Mirko Krumbach

Eine Frau - Ihr Leben und was sie dafür opferte


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eines langweiligen Autors von zahllosen Geschichten. Während sein Freund T., ein begnadeter Praktiker, sich ein abwechslungsreiches Leben, mit vielen erfolgreichen Geschäftsideen schuf.

      Aber nun sollte es endlich wieder soweit sein. Herr K. war ganz begierig zu erfahren, was T. für spannende Abenteuer erlebt hatte – vielleicht konnte er die eine oder andere aufregende Schilderung als Idee für ein neues Buch verwenden. Doch vor allem musste er unbedingt eine gerade fertig verfasst Geschichte mit seinem engsten Vertrauten besprechen. Zu diesem Zweck schien ihm ein längerer Aufenthalt von einigen Tage völlig angemessen. Der Autor konnte es sich dort, in dem viel gepriesenen Luxusleben, mal so richtig gut gehen lassen, bevor er zurück in seinem spartanischen Leben, neue Anekdoten ausbrütete.

      Aber auch T. hatte das dringende Bedürfnis einige seiner zahllosen Erlebnisse, der letzten Jahre, mit seinem besonderen Freund zu teilen. Und glücklicherweise hatte er in der Nähe des Hauptbahnhofs eine neue, sehr komfortable Bleibe gefunden!

      Bevor sich also Herr K. mit seinem alten, benzinbetriebenem Vehikel durch den rasant angestiegenen Autoverkehr quälte, stellte die Zugfahrt eine wesentlich angenehmere Art anzureisen dar. So vereinbarten beide kurzum, dieses lange vernachlässigte Massenverkehrsmittel zu nutzen, um bequem und sicher an T`s Wohnort zu gelangen.

      Insgeheim hegte Herr K. die vage Hoffnung, bei der bevorstehenden Bahnfahrt noch einige Ideen zu seinen neuen Geschichten ordnen und gefälliger formulieren zu können. Reichlich Gelegenheit zur Muse würde sich dem schüchterne Mann sicherlich bieten.

      Mittlerweile hatte der scheue Fahrgast die Örtlichkeit genau studiert und schaute nun verlegen im Abteil umher. Dabei zogen die nervösen Finger am Reißverschluss der Jacke herum. Prüfend tastete seine Hand nach der Bahnfahrkarte und fädelte sie griffbereit heraus.

      „Ich möchte vom Kontrolleur keineswegs überrascht werden und anfangen, in seiner Gegenwart hektisch nach dem Fahrschein zu suchen“, sprach er leise zu sich selber.

      Durch das leicht getönte Panoramafenster trafen ihn immer wieder flüchtige Blicke. Personen, die scheinbar zufällig an dem Abteil vorbeischlenderten und dabei ihre Neugier stillten – oder sie stierten einfach aus Langeweile hinein. Dieses aufdringliche Dreinschauen wurde K. lästig und es steigerte seine Unsicherheit jedes Mal aufs Neue. Aber irgendwann schaute er mit einer geschickt gespielten Gleichmut wieder zurück. Ein Lächeln kam ihm aber dabei nicht in den Sinn! Warum nur? Hatte er nach so langer Zeit wirklich verlernt freundlich und aufgeschlossen zu sein?

      Jedoch gab es auch zahlreiche Reisende, die hektisch zu ihrem Zug rannten, oder völlig gelangweilt zu Boden starrten. Sie waren in diesem Augenblick die angenehmsten Zeitgenossen, weil sie den schüchternen Mann keines einzigen Blickes würdigten!

      Die Unbeholfenheit stand Herrn K. schon deutlich im Gesicht geschrieben! Dabei wischte er immer wieder hartnäckige Schweißtropfen der Angst von seiner Stirn.

      „Man möchte sich doch vor Fremden keine Blöße geben“, säuselte er jedes Mal dazu leise.

      Seit einer gefühlten Ewigkeit unternahm der nervöse Herr mal wieder eine längere Bahnfahrt. Der anfänglichen Freude und großen Begeisterung war jetzt einem großen Unbehagen gewichen – und etliche Zweifel wurden zu seinen treuen Reisebegleitern. Sie ließen einfach nicht ab von dem verschlossenen, unbeholfenen Mann. Obwohl er sich immer wieder mit Worten und kleinen Handbewegungen Mut machte. Aber zu jedem ungewöhnlichen Anlass nährten weitere Zweifel unablässig seine Angst, vor dem modernen unbekannten, sich schnell weiterentwickelnden Leben. Einem aufmerksamen Beobachter wäre dieses sonderbare Verhalten bestimmt nicht entgangen und hätte sicher, hier oder dort, für einige Heiterkeit gesorgt.

      Es kostete Herrn K. wirklich große Anstrengung eine unbeschwerte Freude, gar Lässigkeit an die Umgebung auszustrahlen. Seinen wenigen Bewegungen mangelte es zudem an fließenden Übergängen. Die Körpersprache war statisch. Es fehlte ihr fast gänzlich an Ausdruck und Zuversicht – so wie es eine geschickte Orientierung in der Fremde, bei unbekannten Situation verlangen würde. Die zahlreichen neuen Eindrücke, in einer hektischen, modernen und sehr beweglichen Gesellschaft waren nun für ihn zu einer ungeahnten Herausforderung geworden. Kaum etwas war hierbei vertraut, noch selbstverständlich gewesen.

