Stephanie Carle

Neubeginn


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konnten. Mit Detective Taylor gab es dazu wahrscheinlich keine Chance.

      „Einen wunderschönen, guten Morgen. Ich danke euch, dass ihr alle eure Arbeit liegen gelassen habt und zur Einführung unserer beiden neuen Kollegen erschienen seid“, sagte Hope und überlegte, ob Taylor die verallgemeinernde, informelle Anrede des gesamten Teams bereits schon als persönliche Beleidigung betrachtete. Jedenfalls würde sie darauf keine Rücksicht nehmen. Sie mochte ihm als Einzelperson den von ihm geforderten Respekt durch Nachnamensnennung entgegenbringen, aber hier waren sie ein Team, auf das sie sich verlassen musste und zu dem sie auch eine gewisse Beziehung aufbauen wollte. Deshalb konnte sie Taylors Sonderstatus in dieser Hinsicht kein Verständnis entgegenbringen.

      „Bevor ich große Reden schwinge, überlasse ich den zweien die Vorstellung ihrer Person selbst. Vorher fände ich es schön, wenn jeder von uns kurz etwas über sich selbst berichtet, damit unsere Kollegen einen kleinen Einblick in unser Team erhalten. Zum besseren Kennenlernen in ungezwungenerem Rahmen habe ich ein teaminternes Mittagessen unten im Bistro um zwölf Uhr veranschlagt. Adrian, darf ich dir das Wort als erstes übergeben?“

      „Selbstverständlich“, nickte Adrian und straffte den Rücken. „Ich bin Detective Adrian Glover und seit acht Jahren in der Abteilung für Kapitalverbrechen. Bisher habe ich immer mit meinem Partner Marc zusammengearbeitet; durch die aktuelle Umstrukturierung werde ich in nächster Zeit jedoch mit Grace im Team ermitteln.“

      „Grace bin ich“, verstand Grace Adrians Kopfnicken richtig. „Grace Packet.“

      „Oder Bambi, weil sie noch so jung ist“, zwinkerte Marc.

      Die rothaarige Detective lachte. „Oder Bambi. Gemeinsam mit unserem ehemaligen Kollegen Bertram Sand war ich unter anderem für die Zusammenarbeit mit der Justiz zuständig, was ich fortan als Hauptaufgabengebiet übernehmen werde. Und damit gebe ich weiter an den alten Marc.“

      „Touché“, sagte Marc. „Detective Marc Williams. Wir haben uns ja bereits eben kurz kennengelernt“, erklärte er mit einem Nicken in Richtung Luke Dorian, „und ich glaube, dass wir ein ziemlich gutes Team abgeben werden. Ich fürchte, viel mehr gibt es von mir gar nicht zu berichten. Mein Lebenslauf gleicht dem meines werten Kollegen Glover.“

      „Abgesehen davon, dass Marc mit unserer Gerichtsmedizinerin liiert ist“, warf Adrian ein. Alle lachten.

      Abgesehen von Taylor.

      „Luke?“, richtete Hope sich an den Jüngsten in der Runde.

      „Ich bin Luke Dorian“, begann der Aufgeforderte. „Noch nicht Detective, aber ich hoffe, mit euch im Team einer zu werden. Bisher war ich hauptsächlich auf dem Highway unterwegs. Verkehrskontrollen, Unfälle, auch die eine oder andere Polizeiverfolgung. Ich bin jetzt Ende zwanzig und damit in einem Alter, wo ich mich neu orientieren möchte.“

      „Ruhiger als auf der Straße geht es hier aber bestimmt auch nicht zu“, warnte ihn Marc.

      Luke grinste breit. „Das hoffe ich doch“, verkündete er.

      „Taylor“, kam Hope zum letzten Kollegen in der Runde.

      Der Angesprochene hob den Kopf und für den Bruchteil einer Sekunde hielt er ihren Blickkontakt, was in Hope undefinierbare Gefühle heraufbeschwor. Sie war regelrecht erleichtert, als er wieder seine stoische Miene aufsetzte und mit seiner Vorstellung begann. „Detective Christian Taylor. Ich habe in Milwaukee ebenfalls für die Abteilung für Gewalt- und Kapitalverbrechen gearbeitet, habe also bereits einige Jahre Erfahrung in der Sache.“ Kurz und bündig. Wie zu erwarten war.

      Wir werden ein absolutes Dream-Team, seufzte Hope, bemühte sich aber darum, ein heiteres Gesicht an den Tag zu legen.

