Myriam Schenke

Franzis merry little Christmas


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      Franzi holte einen weiteren Becher aus dem Regal, füllte ihn mit Kaffee und sagte dabei zu Martin: »Darf ich vorstellen, das ist Lilly.«

      »Hi Lilly!«, sagte Martin.

      »Hi!«, erwiderte Lilly, sie musterte ihn nicht uninteressiert.

      Franzi guckte von einem zum anderen. »Lilly hat mal mit uns zusammen studiert, deswegen meint sie, ihre ätzenden Kommentare abgeben zu können.«

      »Richtig. Und ich bin heilfroh, aus diesem Kleckstempel der Eitelkeiten entkommen zu sein.«

      »Jetzt versucht sie sich im Musikgewerbe, was ja völlig von Eitelkeiten befreit ist.«

      Lilly streckte Franzi die Zunge raus. Die grinste nur, sagte dann aber zu Martin: »Lilly hat eine fantastische Stimme und ihre Band ist wirklich klasse! Eigentlich warten sie nur noch auf den großen Durchbruch.«

      »Na ja«, Lilly wiegelte ab. »Um bei der Wahrheit zu bleiben: Wir tingeln von Hochzeit zu Hochzeit, auf der Karriereleiter knapp über dem Alleinunterhalter mit Hammond-Orgel.«

      »Aber das klingt doch spannend«, sagte Martin. »Was spielt ihr denn für Musik?«

      »Ach, so eine richtige Richtung haben wir eigentlich gar nicht. Ein bisschen Soul, R & B und – na ja, wenn ich ehrlich bin, sind unsere eigenen Stücke erstens rar und zweitens nicht sehr gefragt. Meistens covern wir halt. Aber wir arbeiten an neuen Songs. Und im Moment sind wir, glaube ich, auf einem ganz guten Weg. Allerdings brauchen wir alle noch unsere Brotjobs und deswegen steh ich mir hier auf dem Weihnachtsmarkt die Beine in den Bauch.«

      »Sie ist unser Glitzerengel.«, warf Franzi ein. »Jedes Jahr kommt ein neues glitzerndes Produkt hinzu. Glitzerkerzen, Glitzersterne, Glitzer...«

      »Glitzerkugeln«, vollendete Martin den Satz.

      Verwundert schauten Franzi und Lilly ihn an. Er grinste und deutete auf Lillys Hut, auf dem sie ca. ein Dutzend glitzernde Kugeln drapiert hatte. Lachend sagte Lilly zu Franzi: »Das ist ja ein echter Blitzkneisser!« Die antwortete trocken: »Na ja, er wollte Weihnachtsbäume an der Tankstelle verkaufen, das fand ich jetzt nicht so pfiffig.«

      »Ach, du bist das mit den Weihnachtsbäumen.«

      »Genau, ich bin der Trottel.«

      »Ach was«, sagte Lilly. »Ein bisschen naiv vielleicht. Aber sag mal, wie hat dir denn unser Weihnachtsbaummann gefallen?«

      »Ihr habt Waldemar so schön geschmückt?!« Lächelnd sah er von Lilly zu Franzi – und Lilly beobachtete seinen Blick. »Er, also Waldemar hat noch eine Nase und einen Schal bekommen und passt jetzt auf den Stand auf, wenn ich nicht da bin.«, sagte Martin.

      »Waldemar, wie wunderbar!«, trällerte Lilly. Schwungvoll drehte sie sich und griff nach dem Zuckerstreuer. »Upps!« Sie prallte mit einem großen, äußerst gediegen gekleideten Mann zusammen. »Jürgen! Was schleichst du dich denn so an? Ich habe einen richtigen Schreck gekriegt.« Was man ihr allerdings keineswegs anmerkte. Jürgen hingegen, sah ziemlich verschreckt aus. »Entschuldige!«, murmelte er und klopfte sich verstohlen den Zucker von seinem eleganten, anthrazitfarbenen Wollmantel. Dann erst nahm er Martin und Franzi richtig war. Er schüttelte Martin förmlich die Hand. »Guten Morgen! Jürgen Simmerlich«, stellte er sich vor.

      »Äh, hallo, Martin«, sagte Martin.

      »Schön, äh, nett sie, äh, dich kennenzulernen.« Verlegen wandte Jürgen Simmerlich, sich an Franzi: »Franzi, könnte ich bitte einen Kaffee bekommen?«

      »Gerne! Wie immer mit Milch und Zucker?« Franzi hatte den Becher schon in der Hand, als Lilly sich einmischte. »Ach, Kaffee kannst du auch nachher noch trinken. Du wolltest mir doch mit der Vitrine helfen. Und ...« Sie sah auf eine imaginäre Uhr am Handgelenk. »Es ist schon verdammt spät!« Ungeduldig trippelte sie auf der Stelle. »Kommst du?«

      »Ja klar, ich komme.« Er wollte schon hinter Lilly hereilen, drehte sich aber doch noch mal um und lächelte entschuldigend. »Es tut mir leid! Kann ich vielleicht später ...« Was er hatte sagen wollen, blieb offen. Lilly ließ ihm keine Zeit für weitere Erklärungen. Sie zog ihn einfach hinter sich her und quasselte auf ihn ein.

