den Bratwurstständen schleicht sich der Duft von Fleisch, Champignons und Pommes in meine Nase.
Von Stand zu Stand kommen mehr Duftnoten hinzu.
Gebrannte Mandeln, Zuckerwatte, Schmalzgebäck, Pizza und Crêpes. Dort bleibt Liam stehen.
„Möchtest du einen Crêpe?“
„Sehr gerne! Mit Apfelmus, bitte.“ Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. „Alles klar.“
Heute scheint er die Spendierhosen anzuhaben. Finanziell geht es ihm anscheinend nicht so schlecht …
„Danke schön!“ Er reicht mir die heiße Teigware.
„Nicht dafür, Süße.“
Genüsslich verspeisen wir unser Essen; wobei er es eher verschlingt. Ich klimpere nur einmal mit den Augen und zack, ist Liam bereits fertig.
Wir gehen langsam weiter. Während ich esse, erzählt er mir von Österreich.
„Ich habe zehn Kilo zugenommen. Hab mein Ziel erreicht. Lars war ganz neidisch auf mich. Am meisten habe ich am Bizeps und an der Brust zugelegt. Fabian ist auch beeindruckt. Als er mich gesehen hat, ist ihm das direkt aufgefallen“, prahlt er.
Mir ist es tatsächlich nicht entgangen, dass er ordentlich an Muskelmasse zugelegt hat. Steht ihm. Er wirkt erwachsener und männlicher. Seine Kinnpartie ist kantiger als vor seinem Österreichaufenthalt. Seine Haut strahlt in einem gold-braunen Ton.
Ja, er ist in der Zeit definitiv attraktiver geworden. Jedoch tue ich mich immer noch schwer damit, Komplimente zu machen. Sein Ego will wohl gestreichelt werden. Würde er keine Bestätigung von mir brauchen, würde er nicht ausgiebig über seinen Erfolg reden.
„Ja, ist auf jeden Fall nicht zu übersehen. Sieht gut aus“, zwinkere ich ihm zu.
„Danke.“ Süß lächelt er mich an.
„Du bist echt krass braun geworden in deinem Urlaub. Gefällt mir gut.“
„Ja, aber neben dir fühle ich mich immer noch wie ein Käse“, sage ich lachend.
„Ich habe Glück. Werde schnell braun. In einem schönen goldenen Ton.“
„Dem ist wohl so.“ Ich würde ihm gerne widersprechen, weil ich es nicht leiden kann, wenn man dermaßen selbstüberzeugt von sich spricht, aber ich kann es nicht. Es trifft nun mal zu.
Komisch, dass Liam es nötig hat, sich so aufzuplustern. Ein Außenstehender würde wahrscheinlich denken, dass er total selbstsicher ist. Jedoch ist das „fishing for compliments“, was er hier macht und jemand, der wirklich im Reinen mit sich ist, hat das nicht nötig.
Er ist stark von der Meinung von außen abhängig. Eine Sache, die dafür sorgt, dass ich ihn weniger als Mann und mehr als Jungen wahrnehme.
Nachdem meine Süßspeise vollständig in meinem Magen gelandet ist, habe ich das Bedürfnis, mir die Hände zu waschen. Dank des Apfelmus sind sie ziemlich klebrig. Liam stört das nicht, denn er greift nach meiner Hand und lässt sie nicht direkt wieder los. Er macht vor einer Geisterbahn halt und schaut mich erwartungsvoll an. Ich schüttle instinktiv mit dem Kopf. Ich hasse es, erschreckt zu werden!
„Komm schon, Mel. Seine keine Spielverderberin“, überredet er mich.
„Hm. Na gut. Aber ich warne dich vor. Ich bin schreckhaft!“
„Ach, so schlimm wird das schon nicht sein. Da fahren immerhin Kinder mit.“
„Das hat nichts zu sagen …“
Er zieht mich zum Schalter mit, um dort zwei Tickets für uns zu kaufen. Eine Fahrt kostet sage und schreibe fünf Euro! Eigentlich ist das der perfekte Pärchentag; so fühlt es sich jedenfalls an. Na ja, fast perfekt. Die Sache, dass er versucht, mich optisch so hinzubiegen, wie er mich gerne hätte, geht mir gegen den Strich. Klar, er hat mich in Rock und Stiefeln kennengelernt, aber es war wohl offensichtlich, dass das nicht mein Alltagskleidungsstil ist. Vor Österreich war es ihm egal, was ich trage.