      „Marc, wäre es für dich in Ordnung, wenn du unsere beiden neuen Kollegen durchs Präsidium führst? Chief Rice wäre bereit, sie gegen elf-dreißig persönlich zu begrüßen. Mache sie mit allen wichtigen Leuten bekannt.“

      „Klar – Boss“, sagte Marc und Hope registrierte die ungewollte Pause zwischen den beiden Worten. Luke wollte Detective werden, sie musste Captain werden. Boss wollte sie jedenfalls nicht sein. Das klang so böse und hatte einen überheblichen Beigeschmack. Nicht ihr Stil.

      „Grace, du könntest mir einen großen Gefallen tun, indem du mir beim Zusammentragen von Conrads persönlichen Sachen aus seinem Büro hilfst. Alles müsste in Kartons verpackt werden, damit seine Frau sie demnächst abholen kann.“

      „Selbstverständlich“, nickte Grace.

      „Ich hätte noch ein paar Berichte fertigzustellen…“, vermeldete Adrian kleinlaut.

      „Kein Problem. Dein nächster Termin ist erst für zwölf in der Cafeteria angesetzt“, beruhigte ihn Hope.

       Montag, 09. November, 16.30 Uhr

      Beim Lunch hatte Chris erfahren, dass Williams mit der – laut Erzählungen – superscharfen Leiterin der Rechtsmedizin Lynne Cooper zusammen war. Sein bisheriger Partner Glover war verlobt mit einer Frau, die in einem früheren Fall eine tragende Rolle gespielt haben musste; mehr wollten die Kollegen jedoch offenbar nicht preisgeben. Nicht, dass es ihn näher interessiert hätte. Es war nur so ungerecht, dass es bei allen anderen mit der Liebe funktionierte, während bei ihm…

      Er schluckte und verscheuchte den Gedanken, ehe er ihn zu Ende führen konnte.

      Es war Vergangenheit.

      Und er hatte schmerzlich gelernt, dass man an der Vergangenheit nichts ändern konnte.

      Menschen lernten aus ihren Fehlern, doch das half ihm in dieser Situation auch nicht weiter.

      Sie war weg.

      Und sie würde nie mehr zurückkehren.

      Jetzt hatte er den unliebsamen Gedanken doch weiterverfolgt. „Ach, scheiß drauf!“, schimpfte er laut und lenkte seinen Wagen mit quietschenden Reifen aus der Parklücke.

      Bambi-Grace war noch jung und unvergeben. Eigentlich hätte Detective Cromworth ihr den Jungspund Dorian als Partner zuweisen sollen. Die beiden hätten sicherlich nicht nur auf geschäftlicher Ebene prima harmoniert… Dann hätte er vielleicht das Glück gehabt, mit Glover zusammenarbeiten zu können.

      Stattdessen würde die Chefin persönlich sich seiner annehmen.

      Cromworth war eigentlich viel zu hübsch für diesen verhärmenden Job. Aber er war nicht hierhergekommen, um denselben Fehler noch einmal zu begehen. Er hatte sich geschworen auf Abstand zu gutaussehenden Frauen zu gehen, um nicht wieder derart leiden zu müssen wie in Milwaukee. Noch einmal könnte er das nicht ertragen.

      Chief Solomon Rice war, nach seiner ersten Einschätzung, ein absolutes Arschloch und Chris konnte dankbar dafür sein, dass er in seiner Position als einfacher Ermittler – wahrscheinlich abgesehen vom Zusammensitzen beim feierlichen Bankett zu Thanksgiving – nicht viel mit ihm zu tun haben würde.

      Der Technikfreak… Chris grübelte, bis er auf den Namen kam. Samuel Hollister. Einen wie ihn gab es wohl auch in jeder Polizeiwache. Die übrigen Personen, mit denen Williams ihn bekannt gemacht hatte, würde er nicht mehr auf die Reihe bekommen. Das brauchte Zeit.

      Wie so Vieles Zeit brauchte.

      Viel Zeit.

       Montag, 09. November, 16.45 Uhr

      Abgesehen von Adrian war das Großraumbüro leer, als Hope es betrat, um sich endgültig von ihrem alten, liebgewonnenen Schreibtisch zu verabschieden. Die übrigen hatten sich einen frühen Feierabend erlaubt, was ihnen nach den Strapazen der letzten Wochen absolut zustand. Die nächste Ermittlung würde nicht lange auf sich warten lassen und dann hieß es wieder Überstunden klopfen und Nachtschichten ackern.

      „Was hältst du von den beiden Neuen?“, fragte Adrian mit ehrlicher Direktheit.

      Hope hob die Schultern und ließ sich auf einem Stuhl neben ihm nieder. „Ich bin mir nicht sicher, ob sie in unser Team