Myriam Schenke

Franzis merry little Christmas


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      »Ich glaub´ schon.« Fred lachte. »Schön weihnachtlich habt ihr es hier.«

      »Ja, nicht.« Franzi strahlte. Mit den beiden Flaschen in der Hand umarmte sie ihn umständlich. »Komm, lass` uns auch in die Küche gehen.«

      Dort angekommen, hielt sie Felix die Flaschen entgegen. »Wodka und Whisky, ganz harmlos.«

      Achselzuckend zog Bert sich einen Stuhl heran. »Wir konnten uns nicht entscheiden. Du kannst ja auch einfach ein Gläschen Wein trinken, dann bist du beim Pokern schon mal im Vorteil.«

      Franzi hob spöttisch eine Augenbraue. »Danke!«

      »Sie will gar nicht mitspielen, die Spielverderberin. Sie muss mal wieder lernen.«

      »Genau.«, sagte Franzi. »Die Spaßbremse verschwindet jetzt hinter ihren Büchern.«

      »Och nee! Zuviel Lernen ist ungesund«, sagte Bert und Fred versuchte es mit einem Dackelblick.

      Franzi lachte. »Och doch, ich muss. Aber ich wünsche euch viel Spaß.«

      Gegen halb elf legte Franzi ihre Bücher zur Seite. Was sie bis jetzt nicht in den Kopf bekommen hatte, würde auch nicht mehr hineingehen.

      Schon im Schlafanzug, schaute sie noch einmal in der Küche vorbei. Die drei hatten sich mit Wein begnügt und waren auf Skat umgestiegen. Den Adventskranz hatten sie auf die Arbeitsplatte neben der Spüle gestellt. Davon war Franzi nicht begeistert, aber irgendwie brauchten sie ja auch Platz zum Spielen. Morgen würde sie eine bessere Lösung finden.

      Fred durchsuchte die CDs, die sich neben der kleinen Anlage auf der Fensterbank stapelten. »Sag mal, habt ihr nur noch Weihnachts-CDs?«

      Franzi hob entschuldigend die Schultern. »Ich habe da im Moment so eine Phase.«

      »Phase ist gut. Vor Ende Dezember wird hier nichts anderes gespielt.« Felix sortierte konzentriert seine Karten. »Warte ..., ich hol gleich etwas anderes aus meinem Zimmer.«

      »Ach lass´ mal. Hier Michael Bublé, das ist doch ganz schön.«

      »Siehste!«, sagte Franzi und nahm sich eine Flasche Wasser aus der Kiste. »Ich geh´ jetzt ins Bett. Spielt noch schön.«

      »Gute Nacht, Mutti«, sagte Felix und grinste.

      Woraufhin Franzi ihm die Zunge herausstreckte.

      6.05, Franzi blinzelte irritiert auf ihren Wecker, das war eindeutig zu früh. Energisch schlug sie auf den Alarmknopf und drehte sich um. Sie hatte die Augen fast schon wieder geschlossen, als sie aus dem Augenwinkel den Stapel Bücher auf ihrem Schreibtisch sah.

      Ach ja, die Kunsthistorik-Klausur. Sie hatte den Wecker so früh gestellt, um noch mal in ihre Aufzeichnungen schauen zu können. Kurzentschlossen schwang Franzi ihre Beine aus dem Bett. »Brr.« Es war empfindlich kalt. Draußen mussten deutliche Minusgrade herrschen, die nicht komplett draußen bleiben wollten. Die Altbauwohnung war zwar sehr schön mit ihren hohen Decken, dem Stuck und dem Dielenboden. Allerdings waren die schönen Fenster auch ganz schön alt und sehr schlecht isoliert. Da würde demnächst eine Investition nötig sein, an die gar nicht zu denken war. Franzi zog sich dicke Wollsocken an und schlurfte zum Schreibtisch. Zufrieden blätterte sie in ihrem dichtbeschriebenen Ringbuch und packte es in die Tasche. Sie packte ein Buch dazu und noch eins, sowie zwei weitere Kugelschreiber - nichts war schlimmer als Kugelschreiber, die mitten in der Klausur ihren Geist aufgaben.

      Die Klausur würde sich um die Malerei der Jahrhundertwende drehen, Stilrichtungen, Einflüsse, Maler und so weiter. Sie mochte die Epoche; einige ihrer Lieblingskünstler hatten ihre Werke zu dieser Zeit geschaffen. Eigentlich hätte ich als Künstlerin auch besser in jene Zeit gepasst, dachte Franzi. Sie seufzte. Ein Professor hatte ihr wiederholt zu verstehen gegeben, dass er sie schlicht gar nicht für eine Künstlerin hielt.

      Den Gedanken versuchte sie schnell wieder zu verdrängen. Jetzt ging es erst mal um die Kunstgeschichte, und auf diesem Terrain fühlte sie sich relativ sicher.

