Ina Pohlmann

Suchtfaktor Liebe


Скачать книгу

Warte ich es sehen will und was mir in der Folge Probleme bereiten wird. Und Probleme wird es geben, denn durch sie können wir lernen und wachsen. Will ich mit Sexualität OHNE Liebe leben oder mit Sexualität UND Liebe? Am frustrierendsten aber ist, wenn ich mit Sexualität OHNE Liebe leben will und kriege das Gegenteil – Sexualität UND Liebe. Oder umgekehrt. Ich ziehe nun mal das Gegenteil an, solange ich nicht kapiere, was ich zu leben habe.

      Und wer will mir eigentlich vorschreiben, was ich leben und lernen soll! Das bestimme immer noch ich. Sicher, wer es glaubt wird selig. Wir werden nicht geführt, es gibt kein Schicksal, alles reiner Zufall und vor allem ausschließliche Selbstbestimmung. Das Leben soll also ein Wunschkonzert sein. Stimmt genau, allerdings für Marionetten. Wir spielen ein Stück, solange bis wir den Sinn verstanden haben. Dann können wir ein anders Stück spielen, auch eine andere Rolle. Oder wir suchen uns immer wieder dieselben Rollen in den unterschiedlichen Stücken aus. Wir haben die Wahl keine Wahl zu haben. Hat den Vorteil, dass wir nicht verantwortlich sind für unser Tun. Wir sind schließlich fremdbestimmt und haben so wenig mit unserem eigenen Leben zu tun wie sonst nur wer. Alles um uns herum ist rein zufällig vom Himmel gefallen und wir müssen irgendwie damit klarkommen. Und das Wichtigste: Wir können ja überhaupt nichts dafür.

      Das ist mir jetzt echt zu blöd. Wir alle haben ein Schicksal, jedes mit dem des anderen verwoben und verbunden, sozusagen ein gemeinsames Schicksal. Und wir sind Marionetten, die das tun was notwendig ist. Beides zu gleicher Zeit. Und was soll das bringen? Ausgewogenheit der Kräfte, die innere Harmonie herstellen soll, damit wir alle Facetten unseres Lebens genießen können. Auch und vor allem unsere Sexualität. Das gelingt aber nur durch unsere eigene Offenheit der Liebe begegnen zu wollen. Das sollen reicht nicht aus, wenn wir lernen wollen. Man kann niemanden zu seinem Glück zwingen. Ich glaube schon – denn wenn etwas sein soll, gibt es kein Wenn und Aber. Mit dem Unterschied, dass ich dieses Glück unter Druck nicht als solches Erkennen werde. Es sollte so sein, sollte so kommen – schön und gut, aber wenn ich es doch nicht so sehe, weil mein Ego dieses Glück nicht will?

      Die Sinne schärfen, auch die körperlichen Empfindungen, denn Sexualität fühlt sich nicht immer gleich an. Und das liegt nicht an den unterschiedlichen Partnern, sondern an uns und dem, was wir durch unseren Grad der Offenheit und Durchlässigkeit zulassen können oder wollen. Spüren wir unseren Körper genau, beobachten wir ihn und wir brauchen keinen Sex mehr. Zumindest nicht um zu erkennen, ob mich jemand erotisch anspricht. Das kann bereits ein Blick klären, der mich durchdringt. Sexualität in der Endfassung ist völlig überbewertet und fängt viel früher an als die Körperlichkeit. Denn Sexualität ist nicht ausschließlich dem fleischlichen Körper zugeschrieben, Erotik wird emotional und ebenfalls mit allen anderen Sinnen empfunden. Liebe geht durch den Magen. Klammern wir diese Dinge aus, also auch die Liebe und unser Glück, und reduzieren die Sexualität bewusst auf unseren Körper – sprich reiner Sex – sind wir nichts anderes als eine rudimentäre hoffentlich aussterbende Rasse emotionsgestörter Egoisten mit Hang zur Selbstüberschätzung und Selbstboykott. Sicherlich kannst Du mir vieles beibringen – vor allem aber zu erkennen, was ich nicht will. Und ich soll es auch nicht wollen – ich bin eben zu gut für diese Welt und für körperliche Belustigungen nicht unter allen Umständen und jeder Voraussetzung zu haben. Ich gehe ins Kloster und verschreibe mich den wirklich wichtigen Dingen – das muss es auch geben, damit wir erkennen was geht und was nicht und, dass es individuell unterschiedlich sein kann. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich, ich will also bin ich? Werde ich nur geliebt, weil ich jung, schön, attraktiv, begehrenswert, erotisch bin und Humor habe? Oder auch weil ich gut kochen kann, Fröhlichkeit ausstrahle und geniale dufte? Bin ich denn eine Glücksfee?

      Klar, wünschst Du Dir mein Ich genauso. Aber ich muss Dich enttäuschen, mein eigener Anspruch ist ein anderer – sicherlich erstrebenswert, was mich Vollkommen machen würde. Aber der kannst DU nicht gerecht werden, weil Du es niemals so gut hinkriegst wie ich. Somit habe ich es mir selbst zuzuschreiben, dass „Trautes Heim, Glück allein“ das höchste der Gefühle sein wird. Hat was. Wenn man aber in einer Millionenstadt lebt, die unglaublich viel im Angebot hat, konkurrieren die Massen miteinander. Man schießt sich doch selber ins Aus, wenn man versucht die Mutterliebe auf die Frau zu übertragen. Natürlich ist Mutti die Beste, wenn Sie es einigermaßen hingekriegt hat. Aber Frau ist nicht Mutti und soll und darf es auch nicht sein und insofern ist man auch nicht Papa.