      »Wer war das jetzt?«, fragte Martin, während er den beiden nachsah.

      »Das war Jürgen, Lillys Schatten. Sie nutzt ihn von vorne bis hinten aus, und er scheint es auch noch zu genießen. In der Bank, in der er arbeitet, nennen sie ihn schon Glitzi, weil er sich andauernd etwas von Lillys Aura einfängt. Dabei ist er ein ziemlich hohes Tier und ein ganz Schlauer.« Erklärend fügte sie hinzu: »Der Freund meines Mitbewohners kennt ihn recht gut, sie haben geschäftlich oft miteinander zu tun.«

      »Na ja, allzu unglücklich sah er nicht aus. Jeder wie er mag.«, sagte Martin.

      »Da hast du recht.« Franzi räumte die leeren Kaffeebecher weg. »Apropos, ich mag zwar nicht, aber ich muss mich jetzt um meine Erbsensuppe kümmern. Komm doch nachher auf einen Teller vorbei.«

      »Gerne!« Martin schluckte. »Ich glaube, ich sollte mal nach meinen Bäumen schauen.« Er versuchte noch, einen Blick von Franzi zu erhaschen, doch die war bereits hinter der Theke abgetaucht. Nicht gerade enthusiastisch machte Martin sich auf den Weg. Doch kaum war er um Franzis Stand herumgegangen, sah er mehrere Leute mit Tannenbäumen im Schlepptau, die sich schon ungeduldig umsahen, und er beeilte sich zu seinem Stand zu kommen.

      Den ganzen restlichen Tag hatte Martin fast ununterbrochen zu tun. Er stellte Bäume auf und wieder zurück, drehte sie, passte Ständer an, beriet, verschnürte und verpackte ... Erst am Abend, als bei den ersten Weihnachtsmarktständen schon die Klappen heruntergelassen wurden, ließ der Kundenansturm nach. Fast ein bisschen ungläubig, aber sehr begeistert zählte er das Geld in seiner Kasse.

      Mit einem solchen Ansturm gleich am ersten Tag hatte er in seinen kühnsten Träumen nicht gerechnet. Sein Vorrat an Bäumen war allerdings auch sichtlich geplündert. Etwas Nachschub hatte er noch auf seinem Transporter, aber wenn das so weiter ginge, würde er in wenigen Tagen neue Bäume holen müssen.

      »Und? Wie ist es gelaufen?« Franzi hatte ihren Stand bereits geschlossen und wollte kurz horchen, wie es Martin ergangen war.

      »Super! Wenn es weiterhin so gut läuft, wird der gute Waldemar auch noch dran glauben müssen. Ich hatte heute schon Kunden, die nach ihm geschielt haben.«

      »Untersteh dich! Dann wirst du wieder zur Tanke verbannt!« Schützend stellte sich Franzi vor den stacheligen Mann. Dabei fiel ihr wieder die grellbunte, unförmige Mütze auf. Sie tippte an den großen, neongrünen Bommel. »Die ist aber schon speziell«, sagte sie.

      »Ja, da hast du sicher recht.« Martin grinste. »Ich habe sie von meinen Nichten bekommen, damit ich nicht friere, wenn ich in der Kälte Weihnachtsbäume verkaufe.«

      »Ach, das ist ja süß!«

      »Ja, find ich auch. Aber Waldemar steht sie viel besser als mir.« Er fügte hinzu: »Sie kratzt leider ganz fürchterlich. Doch ich fürchte, ich muss sie wieder aufsetzen, wenn ich Weihnachten zu Haus bin.«

      »Wie wäre es, wenn du deinen Nichten ein Foto von Waldemar schickst und ...« Ein kleiner, perfekter Schneekristall, der auf ihrem Ärmel landete, lenkte sie ab. Es landete noch einer und noch einer und dann waren es nicht mehr einzelne Kristalle, sondern kleine glitzernde Kristallhäufchen. Franzi ließ ihren Kopf in den Nacken fallen und blickte zum Himmel hinauf. Dicke weiße Flocken flogen ihr entgegen, schmolzen in ihrem Gesicht und hinterließen kleine Wassertröpfchen. »Endlich, es schneit!« Sie strahlte. »Ist das nicht schön!«

      Er lachte. »Ja!« Martin fand nicht nur die winzigen, weißen Sterne in ihren Locken wunderschön.

      Auf einmal war Franzi gar nicht mehr müde und verschwendete auch keinen Gedanken mehr an die Arbeit, die sie sich für diesen Abend vorgenommen hatte.

      »Komm, lass uns zu Fuß gehen«, sagte sie. »So weit ist es nicht und ich habe keine Lust auf die überfüllten Busse.« Wie ein kleines Kind konnte sie vor lauter Freude nicht