Er hat sich noch nicht mal über meine schlichte Unterwäsche beschwert …
Ich werde mich auf jeden Fall nicht für ihn verstellen. Ich kann mich sexy kleiden, aber dann mache ich das für mich und weil ich darauf Lust habe; ansonsten fühle ich mich nicht wohl. Ach, man kann sich auch mal für einen Mann sexy kleiden, bringt sich mein Teufelchen ein. Der Versuch, mir das einzureden, gelingt nicht. In der Hinsicht bin ich stur.
Entweder ein Mann findet mich aufgrund meines Wesens sexy oder eben nicht. Ich will meine Weiblichkeit nicht provokant nach außen hin präsentieren, um den Mann zu manipulieren und so von mir zu überzeugen. Es fühlt sich falsch an, mit reiner Oberflächlichkeit zu punkten und zu blenden … Diese Fassade aufrechtzuerhalten, wäre mir viel zu anstrengend. Wenn man mit mir auf entsprechende Veranstaltungen geht, kann ich mich wie eine Lady kleiden und verhalten, aber privat mag ich es gemütlich und locker. Wenn man nicht mal vor seinem Partner rülpsen oder mal pupsen kann, weil das ja nicht ladylike ist, würde ich verrückt werden. Damit würde ich mir mein eigenes Gefängnis erbauen. Nein. Ein Mann muss mich für das lieben, was er in mir sieht und fühlt und nicht für das, was er oberflächlich mit seinen Augen erfasst. Schön, wenn er das dann auch tut, aber es sollte zweitrangig sein.
Liam sieht mich nicht. Dabei habe ich ihm schon einige Möglichkeiten gegeben, hinter meine Maske zu blicken.
Aber was erwarte ich von jemandem, der sich selbst über die Meinung anderer definiert. Obwohl er dem total widersprechen würde … Er tut auch krampfhaft das Gegenteil von dem, was man von ihm erwarten würde. Damit er sich als etwas Besonderes fühlt. Damit er anders ist als andere. Dafür will er anerkannt werden. Er spielt eigentlich in einer Tour eine Rolle.
Noch habe ich die Hoffnung aber nicht aufgegeben, dass er sich mir zeigt und ich sein wahres Ich kennenlernen darf.
Ohne diese ganze Show. Ohne diese widersprüchlichen Aussagen zu seiner Person.
Er hasst es angeblich im Mittelpunkt zu stehen, strippt aber und legt viel Wert darauf, wie er aussieht. Ich kann mich noch genau an seine Worte erinnern, als ich im Freibad war und ihm schrieb, dass dort alle Augen auf ihn gerichtet wären.
Vielleicht werde ich es aber auch nie zu sehen bekommen, weil er selbst nicht weiß, wer er in Wahrheit ist. Ein Mensch, der sein Leben von außen nach innen richtet und nicht von innen nach außen lebt, kann nur unbewusst sein. Er definiert seine Persönlichkeit über das, was er glaubt, sein zu müssen, um von anderen anerkannt, geschätzt und im besten Fall geliebt zu werden.
Wir setzen uns in den Achterbahnwagen. Die Vorkehrungen zu unserer Sicherheit werden getroffen. Von Sekunde zu Sekunde finde ich diese Idee immer schlechter. Ich umklammere die Stange, die fest in unseren Schoß gedrückt wird und schmiege mich mit meiner rechten Schulter an Liam an.
„Angst?“, fragt er cool.
„Jetzt definitiv!“, gebe ich zu.
Liam lächelt. Er sieht zufrieden aus. Seinem Lächeln schließe ich mich für einen kurzen Moment an, bis sich unser Wagen in Bewegung setzt und auch noch beginnt, sich nach links und rechts zu drehen. Am liebsten würde ich wieder aussteigen.
Die erste Tür öffnet sich. Wir fahren nach oben, Richtung Tageslicht. Noch ist nichts zum Gruseln. Ein paar Puppen stehen zur Dekoration an den Seiten und werden mit rotem Licht angeleuchtet. Als wir um die Kurve fahren, erschrecke ich mich aber beinahe zu Tode!
„Ahhh!“, kreische ich Liam laut ins Ohr und kralle mich an seinem Arm fest.
Einer der Darsteller hielt sich dort versteckt und kam genau in dem Moment hervor, als wir die Kurve passierten … Mit einem Schläger in der Hand. Er hat noch nicht mal einen Ton von sich gegeben …
„Musst du so schreien?“, fragt Liam, der versucht, weiterhin cool zu wirken, aber ich sehe ihm an, dass er sich über mich amüsiert.
„Das ist ein Reflex. Ich kann da nichts für“, rechtfertige ich mein Geschrei.
„Dann