      Wie könnte eine Partnerschaft jeden unerreichten Status von Eltern-Kind-Beziehung auch nur ankratzen – und, mal ehrlich, wer möchte das denn wirklich? Ich bin eine Mama und ich wünsche meinem Sohn keine Frau wie mich. Sie soll sein wie er. Was habe ich dort verloren, vielmehr, was hat er im ich zu suchen? Da haben wir es wieder. Natürlich bin ich seine erste große Liebe, genauso wie mein Vater die meinige ist. Orientierung ja. Kopie, niemals. Will ich nicht, hatte ich selbst schon. Da wird alles Unverarbeitete, unser familiäres Erbe, gelebt. Hatte ich schon und es ist schrecklich. Alles was ich über die Beziehung zwischen meinen Eltern nicht kapiert habe erlebte ich dann am eigenen Leib. Braucht kein Mensch. Mit Abstand gesehen ist es die geniale Schule wirklich zu erkennen, woher ich komme und wohin ich nie wieder zurück will.

      Was ist die gleichgeschlechtliche Orientierung anderes als eine Potenzierung des Ich-Bedürfnisses im Du? Sich zusätzlich noch körperlich ähneln. Oder ist es genetisch vorbelastet, Protest oder Ausdruck persönlicher Freiheit? Gibt es da überhaupt einen Unterschied? All das als Schicksal? Ist es diskutabel und wählbar, oder ist es einfach nur wie es ist? Darf ich auch darüber lachen und darf es mir Freude machen und mich belustigen, da es Teil unserer Gesellschaft ist? Ja, unbedingt! Alles andere würde doch erst eine Ausgrenzung bedeuten.

      Alles was ich ignoriere, verleugne oder totschweige, das grenze ich aus. Wir reden darüber.

      Warum grenzt du dich selber aus, indem Du eine Homo-Disco brauchst, einen eigenen Karneval und einen eigenen Schwulen und Lesben Weihnachtsmarkt? Schützt dich das wirklich vor der Wirklichkeit, mit der du und ich uns auseinandersetzen sollen? So dämlich kann ja kein Hetero sein, dass er nicht merken würde unerwünscht zu sein. Wer grenzt hier eigentlich wen aus und sich selber dazu! Wie kann ich Vorurteilen vorbeugen und was muss ich selber tun, damit ich mich wohl fühle? Als Exot oder Besonderheit kann keine Integration stattfinden. Andersartigkeit lässt sich nicht integrieren – es steckt in der Schublade „Anders“!

      Blond ist in der Schublade „schön“ manchmal auch „dumm“ wiederzufinden – ganz individuell. Es geht jedem gleich, weil wir alle anders sind. Wir tragen uns zur Schau in unserer geglaubten Andersartigkeit, was hervorragend ist, aber hieraus Ablehnung wegen Andersartigkeit abzuleiten halte ich für fragwürdig und eigentlich belustigend. Dazu brauche ich nicht homosexuell zu sein – fett sein reicht absolut aus. Auch der Dicke wird oft als Provokation empfunden. Was hast Du eigentlich damit zu tun? Ist es Deine Baustelle, geht es Dich etwas an und hättest Du nicht genug mit Dir selbst zu tun und vor Deiner eigenen Türe zu kehren! Derjenige, der sich provoziert fühlt ist dafür selbst verantwortlich. Oft gehe auch ich in die Offensive, weil ich besser damit klar komme mich mit allen Sinnen auseinander zu setzen, als defensiv zurückzunehmen was aufgelöst gehört. Auch hier sind alle gleich – daran ändert auch keine sexuelle Orientierung etwas. Ich will gar nicht sein, was ich nicht bin. Und was ich bin, das kann jeder sehen.

      Als Beispiel, was aufzeigen möchten, wie sehr wir uns ähneln:

      Was ist das eventuell tuntenhafte Benehmen eines homosexuellen Mannes im Rahmen von gleichgeschlechtlicher Partnerschaft anderes, als der Zickenalarm unter Frauen? Was ist die manchmal maskuline Ausstrahlung homosexueller Frauen anderes als das machohafte Kumpelgehabe in der Kneipe? Ist das wirklich verdreht? Ich finde es genau richtig so. Es ist gut, dass es uns Impulse gibt, an denen wir uns reiben können und letztlich daran wachsen – es ist richtig, dass es alles gibt was es gibt… Selbst gewollt und gewählt oder Schicksal und Marionette – oder Beides? Und wen interessiert es überhaupt wer mit wem was macht? Was geht es mich an, mit wem Du Spaß hast? Mit wem Du Sexualität lebst? Aber bitte, dann lass auch mich in Ruhe – nicht mit dem was und wie Du es tust, sondern mit dem was ich leben möchte. Geschieht Abgrenzung mit mir, durch mich oder aus mir heraus? Und warum sollte es dafür andere Gründe, Regeln und Gesetze geben als für den Rest der Welt?

      Intoleranz ist etwas was dem entgegenschlägt und mit der