Myriam Schenke

Franzis merry little Christmas


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Quatsch!«, Lilly unterbrach ihn. Sie war rot geworden vor Verlegenheit. »Das war einfach ein kitschiges Weihnachtslied, das hat nichts mit dem zu tun, was ich eigentlich mache, äh singe. Wobei ich nicht sagen will, dass ich nicht gut bin. Natürlich bin ich gut! Aber nicht so, ach ...« Sie verhaspelte sich immer mehr, doch dann fiel ihr etwas ein. »Wisst ihr was? Am 20. spielen wir im Kunkel. Das erste Mal nur wir als Band. Also ohne ein Event, das heißt, schon im Rahmen der Tanzparty, aber es ist keine Hochzeit oder so etwas. Na, auf jeden Fall seid ihr alle eingeladen.«

      »Echt? Wir auch?«, fragte eines der Geigenmädchen.

      »Klar!« Lilly kramte in ihrer Tasche nach den Eintrittskarten.

      Eine nach der anderen bedankten sich die Mädchen artig. Während Martin sich seine Karte genauer anschaute. Er lachte. »LA, LI, La, klingt wie ein Kinderlied.«

      Lilly grinste. »Stimmt! Wenn man es so ausspricht – wir haben da nicht wirklich lange drüber nachgedacht.«

      »Wieso?«, mischte sich Jürgen ein. »Wenn man es richtig ausspricht, klingt es doch sehr schön. Ihr hättet allerdings auch La Lilly nehmen können

      »Klar!« Lilly schüttelte lachend den Kopf.

      Immer noch wie ein Honigkuchenpferd grinsend, fragte Jürgen unvermittelt: »Spielt ihr am 20. auch Weihnachtslieder?«

      »Nee! Ich habe doch mit Weihnachten nichts am Hut«, sagte Lilly ziemlich schroff.

      »Na ja!« Grinsend tippte Martin gegen die Kugeln an ihrem Hut.

      Sie kicherte. »Alles Tarnung.«

      Jürgen sah von Lilly zu Martin. Ihm war sein Honigkuchenpferd davongaloppiert.

      In der Zwischenzeit hatten die Mädchen ihre Sachen geholt und kamen nun strahlend zurück. Stolz zeigten sie die Münzen in ihrem Geigenkasten. »Nicht schlecht!«, sagte Lilly anerkennend.

      »Wir wollten euch etwas abgeben, weil ihr ja mitgesungen habt und so«, sagte das Mädchen mit der Klarinette.

      »Nein, nein!«, wehrte Jürgen schnell ab. »Das ist auf jeden Fall euer Verdienst, ihr habt sehr schön gespielt! Aber sagt mal, wieso seid ihr um diese Zeit eigentlich nicht in der Schule?«

      »Unsere Orchesterprobe ist ausgefallen. Und da haben wir gedacht, wir könnten ein bisschen Straßenmusik machen.«

      »Das war eine sehr gute Idee!«, sagte Martin. »Das fördert die Weihnachtsstimmung auf dem Weihnachtsmarkt und das wiederum fördert den Umsatz. Deswegen bekommt ihr etwas von uns.« Er holte sein Portemonnaie aus seiner Hosentasche und auch die anderen ließen sich nicht lumpen. Artig bedankten sich die vier und das Mädchen mit der Querflöte meinte: »Das machen wir noch mal!«

      »Ja, aber vielleicht besser am Nachmittag, wenn mehr los ist«, riet Lilly.

      »Gute Idee, dann haben wir auch mehr Zeit. Apropos Zeit.« Der Blick der Musikerin wanderte zu der Rathausuhr. »Unser Bus kommt in fünf Minuten!« Hektisch packten sie ihre Instrumente ein, verabschiedeten sich eilig und rannten mit wehenden Schals in Richtung Bushaltestelle.

      Jürgen sah ihnen nach. »Ich muss dann auch mal wieder.« Er wandte sich zum Gehen, doch Lilly hielt ihn auf. »Warte! Hast du ihnen da so viel reingelegt?«

      »Na ja, ein bisschen was, ich fand, man sollte sie unterstützen. Aber es war nicht alles von mir. Ich habe auch einige Kollegen gesehen, die etwas hineingelegt haben. Aber ...« Jürgen unterbrach sich. »Vielleicht ...« Begann er, nestelte an seinem Mantel und holte aus der Innentasche eine Papierrolle. Einen Moment drehte er sie unschlüssig in seinen Händen, schließlich reichte er Lilly die Rolle. »Vielleicht kannst du ja doch etwas damit anfangen.« Er nickte den beiden anderen zu und ging schnellen Schrittes, ohne weiteren Gruß, davon.

      Verdutzt schaute Lilly ihm hinterher und entrollte dann langsam das Papier. Eine ganze Weile starrte sie darauf. Nachdenklich begann sie vor sich hin zu summen, sie lächelte. »Bis später«, murmelte sie und ging leise singend zu ihrem Stand zurück.

