Myriam Schenke

Franzis merry little Christmas


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rück mal, der Opa bringt den Wein mit. Denn Weihnachten muss Opa auf den Wein achten! Da kennt er sich aus.«

      Felix ließ sich in das große, plüschige Sofa fallen, ein Erbstück seiner Oma, das er mit einem wunderschönen, tiefblauen Samt hatte beziehen lassen. Das Sofa war das Prunkstück in dem kleinen, an die Küche angrenzendem Raum, den Franzi und Felix zu ihrem Wohnzimmer auserkoren hatten. Nachdem Franzi noch fast ein Dutzend Kerzen angezündet hatte, kuschelte sie sich in die andere Ecke des Sofas und griff nach der Fernbedienung.

      »Was gibt es denn Schönes?«, fragte Felix.

      »Das Wunder von Manhattan.«

      Daraufhin summte Felix: »Wunder gibt es immer wieder«

      »Mm ...«

      »Oh Fränzchen!«

      »Pst!«

      Kapitel 3

      »Ach Mädchen nee, das ist doch Schrott! Das hatten wir doch alles schon! Mit diesem altbackenen Mist kannst du hier nichts mehr werden.«

      Ein Loch – bitte ein Loch. Franzi sackte immer mehr in sich zusammen. Sie wünschte sich sehnlichst, dass der Boden sich auftun und sie samt ihrer Werke verschlucken würde. Professor Helmer machte sie – mal wieder – vor dem versammelten Kurs fertig. Sie wusste ja, dass sie keine wahnsinnig geniale, moderne oder innovative Künstlerin war, aber diesmal gefielen Franzi ihre eigenen Bilder – eigentlich. Das Thema hatte ihr wirklich gelegen, zumindest hatte sie das bis jetzt angenommen. Ausnahmsweise war es mal nicht erschöpfend originell, wie zum Beispiel das des letzten Sommersemesters: »Explodierendes Glas vor amorphem Hintergrund – die Härte der Vergänglichkeit«. Diese Themen brachten Franzi zur Verzweiflung, und sie haderte regelmäßig mit sich und ihrem Studienfach. Diesmal hatte das Thema schlicht und ergreifend »Landschaft« gelautet. Ihre Kommilitonen hatten unisono aufgestöhnt und vermutet, Helmer war zu faul gewesen, sich etwas Anständiges auszudenken. Franzi jedoch hatte sich gefreut. Endlich ein Thema, mit dem sie wirklich etwas anfangen konnte. Außerdem liebte sie es, in der Natur zu malen. Voller Tatendrang war sie zu all ihren liebsten Orten in der Umgebung geradelt, hatte sorgfältig Ausschnitte gewählt, mit unterschiedlichen Materialien und Techniken experimentiert, versucht ihre Gefühle in die Arbeiten einfließen zu lassen und ... verdammt ihr Herzblut lag in diesen Bildern. Und dennoch stand sie wieder mal da – puterrot, mit glühenden Ohren – und wollte sich einfach nur in Luft auflösen. Was hatte sie hier zu suchen? Es war zwecklos. Sie war keine Künstlerin und würde auch nie eine sein. Wieso tu ich mir das bloß an, dachte Franzi.

      »Wer hat sie bloß zum Studium zugelassen?«, polterte Professor Helmer weiter.

      Die ganze Zeit schon hatte Carla ihre Freundin besorgt beobachtet. Dass Helmer ein Arsch war und sich immer wieder einzelne Studenten herauspickte, um sie runterzumachen, war hinlänglich bekannt. Doch hier ging es um Franzi, und er war eindeutig zu weit gegangen! Ihr platzte der Kragen. »Jetzt machen sie aber mal einen Punkt! Franzis Arbeiten sind großartig! Sie wird hier nur fertiggemacht, weil keiner mehr so malen kann. Jeder kleckst und kleckert doch nur, wer weiß wie spektakulär und schräg, um irgendwie aufzufallen.«

      »Ho, ho!« Professor Helmer machte Geräusche, als würde er ein temperamentvolles Pferd beruhigen wollen. Langsam ging er zu Carla hinüber und legte seine Hand beschwichtigend auf ihren Arm.

      Carla schnaubte und schüttelte angewidert seine Hand ab.

      »Na, na, immer mit der Ruhe.« Helmer lächelte gutmütig und blätterte in Carlas Arbeiten. »Mit ihnen bin ich sehr zufrieden, Carla! Sie haben Temperament und dieser Pinselstrich ist wunderbar kraftvoll und mutig.«

      Es war zu blöd und sie wollte es nicht, aber sie konnte es nicht verhindern: Sie fühlte sich geschmeichelt.

      Ein großformatiges, besonders farbenprächtiges Bild stellte Professor Helmer heraus, um es genauer zu betrachten. »Das ist großartig, so lustvoll!«

      Und wieder empfand Carla, gegen ihren Willen, diesen verflixten Stolz.

