aufmerksam gemacht, welche normalerweise immer in der gleichen Position stehen. Diese auszuschalten ist die Aufgabe der drei mittleren Panzer.

      Mit sechs gezielten Schüssen sind die drei Panzer ausgeschaltet, bevor sie selber feuern können. Dann steigt plötzlich eine Rauchwolke aus dem mittleren Panzer, er wird getroffen. Willi gibt sofort den Schiessbefehl. Durch die aus der Kanone des bisher nicht bemerkten vierten Panzers austretende Rauchwolke ist das Ziel nun gut zu erkennen. Der Schuss den Willis Panzer abgibt, trifft. Sofort wird nachgeladen. Vorsichtshalber nimmt das MG das Umfeld des Gegners unter Beschuss. Inzwischen wird der holländische Panzer vom Panzer links neben Willi ebenfalls beschossen.

      Sicherheitshalber lässt Willi nochmals schiessen. Dann wird nachgeladen und das Gelände hinter der Grenze genau beobachtet. Es gibt noch einige Grenzschutzsoldaten, welch mit ihren Karabiner auf die Panzer feuern, aber mit einem Karabiner kann man die Panzer nicht ärgern, die Kugeln prallen ab.

      Die Sechserreihe rückt weiter vor. Der getroffene Panzer bleibt zurück, seine Position wird sofort von einem Panzer aus der zweiten Reihe eingenommen. Die Grenzschützer werden mit MG-Garben bekämpft. Der Schlagbaum auf der Strasse wird von vordersten Panzer weggeschoben, wie ein Streichholz bricht er. Das Grenzhäuschen hat einen Volltreffer abbekommen. Die erste Schlacht ist geschlagen, es wird wieder ruhiger.

      Hinter der Grenze wird es eng. Es können nur noch vier Panzer nebeneinander vorrücken. Mit einer gewissen Vorsicht rückt die Kompanie vor. Inzwischen fahren alle auf holländischem Gebiet. In regelmässigen Abständen werden sie von Stuckas überflogen. Die nehmen alles unter Beschuss, das für die Panzer gefährlich werden könnte.

      Nächstes Ziel ist der Ort Tiel an der Waal. Genau wie nach dem auf dem Kartentisch durchgespielten Übungsverlauf, rücken sie jetzt im Ernstfall vor. Es kommt zu keinen nennenswerten Zwischenfällen. Die Holländer sind total überraschte und so lauten die letzten Meldungen aus den Flugzeugen, sie ziehen sich zurück. Sie hoffen in einer massierten Stellung weiter im Landesinnern, auf die Unterstützung durch die Franzosen, solange weichen sie dem direkten Kampf aus.

      Für den Kampfverband von Willi bedeutet das, in vorsichtiger Fahrt der Waal entlang vorrücken. Aus einem Haus an der Strasse werden die Panzer mit Tomaten beworfen. Der getroffene Panzer öffnet seine Lucke und wirft zum Dank eine Handgranate ins Fenster des Hauses, welches mit einem lauten Knall explodiert.

      «Das wird euch lehren, Deutsche verhöhnt man nicht», ruft er noch und schliesst die Lucke wieder.

      Der Angriff mit den Tomaten ist der einzige an diesem Morgen. So gelangten sie noch vor Mittag nach Tiel. Rund um Tiel schliesst sich der Verband in eine Verteidigungsstellung zusammen. Die wichtige