Martin Dolfen Thomas Strehl

... und am Ende wird alles gut


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      Ich bedanke mich bei allen, die an mich geglaubt haben. Die in mir ein Talent sahen und in mir einen Funken entfachen wollten, der nach ihrer Ansicht einen Großbrand zur Folge haben sollte.

      Bitte verzeiht mir, dass ich mit dem Löschzug über eure Bemühungen gefahren bin.

      Ich werde an den Ort zurückkehren, der mir in meiner Kindheit alles an Freude gegeben hat. Nun darf er mir alles nehmen.

      Danke für Alles…

      Simon

      Kapitel 1

      Ich erwachte am anderen Morgen. Mit dem Kopf auf meinen Zeilen. Ich hatte den Brief im Wohnzimmer am PC geschrieben, ihn dann ausgedruckt und mit in die Küche genommen. Dort hatte ich ihn immer und immer wieder gelesen. Warum schrieb ich etwas über meine Liebschaften oder meine Jugend? Gehörte so etwas in einen Abschiedsbrief? Egal. Es war mein Abschied. Nach der x-ten Flasche Bier war ich darüber eingeschlafen.

      Ich rieb mir den schmerzenden Nacken. Eines der wenigen Körperteile, das mir noch nie Schwierigkeiten bereitet hatte. Jetzt meldete es sich eindrucksvoll zu Wort. Öfter mal was Neues.

      Ich blinzelte und blickte aus dem Fenster. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel und lachte mich aus. Der strahlend blaue Himmel schien das Tiefschwarz in mir zu verhöhnen.

      Mein Blick fiel noch einmal auf die Worte. Ich las sie erneut und nickte mir zu. So schlecht war er nicht, befand ich. Ich hatte nicht viele Talente, aber Abschiedsbriefe schreiben konnte ich. Vielleicht gab es Verwendung dafür. So eine Art Industrie und ich konnte mich damit selbstständig machen. Ich schreibe Ihre letzten Worte, Sie brauchen sich dann nur noch umzubringen. Früher hätte ich wahrscheinlich bei solchen Gedanken gelächelt, aber die letzten Jahre hatten selbst meinen schwarzen Humor immer mehr verdrängt.

      Nur der Anfangssatz: und am Ende wird alles gut, gefiel mir nicht mehr.

      Dem Typen, der dieses Ding zum ersten Mal rausgehauen hatte, würde ich gerne mal die Meinung sagen.

      Ich war am Ende und irgendwie war gar nichts gut.

      Stöhnend erhob ich mich und sah auf die Küchenuhr. Es war bereits Viertel nach neun und ich musste mich sputen, wenn ich noch alles erledigen wollte, was ich mir für den letzten Tag auf Erden vorgenommen hatte.

      Ich schlurfte ins Badezimmer, machte mich ein wenig frisch, dann nahm ich die Kuverts vom PC-Tisch, die dort schon auf mich warteten.

      Es waren im Großen und Ganzen Kündigungen. Ich war ein ordentlicher Mensch und wollte geregelt aus dem Leben scheiden.

      Meine Versicherungen wussten wahrscheinlich gar nicht, dass es mich gab, also verloren sie einen guten Kunden. Mein Chef, der mich in den letzten drei Jahren vielleicht einen Monat lang gesehen hatte, würde drei Kreuzzeichen machen, dass er mich endlich von der Backe hatte. Und mein Vermieter würde eine Flasche Sekt köpfen, denn irgendwie hatte er sein Geld in letzter Zeit auch sehr unregelmäßig bekommen. Da war bei mir so ein bisschen der Schlendrian eingekehrt.

      Egal. Ich griff nach meiner Jacke, ließ sie dann aber doch am Haken. Wir hatten Mai und wenn der Tag mit dem gestrigen mithalten konnte, dann hatten wir jetzt bestimmt schon über zwanzig Grad.

      Also nur Schuhe, Schlüssel in die Tasche, Portemonnaie und ab dafür.

      Ich hatte die Haustüre noch in der Hand, als eine Person in meinem Rücken auftauchte.

      Es war Sascha, der Sohn meines Vermieters und er zog gerade sein sündhaft teures E-Bike aus der Garage. Inklusive Minihänger.

      Ich wusste, was er vorhatte, schließlich kannten wir uns lange genug. Und ich wusste auch, dass er sich ärgern würde, wenn ich ihn darauf ansprach.

      Also musste ich es tun.

      »Na, bringt uns der Postbote die neusten Blättchen und Angebotsflyer vorbei«, sagte ich und putzte ihm damit kurzfristig das überhebliche Grinsen aus dem Gesicht.

