Myriam Schenke

Franzis merry little Christmas


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blieb stehen. »Sag mal, ich weiß gar nicht, wo du wohnst, musst du überhaupt in die gleiche Richtung?«

      »Ja klar! - das heißt, eigentlich wohne ich ein bisschen außerhalb in dem WG-Zimmer von einem Freund.« Als er ihr fragendes Gesicht sah, fügte er schnell hinzu: »Aber es ist die gleiche Richtung und mein Transporter steht noch an der Tankstelle.«

      Eine Weile liefen sie schweigend, geschafft aber glücklich und ein bisschen verlegen nebeneinanderher. Sie kamen am Opernhaus vorbei und blieben vor den Schaukästen stehen, in denen Szenenbilder und Kostüme ausgestellt wurden.

      »Sie spielen Hänsel und Gretel, richtig schön klassisch weihnachtlich.« Martin hatte die unverkennbaren riesen Pappmaschee-Kekse entdeckt. »Wie ist die Oper hier eigentlich?«, fragte er. Franzi zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, ich war noch nie in der Oper.«

      »Noch nie?«

      »Noch nie!«

      »Oh, das müssen wir ändern! Wir könnten doch vielleicht mal zusammen gehen?!«

      »Ja vielleicht nach dem Weihnachtstrubel. Eigentlich würde ich furchtbar gerne mal in die Oper gehen. Meine Mutter wollte mich immer mitnehmen ...« Ihre Worte blieben in der Luft hängen. Franzi schaute zum hell erleuchteten Eingang des Opernhauses, vor dem sich die ersten Gäste sammelten. Bewundernd betrachtete sie die festlich gekleideten Menschen. »Wow! Schau dir die Kleider an. Was heißt Kleider?! Das sind ja richtige Roben! Ich dachte, so was gibt es nur im Film.«

      Martins Blick streifte nur kurz, die aufwendig gekleideten Premierengäste und wanderte dann gleich wieder zu Franzi zurück. »Du gefällst mir besser!«

      Franzi guckte an sich herunter. »Ist klar!« Sie drehte sich. »Der neueste Weihnachtsmarktchic!« Über ihren Jeans trug sie ein dunkelrotes Strickkleid, darüber einen grünen Parka mit Plüschrand an der Kapuze. Braune Strickstulpen ragten aus ihren robusten Lederstiefeln und um den Kopf hatte sie einen grünen Mohair Schal geschlungen, überall guckten ihre feinen, dunklen Locken hervor. Trotzdem sie so dick eingepackt war, erahnte man ihre zierliche Figur. Von der Kälte waren ihre Wangen leicht gerötet und die großen braunen Augen strahlten. - Sie sah aus wie ein Wintermärchen!

      Langsam schlenderten Franzi und Martin weiter. Ihr Weg führte sie aus der geschäftigen Innenstadt in ruhigere Straßen. Einige Fenster waren hell erleuchtet und manche auch weihnachtlich geschmückt.

      »Guck mal!« Franzi war vor einem Haus stehen geblieben. Durch ein Fenster sah man eine Frau, die eine mintfarbene Wand mit grell pinker Farbe überpinselte. »Krasser Farbwechsel!«

      »Die haben wohl einen ganz besonderen Sinn für Farben.«, sagte Martin.

      Franzi lachte. »Scheint so!« Sie deutete auf ein weiteres Fenster, in dem man einen Mann mit Schürze beim Bügeln beobachten konnte. »Und dort wohnt jemand mit viel Sinn für Ordnung.«

      »Oder für Falten.«

      »Stimmt, da hast du sicher Recht! Machst du das auch so gerne? In Fenster luschern und sich ausdenken, was die Leute wohl so machen? Wie sie leben ...?«

      »Luschern?«

      »Na ja, sagt man hier oben im Norden doch so ... oder?«, sagte Franzi ein bisschen verlegen. »Ich weiß, das ist nicht die feine englische Art, aber ...«

      Martin unterbrach sie. »Ich find luschern auch super«, gab er grinsend zu.

      Im nächsten Moment ratterte neben ihnen ein Rollo herunter. Vor Schreck sprang Franzi ein Stück zur Seite. »Uh! Das sind bestimmt Leute mit Sinn für dunkle Geschäfte.«, sagte sie. »Lass uns lieber schnell weiter!«

      Sie liefen von Fenster zu Fenster, rätselten und dachten sich kleine Geschichten aus. Ihre Fantasie hatte Auslauf und ihre Wörter bekamen Flügel.

      Dann standen sie vor Franzis Wohnung.