      Professor Helmer kniff die Augen zusammen. »Diese Brüste, die hier hervorquellen.« Er formte die Rundungen mit seinen Händen nach. »Wundervoll zum Greifen nah, sehr natürlich nachempfunden.« Sein Blick wanderte vom Bild zu Carlas Dekolleté.

      Der ganze Stolz war futsch. Carla trat einen Schritt zurück und warf ihre langen, schwarzen Haare ärgerlich zurück. »So ein Quatsch! Das sind Hügel in einer abstrakten Landschaft. Sie müssen aber auch in allem etwas Sexuelles sehen!«

      »Kindchen, Kunst ist Lust, Genuss, Experiment und immer wieder auch sexuell.«

      »Blödsinn! Sie sind einfach ein lüsternes Arschloch!«

      Der ganze Kurs hielt den Atem an. Carla hatte bei Helmer ein Stein im Brett, doch wie würde er auf diesen Ausbruch reagieren?

      Unglaublicherweise schien Helmer Carla nichts übel zu nehmen. Im Gegenteil, er kicherte, sodass seine ganze schwabbelige Körperhülle vibrierte. »Hui, das nenne ich Leidenschaft! Sie inspirieren mich.« Abrupt wurde sein schnaufendes Gekicher von dem Klingeln seines Handys unterbrochen. Er schaute auf das Display, runzelte die Stirn und machte dann mit seiner freien Hand eine Bewegung, die irgendwo zwischen Verscheuchen und Winken angesiedelt war. Schon das Handy am Ohr rief er ihnen zu: »Schluss für heute, Kinder! Ich muss telefonieren.« Und verschwand eilig im Nebenraum.

      Etwas verwundert schauten die Studenten Professor Helmer hinterher, der Kurs hätte eigentlich noch gut eine Viertelstunde dauern sollen. Da sie von ihm jedoch Einiges gewohnt waren, packten sie ihre Mappen ein und wunderten sich nicht länger. Während einer nach dem anderen den Raum verließ, schnaubte und schimpfte Carla noch vor sich hin. »... ich könnte ihn killen, diese eklige Schwabbelbacke!«

      Franzi, die ihre Mappe inzwischen verschnürt hatte, versuchte Carla zu besänftigen. »Ach komm, lass dir von dem Idioten doch nichts einreden. Und anrühren würde ich den auch nicht, das wäre echt eklig! – Obwohl? Wenn ich mir das so überlege – er liegt da, angestochen, in einer Blutlache, daneben eine weiße Leinwand ... Doch etwas mit seinem Blut Gemaltes könnte ich mir gut vorstellen.«

      Carla lächelte. »Du hast echt eine morbide Fantasie.«

      »Wieso? Du hast doch damit angefangen. Wahrscheinlich würde er krepierend mit seinem letzten Atemzug hauchen: Endlich Franzi! Sie inspirieren mich!«

      »Wieso sollen wir ihn eigentlich immer inspirieren? Und überhaupt, du hast mehr Talent in deinem kleinen Finger als er in seinem ganzen schwabbeligen Körper!«, sagte Carla.

      Franzi machte eine abwehrende Handbewegung. »Nett von dir, aber Quark.«

      »Nein, ich meine das wirklich ernst! Wahrscheinlich braucht er die ganze Inspiration, um seine Unfähigkeit zu kompensieren. Apropos ...« Carla hielt einen Moment inne. »Warte ... hm ... ich glaub, jetzt hat er mich inspiriert.« Sie strahlte Franzi an. »Ich werde einen Arschlüster kreieren und ihn irgendwo gut sichtbar aufhängen.«

      »Aha!? Und was soll das sein?«

      »Eine Mischung aus Arsch und Kronleuchter oder eben Lüster«, sagte Carla, als wäre es die normalste Sache der Welt. Weil Franzi sie weiterhin fragend ansah, erklärte Carla: »Ich modelliere einen Hintern aus Pappmaschee oder so, den häng ich unter einen alten Kronleuchter und dann ...« Gedankenversunken starrte Carla an die Decke und murmelte vor sich hin: »Das wird gut, das wird richtig gut! Ich sehe den riesigen Arsch schon vor mir. Ich werde ...«

      Franzi kannte diesen Blick, Carla war bereits dabei, ihre Idee gedanklich umzusetzen. Nichts und niemand würde sie mehr davon abhalten.

      Bevor Carla ihre Pläne weiter ausführen konnte, unterbrach Franzi sie: »Das wird auf jeden Fall großartig, mein Schatz. Und ich wette, auch dafür werden sie dich lieben. Aber jetzt lass uns bitte los. Ich muss hier endlich raus.«

      »Ja klar, entschuldige! Ich komm gleich.« Carla begann, ihre Kunstwerke zu verstauen. Stirnrunzelnd betrachtete sie das Hügelbild. »Busen! Wie kommt