Myriam Schenke

Franzis merry little Christmas


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stehe und den ganzen Verein hier ne Weile nicht mehr sehen muss.«

      »Du hast echt einen Weihnachtsknall!« Carla schulterte ihre voluminöse Mappe. »Na komm, lass uns die Mappen wegbringen und dann lad ich dich zu einem Glühwein auf deinem geliebten Weihnachtsmarkt ein.«

      Gebannt schaute Franzi in die bläuliche Flamme über dem riesigen Zuckerhut. Dicke Zuckertropfen fielen zischend in einen großen, glänzenden Kupferkessel und die Mischung aus karamellisierendem Zucker und brennendem Rum verbreitete einen betörenden Duft.

      »Mm.« Franzi atmete tief ein.

      »Hey, träum nicht. Rück lieber mal ein Stück«, sagte Carla und quetschte sich neben Franzi auf die Bank. Sie pustete in ihren Becher. »Der erste Glühwein ist immer der leckerste. Sag mal, wenn du schon auf dem Weihnachtsmarkt arbeitest, warum dann nicht am Glühweinstand? Das würde doch wenigstens Sinn machen.«

      »Habe ich ja anfangs, aber von den Dämpfen hier wird man schon am frühen Morgen high, und dann diese wunderbaren Kostüme ...« Franzis Blick streifte die aufwendig kostümierten Weihnachtselfen hinter dem Tresen.

      »Wieso?« Carla lächelte einem männlichen Weihnachtself zu. »Die sind doch niedlich.«

      »Na ja, wer´s mag.« Franzi beobachtete, wie der Elf rot wurde und verlegen grinste. »Auf jeden Fall ist man ständig unter Kontrolle, weil der Chef alle naslang schaut, ob alle Zipfelmützen richtig sitzen und dass sich ja keiner am Glühwein vergreift. Dabei kann man den schon nach einem Tag hinterm Tresen nicht mehr riechen. Nee, da ist mir meine Erbsensuppe wirklich lieber.«

      »Na dann ...« Carla hob ihren Becher an. »Prost!«

      »Genau!«, sagte Franzi und sie ließen ihre Becher gegeneinander scheppern.

      Während Carla noch ein bisschen mit dem wirklich ganz schmucken Weihnachtself flirtete, wärmte Franzi ihre Hände am Glühweinbecher und träumte vor sich hin. Sie liebte die Atmosphäre auf dem Weihnachtsmarkt, das glitzernde Leuchten der Lichterketten in der Dämmerung, den Duft von Tannengrün, gebrannten Mandeln, Bratwurst und Kerzenwachs. In das Stimmengewirr mischten sich die etwas blechern, aber fröhlich klingenden Weihnachtslieder vom Kinderkarussell. Hier und da klingelten Glöckchen und irgendwo war ein »Ho Ho Ho!« zu hören. Ihr war so weihnachtsglitzerig wie damals auf dem Münchner Christkindlmarkt. Bilder aus längst vergangenen Tagen entführten sie für einen Moment in eine andere Zeit, an einen anderen Ort ... Franzi seufzte leise und konzentrierte sich schnell wieder auf Carla, die inzwischen von ihrem Kobold abgelassen hatte und ihr jetzt detailliert beschrieb, wie ihr Arschlüster aussehen würde.

      Es blieb nicht bei einem Glühwein ... Und Lilly gesellte sich zu ihnen. Sie hatte sich durch die Traube von Menschen gedrängt, die sich mittlerweile vor dem »Feuerzangenbowlenkessel« gebildet hatte. Völlig durchgefroren hauchte sie in ihre Hände. »Hallo ihr beiden. Wieso seid ihr nicht auf irgendeinem kuscheligen Sofa? Wie kann man bei dem Wetter freiwillig rausgehen?« Sie zappelte fröstelnd. »Brr! Ist das verflixt kalt, ich brauch dringend etwas Warmes.«

      Lilly hatte vor drei Jahren mit Carla und Franzi das Kunststudium begonnen, dann aber ihre Leidenschaft für das Singen entdeckt und kurzerhand das Studium an den Nagel gehängt. Der Job auf dem Weihnachtsmarkt war einer von vielen gewesen, eine Zwischenlösung bis zu ihrem großen Durchbruch. Da der aber auf sich warten ließ, hatte Lilly inzwischen ihren eigenen Weihnachtsmarktstand und spielte mit ihrer Band unverdrossen auf Hochzeiten, Jubiläen, Firmenfeiern und allen Veranstaltungen, die sich sonst noch anboten.

      Der Weihnachtsmarkt wurde immer voller. Für die erste Woche war ganz schön was los. Franzi wunderte sich, dass Lilly keine Anstalten machte, schnell wieder an ihren Stand zurückzueilen. »Hast du eine Vertretung?«, fragte sie.

      »Ja, Jürgen. Der kam grad vorbei, er hat schon Feierabend und anscheinend nichts zu tun«, sagte Lilly.

