Ewa A.

Schicksalsnetz - Ein romantischer Episodenroman


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Sobald sie Zeit hat.“

      Innerlich schüttelte Tim den Kopf über sich. Wie sollte er das nur wieder bewerkstelligen? Zumindest hatte er sich Elizabeth vom Hals geschafft. Vorerst.

      Widerwillig folgte er ihr die Treppe hinab, wo sie bereits aus dem Flur hinaus rufend ihren Mann informierte.

      „Liebling, ich habe Tim gefunden. Er hatte sich doch tatsächlich verlaufen. Stell dir vor, was er mir soeben gestanden hat. Demnächst wird er uns eine junge Frau vorstellen, seine Verlobte. Ist das nicht wundervoll?“

      Tim setzte sein glücklichstes, gefaktes Lächeln auf, als er das Esszimmer betrat. Der Teufel sollte sie holen, allesamt.

      Kapitel 2

       Während wir unsere Pläne schmieden, zeigt das Leben uns den Mittelfinger

      Es dämmerte und auf den Dächern der Autos, die auf dem Krankenhausparkplatz standen, spiegelte sich das rote Licht des Sonnenuntergangs. Diana Clarkson stand am Fenster ihres Krankenzimmers und betrachtete traurig das gewaltige Farbenspiel am Abendhimmel.

      Sie fühlte sich leer und unendlich erschöpft. Nichts schien mehr einen Sinn zu haben. Die Tränen waren ihr ausgegangen, denn die letzten zwei Tage hatte sie nichts anderes getan als zu weinen. Immer und immer wieder fragte sie sich, wie er später einmal ausgesehen hätte? Was aus ihm geworden wäre? Aus ihrem Sohn. Den sie verloren hatte. Dem ein Leben verwehrt worden war, das sie ihm so gern geschenkt hätte. Einen Sohn, den sie zu Anfang nicht wirklich gewollt hatte.

      Der Schmerz in Dianas Brust engte sie ein, wurde immer mächtiger und mächtiger, erdrückte sie schier mit unfassbarer Last, bis sie glaubte zu ersticken. Nur mit größter Anstrengung gelang es der jungen Frau sich zu beruhigen und tief durchzuatmen.

      Sie hatte ihre Sachen gerade eben gepackt. Die Ärzte hatten ihr erlaubt nach Hause zu gehen, eigentlich erst morgen früh, aber sie hielt es an diesem Ort nicht mehr länger aus. Alles in diesem Raum erinnerte sie an die Fehlgeburt, an ihren Verlust, ihr Versagen. Als vor drei Tagen die leichten Blutungen bei ihr eingesetzt hatten, war sie alarmiert gewesen. Gleich nach der Arbeit wollte sie zu ihrem Frauenarzt gehen, aber dazu kam es nicht mehr. Noch während sie die Tische im Restaurant bediente, hatten die Unterleibsschmerzen angefangen, die so stark wurden, dass ihr das Tablett aus den Händen gefallen war und sie sich schreiend auf dem Boden gekrümmt hatte. Lou, ihr Chef, fuhr sie dann sogleich in die Klinik, wo sie unter Schmerzen und Tränen eine Fehlgeburt hatte. Quaid, ihren Freund, hatte Lou nicht erreicht, er kam erst am Tag darauf zu ihr ins Hospital.

      Um sich nicht vom Lernen ablenken zu lassen, hatte Quaid wie gewöhnlich sein Handy und das Telefon abgestellt. Über seinen Lernsachen war er schließlich eingeschlafen. Erst am nächsten Morgen, als er alleine in der Wohnung erwacht war, hatte er voller Sorge bei Lou angerufen, der ihm schonend beibringen musste, dass er sein ungeborenes Kind verloren habe. Bestürzt und beladen mit Schuldgefühlen war Quaid bei ihr eingetroffen. Gemeinsam hatten sie um ihren Sohn getrauert, doch Quaid, der mittendrin in seinen letzten Prüfungen von seinem Zahnarztstudium stand, durfte sich nicht völlig gehen lassen. Sie bewunderte ihn für seine Stärke und Selbstdisziplin, die er an den Tag legte. Deprimiert, aber zuversichtlich und ihr Mut zusprechend, hatte er sich von ihr verabschiedet, um seine kommende Prüfung zu bestehen.

      Diana wusste, dass Quaid am folgenden Tag eine weitere Prüfung bevorstand, weswegen er hatte lernen müssen und sie wieder nicht besuchen konnte. Als die Ärzte nun grünes Licht gaben, wollte sie nicht mehr länger warten, denn nur bei Quaid Zuhause würde sie Trost finden.

      Sachte klopfte es an die Tür und im nächsten Moment kam die blonde Krankenschwester herein, welche Diana die letzten Tage betreut hatte. Freundlich lächelte sie Diana zu.

      „Mrs. Clarkson, der Doktor kommt gleich. Er bringt Ihnen Medikamente und händigt Ihnen den Bericht für den Frauenarzt aus.“

      Verhalten nickte Diana und ihre blauen Augen glänzten feucht.