      Dennoch bei all seinem Unbehagen und der lästigen Unsicherheit stellte er beruhigt fest, dass Bahnhöfe ganz besondere Bauwerke darstellten. An diesen Orten fühlte sich der seltsame Autor unverständlicherweise wohl – trotz der vielen Leute und den ständig wechselnden Eindrücken.

      Jeden Tag treffen an diesen Punkten verschiedene Menschen auf engem Raum zusammen – Ankommende und Abfahrende, Schaulustige, Besucher, Händler, Einheimische, Fremde, Durchreisende und zahllose Mitarbeiter und Werktätige. Doch bleibt ihnen meist wenig Zeit zum Verweilen, da ein moderner Reisender oftmals in arger Zeitnot von einem Bahnsteig zum nächsten hetzt und dem eng getakteten Fahrplan scheinbar willig folgt.

      Bei Flughäfen gilt sicher das eben Genannte gleichermaßen! Doch sind diese Gebäude aus einer anderen Epoche. Sie verkörpern den Geist eines noch moderneren, schnelleren und aufwändigeren Lebensstils. Wer ein Flugzeug benutzt, möchte in noch fernere Gegenden reisen – ohne dabei einen großen Zeitverlust hinnehmen zu müssen.

      Dabei ist Reisen etwas wunderbares und eine richtige Kunst...

      Und Herr K. verlor sich erneut in nicht enden wollenden Gedanken, die er auch zu dieser Gelegenheit mit niemandem sonst teilen konnte. Am Ende seiner vielen Überlegungen formulierte er noch schnell einen guten Vorsatz:

      „Wenn ich es einrichten kann, ist ab jetzt die Bahn mein bevorzugtes Reiseverkehrsmittel. Es bleibt eine herrliche Art sich fort zu bewegen“!

      Wobei er aber zutiefst bedauerte, dass die Züge den Fahrgast nicht von zu Hause abholen... Aber das tun Flugzeuge nun mal auch nicht!

      Der Bahnsteig leerte sich, scheinbar von Geisterhand gesteuert, immer schneller und gab dabei eine klare, ungestörte Sicht auf die beeindruckende Konstruktion, sowie die Architektur einer längst vergangenen Epoche frei.

      Der Autor nutze den kurzen Augenblick, diese baulichen Leistungen alter Meister und begnadeter Konstrukteure auf sich wirken zu lassen. Hierbei lächelte er verzückt, als der Blick über kunstvoll verzierte Stahlträger glitt und an zahllosen, alten, verwitterten Glasscheibe entlangfuhr.

      „Was mir diese alten Baustoffe wohl berichten würden? Was für geschickte Hände sie in Form brachten?. Und durch welche weiteren Hände diese Teile, unter Schweiß und Muskelkraft, hier am Ort ihrer Bestimmung, gekonnt eingesetzt wurden?.. Menschliche Schicksale, Tragödien, vielleicht Unfälle, die sich unter ihnen, gar neben ihnen ereigneten – die sie fest eingefügt in ihren verschiedenen Position stoisch mitverfolgten... Und am Ende vielleicht entsetzt ihre Zerstörung und den anschließenden Wiederaufbau miterleben mussten“!

      Ja, Herr K. und seine nicht enden wollenden Gedanken. Diese konnten viele Mitmenschen zur ebenso endlosen Verzweiflung treiben!

      Von irgendwo auf dem Bahnsteig ertönte ein kurzes Pfeifsignal.

      Kurz darauf ein sanfter Schub, dann strebte der Zug, mit leisem Surren aus dem Bahnhof und ließ das hektische Treiben kurzerhand hinter sich. Mitsamt der vergangenen vierzig Minuten unbeschreiblichem Stress und Betriebsamkeit, welcher Herr K. ausgesetzt war, um in diesen Zug zu gelangen.

      Mit mäßiger Geschwindigkeit fädelte sich das Verkehrsmittel, geschickt durch ein undurchsichtiges Geflecht von Schienen, bis es schließlich auf freier Strecke seine Reisegeschwindigkeit deutlich erhöhte. Das gleichmäßige Dahingleiten beruhigte den gesamten Körper des Autors und zugleich inspirierte es seinen aufgebrachten Geist, welcher immer noch an der Architektur des Bahnhofs klebte. Aber die Tatsache sich mühelos und rasch fortzubewegen und hierbei die Umgebung, im Inneren wie außerhalb des Zugabteils, gelassen zu beobachten, war für den Mann ein herrliches und zugleich außergewöhnliches Vergnügen. Dabei unaufhörlich zahlreiche Eindrücke sammeln, um vielleicht anschließend altbekanntes neu bewerten zu können. Eigenen Ideen ihren freien Lauf zu lassen, sowie belastendes einfach über Bord zu werfen. So etwas scheint nur während einer Bahnreise möglich zu sein.

      Doch bald