Ewa A.

Schicksalsnetz - Ein romantischer Episodenroman


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glänzten. Ihre Haarfarbe war hinreißend und sie kam ihm vertraut vor. Warum?

      Als sie die Tür zugeschlagen hatte, fragte der Taxifahrer „Gehören Sie zusammen?“, weshalb die Frau plötzlich aufsah, um dann neben sich zu schauen. Daraufhin erschrak sie heftig und zuckte gleich danach nochmals unmerklich zusammen.

      Mark saß wie gebannt da, denn als er endlich das Gesicht der Frau sehen konnte, war ihm, als hätte der Wind seinen Kopf leergefegt. Nichts war mehr in seinen Gehirngängen vorhanden, nur diese großen Reh-Augen und dieser kleine, herrliche Mund vor ihm schienen zu existieren. Eine Millisekunde später, als er ihr Gesicht zur Gänze wahrnahm, mit der hohen Stirn und der Stupsnase, erkannte er sie: Jenny Fennwick.

      Sie war dabei das Auto wieder zu verlassen und stammelte. „Oh, Verzeihung. Ich … ich dachte, das Taxi wäre noch frei.“

      „Jenny?“, unterbrach Mark sie und wollte sie schon am Handgelenk festhalten, was er dann aber bleiben ließ, weil sie plötzlich laut ausatmend, wie festgefroren wirkte.

      Erschlagen sank sie in die Polsterung des Sitzes zurück. Mit einem höflichen aber zugleich abweisenden Grinsen, das alles andere als natürlich schien, sprach sie seinen Namen aus.

      „Mark!“

      Es klang weder wie eine Frage noch wie eine Feststellung, sondern eher nach einem Vorwurf. Mark schloss daraus, dass sie ihn erkannt hatte, bevor er überhaupt ahnte, wer sie war. Aber warum wäre sie wieder ausgestiegen, ohne sich ihm erkennen gegeben zu haben? Weshalb war sie so unfreundlich? Das war ihm schleierhaft. Ach, er würde einfach nicht darauf eingehen.

      „Gott, Jenny. Wir haben uns ja schon ewig nicht mehr gesehen.“

      Jenny lächelte zwar, aber sie brachte es fertig, dabei ganz und gar nicht glücklich auszusehen.

      „Ja, eine Ewigkeit“, bestätigte sie trocken.

      „Was ist, gehören Sie zusammen oder nicht?“, fuhr der Taxifahrer laut dazwischen.

      „Ja, wir gehören zusammen“, sagte Mark, während Jenny zeitgleich antwortete.

      „Nein, tun wir nicht.“

      Worauf sie sich beide überrascht anschauten und der Taxifahrer noch verärgerter wurde und abermals ungeduldig fragte:

      „Na was denn jetzt?“

      „Ja!“

      „Nein!“, antwortete jeder von ihnen prompt.

      Ungehalten schüttelte der Fahrer den Kopf. „Also mir ist es scheißegal, ob Sie zusammengehören. Sagen Sie mir nur, wo ich als erstes hinfahren soll.“

      Mit angehobenen Brauen und einer Geste, die Jenny andeutete, ihr Ziel anzugeben, meinte Mark: „Teilen wir uns das Taxi. Du zuerst.“

      Als wäre es ihr zuwider, gab Jenny schnaufend die Adresse an.

      „Na, geht doch“, murmelte Mark amüsiert und schaute wachsam zu, wie Jenny, soweit es ihr auf der Sitzbank möglich war, von ihm abrückte. Geziert strich sie ihren Rock glatt, was gar nicht nötig gewesen wäre, und setzte sich in angespannter Haltung aufrecht, als hätte sie einen Stock verschluckt.

      Himmel, war sie schön geworden, die kleine Jenny. Damals war sie schon hübsch, aber jetzt war sie atemberaubend. Leider auch etwas zickig und spießig, wie es den Anschein hatte. Im Gegensatz zu früher, wo sie ein wilder Schlingel war, zu jedem Spaß und Unfug bereit. Was war nur in der Zwischenzeit passiert?

      „Wie lange ist es her, als wir uns das letzte Mal gesehen haben?“, fragte Mark und bestaunte Jenny immer noch nebenher.

      „Acht Jahre“, antwortete diese, ohne nur einen Moment nachzudenken, worauf Mark sie verdutzt ansah. Zuerst guckte Jenny erschrocken vor sich hin, um dann mit einem ertappten Gesichtsausdruck, Mark ein unglaubwürdiges „Schätze ich!“ an den Kopf zu werfen.

