Myriam Schenke

Franzis merry little Christmas


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und ... Sie spürte das sie, gegen ihren Willen, grinsen musste. Aber das kam gar nicht in Frage! Ich muss hier raus, dachte sie und schmiss die Abwaschbürste ins Waschbecken. Sie schob Felix zur Seite, stiefelte in ihr Zimmer und holte ihre Sachen. Während sie sich anzog, versuchte Felix sie zu beschwichtigen. »Aber Franzi, sei doch nicht so sauer, ich ...«

      »Nichts aber Franzi!« Sie wühlte in den Klamotten, die auf dem Garderobenstuhl lagen. »Verdammt, wo ist sie denn schon wieder?«

      Kommentarlos reichte Felix ihr eine rot/grün geringelte Mütze.

      »Danke.«

      Sie sahen sich an. Franzi wollte etwas sagen, ließ es dann aber doch bleiben. Schließlich wickelte sie sich ihren Schal um und verließ ohne ein weiteres Wort die Wohnung. Im Hausflur stand sie allerdings erst mal ratlos da. »Mist!« – Was für eine blöde Übersprungshandlung. Wütend schleuderte sie sich ihre Tasche über die Schulter. »Au!« Es fühlte sich an, als würde sie sich die Schulter auskugeln. Wieso hatte sie da bloß so viel reingepackt? So ein Blödsinn! Ihr Magen machte sich lautstark bemerkbar. Ich brauche dringend ein Frühstück, wie soll ich denn sonst die Klausur durchstehen? Zu allem Überfluss stellte sie fest, dass sie mal wieder ihre Handschuhe vergessen hatte. Sie vergrub ihre Hände tief in den Manteltaschen und trat auf den Bürgersteig.

      Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, hatte der Weihnachtsbaumverkäufer Franzi entdeckt und grüßte sie freundlich. Missmutig wie Franzi war, konnte sie sich gerade noch dazu durchringen, ihm zuzunicken.

      Mit seiner Dogger-Mütze und seinem dunkelblauen Troyer sah er aus wie einer der Hipster, die an der Uni rudelweise rumliefen. Sie war sich allerdings ziemlich sicher, dass er die Kleidung aus praktischen und nicht aus modischen Gründen gewählt hatte.

      Seit einer Woche stand er mit seinen Bäumen bereits dort, aber erst jetzt fiel Franzi auf, wie selten dämlich der Platz für einen Weihnachtsbaumverkauf war. Zwischen Tankstelle und Schnellreinigung, in einem Viertel mit nur wenigen, heruntergekommenen Wohnhäusern. Hier wohnten vorwiegend Studenten, Künstler und ein paar Rentner, von denen konnte sicher kaum einer viel Geld für einen Weihnachtsbaum erübrigen. Dabei hatte er wirklich schöne Bäume und riesige wunderschöne Mistelzweige. Bisher hatte Franzi sie jeden Morgen bewundert.

      »Ärger gehabt?«, fragte der Weihnachtsbaumverkäufer. »Das ist der erste Morgen, an dem du nicht lächelst.«

      Jetzt lächelte Franzi doch. »Ich habe so einen Hunger, dass er meine gute Laune aufgefressen hat.«

      »Das kann ich gut verstehen, ich habe auch noch nicht so richtig gefrühstückt.«, sagte er.

      »Ich noch nicht mal unrichtig! Und zudem habe ich«, sie schaute auf ihre Armbanduhr, »in gut einer Stunde eine wichtige Prüfung.«

      »Oh.« Einen Moment sah er sie ratlos an, dann erhellte sich sein Gesicht. »Da muss etwas geschehen. Warte kurz.« Ohne weitere Erklärung verschwand er in Richtung Tankstelle.

      Franzi sah ihm nach. Sie rieb sich die Hände und trippelte von einem Fuß auf den anderen. Warten war keine gute Idee, dachte sie. Es war verdammt kalt geworden. Doch wenige Minuten später änderte sie ihre Meinung: Warten war eine Spitzenidee gewesen!

      Der Weihnachtsbaumverkäufer – wie hieß er eigentlich? – kam zurück, beladen mit Milchkaffee und diversen Croissants.

      »Süß oder herzhaft?«, fragte er.

      »Süß.«, sagte Franzi spontan, zögerte dann aber und floskelte: »Das kann ich doch nicht annehmen.«

      »Du kannst.«, sagte er und fügte hinzu: »Ich bekomme Sonderkonditionen, weil der Tankstellenbesitzer ein schlechtes Gewissen hat. Sein Sohn hat mich hierhergelockt und mir weisgemacht, dass das hier ein Spitzenplatz sei. Ich zahle zwar nur eine geringe Miete, aber jeder Cent ist zu viel.«

      »Dann vielen Dank!« Franzi biss in ihr süßes, mit Nugat gefülltes Croissant. Zwischen zwei Bissen fragte sie: »Sag mal, wie heißt du eigentlich?«

      »Martin, und du?«

      »Franzi.«

      Für einen Moment begegneten sich ihre Augen, dann konzentrierten sie sich beide wieder, ein bisschen verlegen, auf ihre Croissants.