      »Wenn du den nicht hättest! Du nutzt den armen Kerl ganz schön aus.«

      »Wieso? Er macht das gern, sagt er. Außerdem bring ich ihm gleich ...«, Lilly trank einen Schluck. »... ich meine nachher, einen Glühwein mit.«

      Carla stieß Franzi an. »Siehst du, für den Mann wird gesorgt. Wir müssen jetzt auch mal an uns denken. Wie heißt dein Chef noch mal?«

      »Äh? Siegfried ...« Weiter kam Franzi nicht, denn wenn man vom Teufel spricht ... Er kam gerade zu ihnen herüber.

      Chefmäßig tippte er an seine Mütze. »Hallo Franzi, Lilly und ...?«

      »Carla«, sagte Carla und schenkte ihm ihr schönstes Lächeln. »Mach uns doch noch eine Runde Glühwein, Sigi!«

      Oha, Franzi war gespannt, wie ihr Chef reagieren würde. Normalerweise konnte er solche Vertraulichkeiten gar nicht gut vertragen. Doch Carlas Lächeln zeigte mal wieder seine Wirkung. Vielleicht lag es aber auch am guten Umsatz, denn bei dieser Kälte brachte er seinen Glühwein hektoliterweise unter das frierende Volk. Er verbesserte Carla lediglich: »Feuerzangenbowle! Bei mir gibt es keinen gewöhnlichen Glühwein!«

      Und dann – es geschahen noch Zeichen und Wunder – reichte er ihnen drei dampfende Becher über die Theke. »Die gehen aufs Haus!«

      Franzi staunte nicht schlecht, das hatte es ja noch nie gegeben. Und es brachte sie auf eine Idee. Wenn er gerade so gut drauf war, könnte sie doch ... »Sagen sie, wieso gibt es in diesem Jahr eigentlich keinen Weihnachtsbaumverkauf? Hinter dem Zinnschmuckstand wäre doch noch genügend Platz.«

      Da hatte sie ins Schwarze getroffen. Ihr Chef grummelte sofort los: »Ja, das habe ich auch gedacht, aber der Weihnachtsbaumhöker aus Westensee hat mir quasi in letzter Minute abgesagt. Hatte wohl was Besseres gefunden. Eine Sauerei ist das!« Düster schaute er in seinen Becher. Die ganze Welt hatte sich gegen ihn verschworen. »Aber zerbrich du dir mal nicht dein hübsches Köpfchen. Sieh lieber zu, dass du Erbsensuppe verkaufst! Mit Karl am Stand haben wir nur die Hälfte an Umsatz.«

      »Oh Chef, soll das etwa ein Kompliment sein?«

      »Bild dir mal nüscht drauf ein, hast nun mal das hübschere Näschen als der Karl. Aber immer diese Flausen mit dem Studium im Kopp!« Unwirsch schüttelte er seinen Kopf. »Jetzt ist Weihnachtsmarktzeit, da geht das Geschäft vor!«

      Lilly schnappte nach Luft. »Das kann ja wohl ...«, setzte sie an, wurde aber von Franzi mit einem Fußtritt unterbrochen. »Au!« Lilly rieb sich ihr Schienbein und sah Franzi vorwurfsvoll an. »Warum? ...«

      »Später!«, zischte Franzi und wandte sie sich wieder ihrem Chef zu. »Ihr Weihnachtsmarkt hat so viel Atmosphäre!«, schmeichelte sie sich bei ihm ein. »Er ist, glaube ich, einer der schönsten in ganz Norddeutschland.«

      »Nicht nur in Norddeutschland!«, unterbrach sie ihr Chef.

      Carla und Lilly guckten sich an und verdrehten die Augen.

      »Eben, das meine ich auch«, fuhr Franzi unbeirrt fort. »Aber was fehlt, ist ein Weihnachtsbaumverkauf. Das ist ja auch immer ein Publikumsmagnet.« Sie schielte kurz zu ihm hinüber – es hatte funktioniert: Die Dollarzeichen blinkten in seinen Augen. »Ich wüsste da zufällig jemanden, der für seine wirklich schönen Bäume einen Platz sucht.«

      »Nachtigall ick hör dir trabsen!« Er lächelte, blöd war er nicht. »Na, dann schick ihn mal vorbei – den jemand. Mal sehen, was sich da machen lässt.«

      Franzi strahlte ihn an. »Danke Chef! Sie werden sehen, die Weihnachtsbäume werden sich großartig auf ihrem Weihnachtsmarkt machen.«

      »Na, erst mal abwarten.« Er wollte sich vorerst bedeckt halten, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. Und dieses Grinsen wurde von Carla sofort registriert. »Ich finde, wir trinken jetzt noch eine Runde auf den Weihnachtsbaummann«, sagte sie.

      Doch da wurde er wieder geschäftig – man durfte sich schließlich nicht auf der Nase rumtanzen lassen. »Ohne mich, Mädchen, ich muss jetzt mal wieder was tun!« Und im nächsten Moment war er auch schon an das andere Ende des Standes entschwunden, um dort einen seiner Weihnachtselfen auf das Fehlen von Servierten hinzuweisen.