fängt er an, sich plötzlich nur auf das Positive zu fokussieren. Das sah in den letzten Tagen ganz anders aus …
Liam wird das zwischen uns, was auch immer es sein mag, nicht beenden. Ansonsten hätte er es direkt getan, hätte uns kein Eis gekauft und wir würden auch nicht Hand in Hand nebeneinander herlaufen. Die Zeichen sind eindeutig.
Entweder will er die D/s-Beziehung weiterführen oder er will mehr als das. Wovon ich ausgehe, da man – wenn die negative Möglichkeit auszuschließen ist – einem nicht schreibt, dass man reden muss. Würde er nur die D/s-Bindung aufrechterhalten wollen, hätte er mir das mit Sicherheit über WhatsApp geschrieben.
Wir verlassen den gepflasterten Weg und betreten einen Steg, der zu einer kleinen Plattform auf einem Teich führt.
Dort befinden sich parallel gegenüber zwei Sitzmöglichkeiten. Links und rechts stehen jeweils zwei Steinpflöcke im Wasser, auf denen ein marodes Stück Holz liegt. Als eine richtige Bank kann man das nicht bezeichnen.
Wir setzen uns auf die Holzplatte, hinter der sich hinter dem Teich nur eine Hecke befindet. So haben wir alles im Überblick, obwohl ich mir eine schönere Aussicht hätte vorstellen können. Rechts vor uns steht ein kleines altes verglastes Häuschen auf Stelzen. Man fühlt sich zwar geschützt, weil wir abseits des Hauptweges sind, aber unbeobachtet ist man hier definitiv nicht. Ein wenig ruhiger hätte ich es mir schon gewünscht.
„Setz dich auf meinen Schoß“, unterbricht Liam unser kurzes Schweigen.
Ich setze mich auf ihn und lasse meine Beine übers Wasser baumeln. Wir sind uns ganz nah. Keiner sagt etwas. Wir schauen uns bloß in die Augen. So tief gehend war unser Blickaustausch noch nie. Meine Lust, die kurz ein Nickerchen machte, ist nun wieder hellwach. Das Feuer, welches zwischen uns entflammt, breitet sich in meinem gesamten Körper aus. Mir wird schlagartig heiß. Ich fühle mich allerdings nicht wie vorhin. Vorhin habe ich mich hilflos gefühlt. Ihm ausgeliefert. Ergeben. Wir begegnen uns gerade auf Augenhöhe. Meine Dominanz – sollte sich so Dominanz anfühlen – trifft auf seine. Zwischen uns beginnt die Energie zu brodeln, zu blitzen und zu donnern.
„Angst?“, fragt er, obwohl dieser Ausdruck definitiv nicht in meinen Augen zu lesen ist.
„Sollte ich Angst haben?“
„Solltest du.“
„Hm … wieso?“ Meine Angst befindet sich eindeutig in Abwesenheit. Ich habe mich schon lange nicht mehr so selbstsicher gefühlt.
„Ich könnte dir wieder die Luft abschnüren. Oder …“ Er spricht nicht weiter.
„Oder?“, hake ich nach, ohne den Augenkontakt abzubrechen.
„Ich könnte von dir verlangen, nackt in den Teich zu springen.“
Mir gefällt unser Spiel. Endlich spüre ich Emotionen, die meine Lust füttern. Ich lasse Liam in meinen Augen sehen, was er sehen will. Furcht. Unsicherheit. Respekt ihm gegenüber.
„Wie ich sehe, gefällt dir der Gedanke ganz und gar nicht“, springt er direkt darauf an.
Ich schüttle ganz unschuldig mit meinem Kopf.
Das, was ich gerade am intensivsten spüre, ist Überlegenheit. Liam hängt an meiner Angel. Von der selbstsicheren Frau zur hingebungsvollen Sub binnen weniger Sekunden und er kauft es mir ab.
Ob ich unauthentisch bin? Eine Schauspielerin? Möglicherweise bin ich das.