      Schließlich klopfte Franzi sich die Krümel vom Mantel und deutete unvermittelt auf eine besonders schöne Mistel. »Könntest du mir die dort bis heute Abend zurücklegen?«

      »Klar. Ich glaub´ zwar nicht, dass ich heute noch einen Ausverkauf befürchten muss, aber auch wenn es einen Riesenansturm gibt, diese Mistel ist für dich reserviert.«

      »Prima. Ich glaub´, ich sollte langsam mal los. Vielen Dank für das Frühstück.«

      »Gerne.« Im fiel etwas ein. »Warte nur einen Moment.« Mit wenigen Schritten war er an der Beifahrertür seines Transporters. Nervös sah Franzi auf ihre Uhr, langsam saß sie wirklich auf Kohlen. Sie lächelte ziemlich angespannt, während er in seinem Rucksack wühlte und schließlich eine altmodische Blechbrotdose hervorkramte.

      »Äh, magst du?« Verlegen drehte er einen riesigen, fladenartigen Keks in seiner Hand. »Das sind die Überlebenskekse meiner Mutter ..., ich weiß, die sehen etwas gewöhnungsbedürftig aus, aber ich dachte ... als Nervennahrung, für deine Prüfung. Oder falls du noch mal Hunger bekommst ...« Einmal angefangen, konnte er nicht aufhören, sich zu verhaspeln. »Und sie schmecken besser als sie aussehen.«

      Womit hatte sie so viel Freundlichkeit am frühen Morgen verdient? Franzi war ganz gerührt. »Also ich finde, sie sehen total lecker aus. Und für heute ist mein Überleben auf alle Fälle gesichert.«

      Als Martin Franzi den Keks reichte, berührten sich kurz ihre Hände.

      »Du brauchst Handschuhe.«

      »Ja, stimmt.« Vorsichtig verstaute sie den Müslikeks in ihrer Tasche. »Aber jetzt muss ich wirklich los, sonst schmeiß´ ich mein Studium hin, werde zu einem deiner Tannenbäume und lasse mich rundum versorgen.«

      Martin lachte. »Warum nicht?«

      »Tja.« Sie zuckte mit den Schultern. »Weiß ich eigentlich auch nicht. Auf jeden Fall vielen Dank!«

      Kapitel 2

      Franzi überflog ihre Klausur, sie war zufrieden, besser hätte es gar nicht laufen können. Sie schaute zum Pult, dort war Professor Kugler fast vollständig hinter seiner Zeitung verschwunden. Völlig in Gedanken begann sie ihn, aus ihrem Gedächtnis zu zeichnen. Seine hohe Stirn, die lange gerade Nase. Oberhalb des rechten Wangenknochens hatte er eine kleine längliche Narbe, die fast vollständig in den Fältchen um seine Augen verschwand, wenn er lächelte. Dann sah man auch seine Zahnlücke zwischen dem rechten, oberen Eckzahn und den Backenzähnen. Franzi knabberte an ihrem kurz gespitzten Bleistift, als Professor Kugler plötzlich seine Zeitung sinken ließ. »Noch 10 Minuten.«, sagte er und war schon wieder hinter der Zeitung verschwunden. Erschrocken sah Franzi auf ihre Zeichnung, faltete sie schnell zusammen und ließ sie in ihrer Tasche verschwinden. Sie könnte noch einmal alles in Ruhe durchlesen, doch wozu? Sie sortierte ihre Zettel und gab dann ihre Arbeit ab. Leise, um die anderen nicht zu stören, packte sie ihre Sachen zusammen. Sie war eine der Letzten, nur fünf Kommilitonen saßen noch im Raum. Eine von ihnen war Carla, die jetzt hektisch ihre Arbeit zusammenschob, ihre Thermoskanne in die Tasche stopfte und sich ihren Mantel unter den Arm klemmte. Im Vorbeigehen legte sie ihre Klausur auf das Pult und eilte hinter Franzi her. »Warte Franzi, kommst du mit in die Cafeteria?«

      »Pscht!« Vorsichtig schloss Franzi die Tür hinter ihrer Freundin und wartete auf sie. Carla hatte ihre Tasche und ihren Mantel vor der Tür fallengelassen und kramte jetzt in aller Seelenruhe Mütze, Schal und einen Apfel hervor. Carla biss von ihrem Apfel ab und fragte dann kauend: »Hat dein Weihnatschwanschinn eigentlisch schon angefangen?« Franzi wischte sich über die Stirn. »Nee, aber beiß´ ruhig noch mal ab! Ich liebe Apfelmus in meinem Gesicht.«

      »Oh ´schuldige, aber ich hatte kein Frühstück.«

      »Ich