      Zu schnell war ihre vorige Antwort gekommen und zu seltsam war ihre Reaktion auf ihn, als dass er ihr die Aussage abkaufte. Nein, ihr Verhalten sagte ihm, dass er Gefühle in ihr auslöste, die Frage war nur welche? Sie wären schon einmal fast ein Paar geworden, aber damals war er nicht wirklich an ihr interessiert gewesen, aber heute … umso mehr. Ja, heute war er Gott froh, dass er mit Garrett seine Schicht getauscht hatte. Irina, sein Schwester, hatte heute geheiratet und er war ihr Trauzeuge gewesen. Deshalb hatte er mit Garrett, der als einziger übergeblieben war, die Spätschicht getauscht. Denn nach dem langen Tag, der anstrengenden Feier, dem guten Essen und den vielen Drinks war eine Nachtschicht auf der Feuerwache gar nicht in Frage gekommen. Außerdem konnte und wollte er den glücklichsten Tag seines Schwesterherzes nicht verpassen. Und wie sich nun herausstellte, war nicht nur die Trauung ein guter Grund gewesen den Schichtplan zu verändern, sondern auch dieses Treffen hier, das eine Herausforderung für ihn darstellte, der er nicht widerstehen konnte. Wieso stellte sich die süße Jenny so an? Sie hatte ihn früher doch gemocht, was war denn nur in sie gefahren? Lillian, eine gemeinsame Bekannte, hatte vor Jahren gesagt, dass Jenny ihn nicht mochte, aber er hatte das nie richtig glauben können. Wieso auch, er hatte ihr doch nichts getan. Nicht dass er wüsste.

      Kapitel 5

       Nur wenn wir den Kopf verlieren, finden wir unser Herz

      Jenny Fennwick konnte nicht glauben, dass man so viel Pech an einem Abend haben konnte. Angefangen hatte es damit, dass sie viel zu spät aus dem Büro rausgekommen war, weil ständig das Telefon geklingelt hatte. Sie war die Assistentin der Marketingleiterin in einer kleinen, aber exquisiten Kosmetikfirma. Das Unternehmen gab es noch nicht allzu lange, deswegen war ihr Budget begrenzt und sie machten ihre Werbung selbst. Eine Werbeagentur zu beauftragen konnten sie sich noch nicht leisten. Außerdem hatte die Firmeninhaberin ganz besondere Wünsche und Ansichten, was das Marketing für ihre Produkte betraf, weshalb sie das lieber von ihren eigenen Leuten ausführen ließ. Die Idee, die Fotos im alten, zum Teil renovierten, Villenviertel von London zu machen, kam von der Chefin persönlich. Es sollte die neue Werbekampagne für die Winterkollektion werden und Jenny musste vor Ort überprüfen, ob sich die Location dafür eignen würde. Deswegen hatte sie sich mit einer Villenbesitzerin getroffen, die ihr Anwesen zur Verfügung stellen wollte.

      Natürlich war sie zu spät zu dem Treffen erschienen, was aber kein Problem war, da die Hauseigentümerin eine freundliche, ältere Dame war. Das Gebäude stellte sich als optimales Objekt heraus, da es über einen kleinen Garten verfügte, was noch mehr Möglichkeiten für Außenaufnahmen bot. Aber das war nicht ihr letzter Termin an diesem Tag, denn am Abend wollte sie sich zudem mit ihrer langjährigen Freundin Lillian treffen.

      Lillian und ihr Mann Emerald waren als einzige Freunde aus der alten Clique von früher übrig geblieben, mit denen sie nach wie vor in Kontakt stand. Sie wollte von dem Viertel aus gleich zu ihren Freunden fahren, aber dann krallte sich so ein Hirni vor ihren Augen das freie Taxi, auf welches sie mindestens fünf Minuten gewartete hatte. Hätte sie Marie nicht getroffen, die ihr dieses Taxi gezeigt hatte, würde sie immer noch auf dem Bürgersteig stehen und warten. Doch ehrlich gesagt, wäre ihr das jetzt lieber als hier, neben ihm, zu sitzen. Unglaublich! Es gab doch bestimmt hunderte von Taxis in London, aber ausgerechnet hier in seinem musste sie landen.

      Zuerst hatte sie gar nicht gecheckt, dass jemand in dem Wagen saß. Erst als der Fahrer fragte, ob sie zusammen gehören würden, hatte sie begriffen, dass es bereits belegt war. Das war schon ein Schreck gewesen, aber als sie sah, wer dieser jemand war, wurde daraus ein Schock. Sie hatte gehofft, sie könnte aus dem Taxi flüchten, ohne von ihm erkannt zu werden. Doch das hatte er ihr zunichte gemacht. Solch ein Idiot! Hätte er nicht einfach die Klappe halten und weiterhin nur fantastisch aussehen können? Aber nein, es war ja nicht genug, dass er noch attraktiver als damals war. Nein, er musste auch noch fragen, wann sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Und sie dumme Kuh hatte schneller als der Schall geantwortet, was er leider bemerkt hatte. Seitdem grinste er nämlich dämlich vor sich hin. Wahrscheinlich glaubte er nun, sie hätte jeden einzelnen Tag gezählt, den sie ohne ihn verbracht hatte. Dabei zählte sie nur die Jahre, in denen sie sich nicht bis auf die Knochen blamiert hatte.