      »Wer hier wohl wohnen mag? Hm?« Martin strich sich über seinen, nicht vorhandenen, Bart. »Auf jeden Fall jemand mit viel Sinn für Weihnachten!«

      »Da könntest du recht haben. Magst du vielleicht noch mit raufkommen? Auf ein Glas Wein oder so?«

      Kaum hatte Franzi die Haustür geöffnet, hörten sie ein lautes, markantes Lachen aus der Küche. »Gisi?« Ungläubig lauschte Franzi erneut, sie ließ Martin einfach stehen und eilte in die Küche. – Sie hatte richtig gehört. »Gisi, wie schön! Wo kommst du denn her? Du bist doch noch in Mexiko!« Sie verschwand fast vollständig in seinen Armen. Gisi war fast zwei Köpfe größer und bestimmt doppelt so breit wie Franzi. »Bah, dein Jackett kratzt! Wieso ziehst du es nicht aus? Wir sind hier doch nicht in deiner Bank.«

      Gisi lachte gutmütig. »Ich freu mich auch, dich zu sehen. Aber ich glaub, wenn hier jemand dringend etwas ausziehen muss, dann bist du das.«

      Sie schaute an sich herunter. »Stimmt!«, sagte sie lachend.

      Inzwischen war Martin unschlüssig in der Küchentür stehen geblieben. Er hatte die Begrüßungsszene beobachtet und rang sich jetzt zu einem zögerlichen »Hallo« durch.

      »Ach entschuldige!« Franzi winkte Martin zu sich heran. »Das ist Martin, ein Kollege vom Weihnachtsmarkt. Der Mann mit den besten Weihnachtsbäumen diesseits der Elbe!«

      Martin schmunzelte und schüttelte Gisi und Felix die Hände. Franzi legte ihre Hand auf Felix Schulter. »Das ist Felix, mein Mitbewohner, der meinen Weihnachtsfimmel kaum noch ertragen kann, und das ...« Sie griff nach Gisis Hand. »... ist sein Liebster und mein allerliebster Freund Gisi, der eigentlich Gisbert heißt, den man aber auf gar keinen Fall so nennen darf. Und der eigentlich in Mexiko verschollen ist.« Sie wandte sich wieder zu Gisi. »Wieso bist du eigentlich schon da? Du wolltest doch erst Anfang nächster Woche kommen?« Ihr rutschte der Schal von der Schulter. »Oh warte, erzähl es mir gleich, ich muss erst schnell das Zeug loswerden. Ach, und nehmt Martin die Jacke ab. Und versorgt ihn mit einem Glas Wein.«

      Franzi eilte durch den Flur zu ihrem Zimmer. Die Tasche glitt von ihrer Schulter, sie ließ sich auf den Schreibtischstuhl fallen, öffnete ihre Schnürsenkel und kickte die Stiefel von sich. Erst jetzt merkte sie, wie müde sie war. Ihr Blick wanderte zu dem Buch auf dem Schreibtisch. »Selbstsicht – die Geschichte des Selbstporträts« von Maximilian H. Kugler. Vor zwei Wochen hatte sie es sich ausgeliehen und wollte es schon längst gelesen haben. Einen Moment blätterte sie in dem Buch, dann schlug sie es entschlossen zu und machte sich auf den Weg zurück in die Küche.

      Dort saßen die drei Männer einträchtig beisammen, tranken Wein und schienen sich prächtig zu unterhalten. Franzi zog einen Stuhl heran und setzte sich dazu. Felix goss ihr ein Glas Wein ein. Besorgt sah er sie an. »Du siehst geschafft aus«, sagte er.

      Auch Martin nahm jetzt im Licht des Kronleuchters wahr, wie blass und müde Franzi auf einmal wirkte.

      »Ach was«, sagte Franzi. »Das sind die ersten Tage auf dem Weihnachtsmarkt, das ist nur ungewohnt.« Sie trank einen Schluck Wein und richtete sich auf. »So Gisi, jetzt erzähl mal, wie war es in Mexiko?«

      »Ganz wunderbar! Mexiko ist unglaublich aufregend. Auf der einen Seite faszinierend und schön, auf der anderen Seite leider auch elend, gefährlich, regelrecht furchteinflößend. Aber Geschäft ist Geschäft, und wenn man sich den Gepflogenheiten des Landes anpasst, läuft es überall ähnlich ab. Wir sind viel früher als erwartet zu einem Abschluss gekommen. So konnte ich vier Tage früher zurückfliegen.« Gisi lehnte sich zurück. »Und kaum bin ich gelandet, eile ich auf dem schnellsten Wege hierher, weil ich denke, man verzehrt sich nach mir. Und dann will mein Schatz, herzlos wie er ist, zu seinem Chor gehen. Wie findest du das?«

      »Völlig in Ordnung findet sie das«, mischte Felix sich ein. »Und ich im Übrigen auch. Wenn ich mich dauernd nur nach dir richten würde, käme ich nie zu etwas. Wer düst denn ständig in der Weltgeschichte herum?«

      Martin guckte etwas erschrocken. In einen männlichen Zickenkrieg zu geraten, war nicht gerade seine Vorstellung von einem gemütlichen Abend.

      Franzi sah seinen Blick und lachte. »Keine Angst, das machen die beiden immer.