      Martin und Franzi guckten sich an. »Was war das jetzt?«, fragte Martin. Franzi zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung!«

      Martin stellte den Metallzaun um seine Bäume und mühte sich, die letzten Elemente mit einem Vorhangschloss zu verbinden. Endlich schnappte das rostige, alte Schloss ein – da waren dringend ein paar Tropfen Öl nötig. Aber nicht heute Abend. Er steckte den Schlüssel in die Hosentasche, schwang seinen Rucksack über die Schulter und beeilte sich, zu Franzi zu kommen. Die war zwar noch dabei ihren Stand zu schließen, aber eigentlich war sie schon auf dem Sprung. Sie war mit Carla verabredet und die wartete schon ungeduldig. Sobald die letzte Luke geschlossen war, wünschten Franzi und Carla Martin einen schönen Abend und zogen ohne ihn los.

      Enttäuscht schaute Martin ihnen nach. Sie hatten ihn kaum beachtet und nicht gefragt, ob er vielleicht Lust hätte mitzukommen. Er zog seine Mütze tiefer ins Gesicht, er hatte das Gefühl, es wurde immer kälter. Erst wollte er noch einen Abstecher in einen Supermarkt machen, um sich etwas zum Kochen zu besorgen, entschied sich dann aber dagegen. Er sprang auf dem Weg nur schnell in einen Bäcker und kaufte zwei belegte Brötchen.

      Die Wohnung war kalt und verlassen. Der Freund, der Martin sein WG-Zimmer überlassen hatte, absolvierte ein Auslandssemester, sein Mitbewohner hatte das Semester abgekürzt und war bereits zu seinen Eltern irgendwo in Süddeutschland gefahren.

      Martin drehte die Heizung ein bisschen weiter auf, was nicht viel brachte, denn das Kälteste in dieser Wohnung war der komplett und scheußlich gekachelte Boden. Die ganze Wohnung hatte absolut nichts Anheimelndes. Männer haben nur selten die Gabe, es sich wirklich gemütlich zu machen, und die beiden Bewohner dieser Wohnung hatten sie definitiv nicht.

      Mit seinen Brötchen setzte Martin sich an den grauen Resopal Küchentisch. Aus dem einen Brötchen hing ein trauriges, schlaffes Salatblatt und aus dem anderen guckte eine an den Rändern angetrocknete Käsescheibe. Die Brötchen waren genauso trostlos wie die Wohnung, der ganze Abend und ... War echt eine super Idee gewesen, hier Weihnachtsbäume zu verkaufen, dachte Martin.

      Aber mit den Brötchen im Magen (sie hatten besser geschmeckt, als sie aussahen) und nachdem er das Geld in seiner Kasse gezählt hatte, sah die Welt schon wieder ein bisschen besser aus. - Schluss mit dem Selbstmitleid. Es war doch eigentlich ganz gut gelaufen die letzten Tage. Er holte sein Handy aus der Tasche, starrte einen Moment auf das Display – seufzte und wählte.

      Sein Vater war ziemlich schnell am Telefon. »Lindhöft!«

      »Hallo Vaddern, du am Telefon? Ist Mama gar nicht da?«

      »Nee, hörst du doch. Was wolltest du denn von Ihr?«

      »Ach nichts, nur weil sie sonst immer ans Telefon geht.«

      »Ja, sie ist nicht da. Soll ich ihr etwas ausrichten?«

      »Nö, ich wollte eigentlich nur mal berichten, dass es jetzt ganz gut läuft mit den Weihnachtsbäumen, ich habe schon eine ganze Menge verkauft und ...«

      Sein Vater unterbrach ihn. »Ja schön, ich muss jetzt Schluss machen, ich habe im Moment andere Sorgen.«

      Martin hörte Gemurmel im Hintergrund und im nächsten Augenblick hatte sein Vater auch schon aufgelegt.

      Verdutzt starrte Martin auf sein Handy. Was war das jetzt wieder? Okay, er verstand sich momentan nicht wirklich gut mit seinem Vater, aber so hatte er sich noch nie verhalten.

      Das Verhältnis zu seinem Vater war eigentlich erst seit der ganzen Weihnachtsbaumgeschichte so mies. Vorher hatten sie ihre Meinungsverschiedenheiten gehabt, aber immer miteinander reden können. Doch seit Martin die Weihnachtsbaumschonung von seinem Großvater geerbt hatte, hatte er das Gefühl kein vernünftiges Wort mehr mit seinem Vater wechseln zu können. Wie hatte bloß diese völlig verfahrene Situation entstehen können? Martin starrte auf die geschmacklose Tapete. Wie konnten sich zwei erwachsene Männer nur mit so etwas in der Wohnung abfinden?

      Mist, dachte Martin, jetzt habe ich vergessen, ihn zu fragen, ob er mir Nachschub bringen