      Eigentlich war es Blödsinn, was ich hier machte, schließlich war ich ein Erwachsener, der mitten daneben stand und der Typ vor mir nur ein siebzehnjähriges Pubertier.

      »Mein Alter will eben, dass ich ein wenig mein Taschengeld aufbessere«, sagte er, ein wenig zerknirscht.

      Weil es die halbe Wahrheit war. Sein Taschengeld war mehr als üppig und hätte für wesentlich mehr als einen Monat gereicht. Er musste nichts dazuverdienen. Aber sein alter Herr bestand darauf. »Arbeit hat noch niemandem geschadet«, war seine Devise und deshalb musste sich sein armer, reicher Sohn jetzt mit Zeitung austragen, den Tag versauen.

      »Mach dir keine Sorgen«, sagte mein jugendlicher Freund. »Ich bin in spätestens einer Viertelstunde wieder da.«

      Leider wusste ich, dass auch dies stimmte. Der Vogel holte die Zeitungen an der Sammelstelle ab, dann fuhr er, ohne sich die Mühe zu machen auch nur eine auszuliefern, zu einem Altpapiercontainer und warf die gesammelten Werke hinein.

      Eine Beschwerde würde nicht kommen, denn sowohl der Auftraggeber als auch alle Empfänger des kostenlosen Blättchens wussten, wer die Zeitungen nicht lieferte. Sie kannten den nachtragenden Vater des Filius und wollten alle ihre Wohnungen behalten. Denn Herrn Baumeister, Saschas Vater, gehörte die komplette Siedlung.

      Mich konnte das nicht mehr belasten und ich wollte schon eine weitere bissige Bemerkung loswerden, doch der Jugendliche kam mir zuvor.

      Auch sein überhebliches Grinsen war wieder da und spätestens das hätte mich warnen sollen.

      »Ach übrigens«, sagte Baumeister Junior. »Schön, dass wir beiden mal so nett plaudern.« Das Grinsen wurde breiter. »Hat mein Alter eigentlich schon mit dir gesprochen?«

      Ich wusste nicht, worauf er hinauswollte und zuckte nur blöd die Achseln.

      »Ich werde ja bald achtzehn, weißt du«, fuhr er fort, als wäre sein Geburtstag ein gesetzlicher Feiertag und bei jedem fest im Kalender verankert. »Und da brauche ich ja ne eigene Bude. Leider ist bei uns gerade nichts frei und da dachte mein Lieblingsdad, dass ich deine haben könnte. Schließlich zahlst du die Miete nicht pünktlich und dann gibt es ja noch Eigenbedarf und so.« Wenn er keine Ohren hätte, dann hätte er jetzt im Kreis gegrinst.

      Ich hatte die Kündigung für die Bude im Umschlag in meiner Hand, trotzdem begann ich mich kurzfristig zu ärgern. Sollte ich meine Pläne ändern und mich in meinen bisherigen vier Wänden umbringen? Alles so richtig schön versauen und meinen Abschiedsbrief noch einmal ändern? Mit dem Passus: Ihr wolltet mir meine Heimat wegnehmen, meine Wohnung, meinen Anker und Lebensmittelpunkt.

      Ich blickte in das Gesicht vor mir und wusste, dass es diesen Typen keine schlaflose Minute gekostet hätte.

      Es war schwer, meine Wut niederzuringen. Weil ich ihn in diesem Moment hasste. Vielleicht für sein Glück aus reichem Haus zu kommen, von Beruf Sohn sozusagen. Oder für seine Jugend, seine Gesundheit. Oder einfach für sein gutes Aussehen und dafür, dass er jedes Wochenende mit einem anderen Mädel im Arm erschien. Wahrscheinlich war es, wie es Dieter Bohlen ausdrücken würde, das Gesamtpaket.

      »Hat es dir die Stimme verschlagen«, hetzte der Junge vor mir und plötzlich war ich wieder die Ruhe selbst.

      Ich hatte alles geregelt und einen unumstößlichen Plan, den ich sicherlich nicht für diesen Idioten ändern würde.

      Ich sah in den Packen Briefumschläge, reichte ihm den mit der Kündigung und jetzt war ich es, der lächelte.

      »Weißt du was?«, fragte ich ihn. »Wie wäre es, wenn du schon morgen einziehst?«

      Und damit ging ich und ließ ihn verwirrt zurück.

      Meine Schritte führten mich auf alt bekannte Pfade. Der kleine Schlenker zum Briefkasten war neu, aber die restliche Wegstrecke kannte ich genau. Jede Bürgersteigplatte, jede Bodenunebenheit, denn diese Straße hatte ich tausendmal beschritten. Ich endete vor