      Auch im Bad war es schweinekalt. Bibbernd packte Franzi an den Heizkörper. Das dauerte morgens immer eine Ewigkeit, bis der warm wurde. Entweder manipulierte jemand an der Therme, zuzutrauen wäre es dem ein oder anderen Spezialisten, oder – schrecklicher Gedanke – die altersmüde Heizungsanlage schwächelte schon wieder.

      Nach eiskalter Katzenwäsche zog sie über Jeans und Pulli noch ein Wollkleid und machte sich auf den Weg in die Küche. Vielleicht hat Felix schon Kaffee gekocht, hoffte Franzi. Sie hatte völlig verdrängt, dass er sich ein paar Tage freigenommen hatte.

      Sie schnupperte. »Bah!« Das roch ganz und gar nicht nach frischem Kaffee, sondern nach kaltem Rauch. Bert war mal wieder zu bequem gewesen, auf den Balkon zu gehen, und Felix hatte nicht den Arsch in der Hose gehabt, ihm zu sagen, dass in der Küche nicht geraucht werden sollte. Oder es war ihm egal gewesen. Angesäuert öffnete Franzi die Küchentür. Es klirrte und eine Flasche, aus der ein Rest Wein tropfte, rollte ihr entgegen. Sie bückte sich, um die Flasche aufzuheben, und als sie sich wieder aufrichtete, sah sie das Chaos.

      Ungläubig wanderte ihr Blick durch die Küche. Das konnte doch echt nicht wahr sein! Der Tisch war voll mit leeren Bierflaschen, Kronkorken, Tabakkrümeln und – igitt! verkrusteten Senfklecksen. Teller mit Essensresten und Dingen, die Franzi gar nicht genauer analysieren wollte, standen auf der Arbeitsfläche. In einem Topf schwamm ein aufgeplatztes Würstchen und in der Spüle – war ja klar – lagen ausgedrückte Kippen. Es sah aus wie nach einem echt fiesen Gelage. Wie konnten drei Mann nur so einen Saustall veranstalten?

      Franzi räumte ein paar Flaschen vom Tisch, hielt dann aber inne. Das fehlte noch, dass sie hier aufräumte. Mann! Er wusste doch, dass ich heute eine Klausur schreibe, dachte Franzi. Sie war sauer, irgendwie auch traurig, enttäuscht und vor allem – langsam kam wieder Leben in sie – verdammt wütend. Und ihre Wut paarte sich allmählich gefährlich mit Hunger.

      Auf der Suche nach etwas Essbarem blieb ihr Blick an dem kleinen Engelorchester aus dem Erzgebirge hängen und sie musste, gegen ihren Willen, schmunzeln.

      Die »Nacktarschkombo«, wie Felix sie liebevoll getauft hatte, spielte jetzt auf kunstvoll zu einer Pyramide gestapelten Gewürzdosen.

      Die drei hatten nicht nur rumgesaut und Chaos fabriziert, sie hatten auch umdekoriert. Sämtliche Weihnachtsutensilien hatten einen neuen Platz bekommen. An dem Kronleuchter hingen neben Kellen, Schneebesen, Bratenwendern und anderen Küchenfreunden, gläserne Eiszapfen. Die Gardine hatten sie mit dem Saum am Küchenschrank befestigt, sodass sie jetzt einem Plüschelch als Hängematte diente. Auf der anderen Seite der Gardinenstange seilte sich ein Engel an einer Sternenkette ab und ... Eigentlich war das alles ganz originell, aber Franzis Sinn für Originelles hielt sich im Moment arg in Grenzen. Sie brauchte dringend ein Frühstück und im Brotkasten war kein Fitzelchen Brot mehr.

      Als sie auf Zehenspitzen im obersten Fach des Küchenbüfetts nach Knäckebrot Reserven suchte, trat sie mit ihrem Sockfuß in etwas eklig Klebriges.

      »Ih!« Angewidert betrachtet sie die braunrote, zähe Masse und sah dann die halb leere, offene Ketchupflasche auf dem Kühlschrank stehen. Da hatte jemand den Ketchup – ohne Deckel – kräftig durchgeschüttelt. In einem Halbkreis um den Kühlschrank waren Sprenkel auf dem Küchenboden verteilt. Wütend knallte Franzi erst den Brotkasten, dann die Schranktür zu. Knäckebrot war auch keins mehr da. Blieb ihr nur Müsli, was sie noch nie sonderlich gemocht hatte.

      Ihr lautstarkes, wütendes Geklapper musste Felix geweckt haben. Er hatte im Wohnzimmer nebenan auf dem Sofa geschlafen und kam völlig verschlafen in die Küche geschlurft. »Was machst du denn für einen Krach?« Er blinzelte auf die Küchenuhr. »Und wieso bist du überhaupt schon wach?«

      Franzi, die dabei war sich eine Schale abzuwaschen – saubere gab es natürlich nicht mehr – drehte sich, mit der Abwaschbürste in der Hand, abrupt um und starrte ihn nur schweigend an.

      »Hey! Du spritzt! Was ‘n los? Bist du sauer?«

      »Was für eine Frage.« Franzi schnaubte. »Sieh dich doch mal um. Zu Essen ist nichts