      Christina, die Krankenschwester, hatte schon viele Patientinnen betreut, die ihr Kind verloren hatten, aber dieser brachte sie besonders viel Empathie entgegen. Zum einen, weil die Frau laut den Unterlagen vierundzwanzig war, genauso alt war wie sie selbst und zum anderen, weil ihr Freund, dieser Quaid, schon wieder nicht da war. Nicht mal in der Nacht der Fehlgeburt war er aufgetaucht, erst gestern hatte sie ihn zu Gesicht bekommen und heute glänzte der Typ abermals durch Abwesenheit.

      Der Doktor betrat das Zimmer und während er mit Diana sprach, zog Christina die Wäsche vom Bett ab.

      „Mrs. Clarkson, leider muss ich Ihnen mitteilen, dass die Untersuchungen ergaben, dass die Fehlgeburt durch eine Infektion ausgelöst wurde. Sie müssen Antibiotika einnehmen.“

      Er reichte Diana eine Medikamentenschachtel, die diese überrascht entgegen nahm.

      „Was für eine Infektion? Ich dachte durch den Stress mit den zwei Jobs, dass …“

      Der Arzt unterbrach sie sanft. „Stress kann, muss aber nicht unbedingt eine Fehlgeburt auslösen. In Ihrem Fall … wurde sie eher durch die Chlamydien ausgelöst. Eine bakterielle Erkrankung.“

      Diana war schockiert. Nichts davon hatte sie gespürt, bis die Blutungen einsetzten. „Wie ist das möglich? Wo hab ich mir diese Infektion eingefangen?“

      „Die Bakterien übertragen sich per Schmierinfektion, also beim Toilettengang, oder, und das passiert am häufigsten, per Geschlechtsverkehr. Ihr Partner sollte sich ebenfalls untersuchen lassen. Zu Beginn Ihrer Schwangerschaft wurde ein Test durchgeführt, der negativ war, daher können sie davon ausgehen, dass Sie sich innerhalb der letzten zwei bis sechs Wochen angesteckt haben. Wenn Ihr Körper sich genügend erholt hat, können sie wieder probieren schwanger zu werden.“

      Diana war erleichtert, so furchtbar es auch klang, aber das hieß, dass sie nicht wirklich die Schuld an der Fehlgeburt trug, dass sich nicht versagt hatte, oder unfähig war Mutter zu werden, sondern nur, dass sie unsägliches Pech gehabt hatte. Das Pech sich ein Infekt einzufangen, vermutlich im Restaurant, wo sie bediente. Sie hatte zwei Arbeitsstellen, denen sie nachgehen musste, um genügend Geld für Quaid und sich zu verdienen. Zu Beginn, als sie erfahren hatte, dass sie schwanger war, war sie nicht glücklich darüber gewesen. Fürchterliche Angst hatte sie gehabt. Zwei Jobs, ein Freund, der studierte, und dann noch ein Kind waren ihr wie ein riesiger Berg vorgekommen, den sie nicht glaubte bezwingen zu können. Erst als sie es Quaid gebeichtet hatte, dieser fröhlich lachte und von ihrer gemeinsamen Zukunft zu dritt schwärmte, konnte sie sich über das Leben freuen, das in ihr heranwuchs. Umso schuldiger hatte sie sich nach der Fehlgeburt gefühlt. Doch nun wusste sie, dass diese Bakterien ihr den Sohn genommen haben, den sie mit jedem Tag mehr geliebt hatte.

      Christina hatte alles mitangehört und war zutiefst betroffen. Die arme Frau. Eine Fehlgeburt in der zwanzigsten Woche, zwei Arbeitsplätze, ein Freund, der nie bei ihr war und dann noch Chlamydien.

      Der Doktor verabschiedete sich und Christina wollte etwas tun, was sie bisher noch nie getan hatte. „Sie werden von Ihrem Freund abgeholt?“ Ein leichtes Kopfschütteln war Dianas Antwort, was Christina befürchtet hatte. „Ich habe gleich Schluss, dann fahr ich Sie nach Hause.“

      Verschämt blickte Diana zu Boden. „Nein das brauchen Sie nicht. Ich fahre mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause, das ist nicht weiter schlimm.“

      „Wie lange sind Sie dann unterwegs? Eine, eineinhalb Stunden? Es geht doch viel schneller, wenn ich Sie fahre. Ich mach das gern, wirklich.“ Christinas grüne Augen waren so offen und freundlich, dass Diana schließlich zustimmte.

      „Vielen Dank nochmal Christina, das war wirklich wahnsinnig nett von dir. Auf wiedersehen.“

      „Kein Ding. War schön dich kennenzulernen, Diana. Ich wünsche dir für die Zukunft alles Gute. Bye“, sagte die Krankenschwester mit einem breiten Lächeln.

      Diana warf die Autotür zu und beobachtete wie Christinas Wagen im Londoner Abendverkehr unterging. Die Heimfahrt war tatsächlich um einiges schneller gegangen als