Liam bekommt das, was er braucht und mir gibt es ein gutes Gefühl, dass ich diejenige bin, die es ihm bewusst gibt. Er bekommt es nicht, weil er es sich nimmt oder weil er eine Macht über mich ausübt, die dafür sorgt, dass ich es ihm freiwillig geben will. Es ist meine freie, eigene Entscheidung. Ich hätte genauso den anderen Weg gehen können …
Die Kontrolle, die ich über die Situation und mich ausübe und die in mir herrschende Ambivalenz, sorgen dafür, dass ich mich nicht fallen lassen kann.
Somit sind meiner Lust Grenzen gesetzt, obwohl ich spüre, dass da noch mehr geht.
Plötzlich löst Liam meine Arme, die ich in der Zwischenzeit um seinen Hals gelegt habe.
„Zeig mal, was du kannst. Zwanzig Sit-ups. Lass dich nach hinten fallen und dann kommst du wieder hoch.“ Doofe Idee.
„Ich traue mich nicht. Was ist, wenn ich nicht mehr hochkomme oder mit dem Kopf auf den Boden aufkomme?“
„Dann lass ich dich halt los. Und du wirst dir den Kopf schon nicht aufschlagen. Mel, sei nicht so ein Angsthase. Du hast doch vor ein paar Tagen auf Instagram ein Bild von deinem Sixpack hochgeladen … dann kannst du auch zeigen, was deine Muskeln so können“, provoziert er mich.
Durch meine Erkältung bin ich noch nicht fit. Der Schleim hängt mir zwischen Nase und Rachen. Als Liam mir vorhin die Luft abgeschnürt hat, war ich froh, dass ich keinen Hustenanfall bekommen habe …
Dass er meine Bilder auf Instagram wahrnimmt, überrascht mich. Ich bin stark davon ausgegangen, dass er sich nicht dafür interessiert. Mit dem Foto hab ich mir wohl selbst ins Knie geschossen.
Da meinte er letztens noch, dass ihm meine Gesundheit wichtig ist und jetzt verlangt er, dass ich mich sportlich betätige. Leider siegt mein Ehrgeiz und nicht die Vernunft.
„Geht doch! Geh aber nicht ganz so weit runter, sonst verlierst du die Spannung“, korrigiert er mich.
Nach fünf Stück spüre ich schon das Brennen in meinen Bauchmuskeln und mein Kopf beginnt zu pochen.
„Ich kann nicht mehr! Ich bin noch erkältet“, jammere ich.
„Noch mal fünf Stück. Los, für mich.“
Und wieder soll ich ihm zeigen, dass ich für ihn über meine Grenzen gehe …
Ich bemühe mich und werde im Gegenzug von ihm belohnt. Jedes Mal, wenn ich oben ankomme, schenkt er mir einen Kuss.
Nach dem letzten Sit-up komme ich nicht mehr hoch und lasse mich sanft auf den Boden fallen. Da liege ich nun, wie ein Lappen. Liam lässt meine Beine los.
„Und jetzt noch Liegestütze.“
„Du spinnst!“, sage ich und lache dabei.
„Willst du direkt eine Abkühlung im Teich nehmen?“, äußert er streng.
„Nein … ich dachte, meine Gesundheit sei dir wichtig …“ Er geht nicht darauf ein.
„In zwei Wochen wirst du fünfzig Sit-ups können und Squats mindestens mit deinem eigenen Körpergewicht ausführen.“
„Ja, ist gut.“ Die Bauchaufzüge schaffe ich. Innerhalb von zwei Wochen zwanzig Kilo mehr zu drücken, wohl eher nicht.
„Zieh dein Oberteil aus. Und auch deine Schuhe. Inklusive Socken.“ Ich gucke ihn verdutzt an.
„Hier können Menschen vorbeikommen …“, gebe ich zu bedenken.
„Na und? Du sonnst dich eben. Los, ausziehen und dann legst du dich mit dem Rücken auf die Bank, Beine zu mir.“
„Darf ich meinen Kopf nicht bequem in deinen Schoß legen?“ Ich lege dabei meinen unschuldigen und bedürftigen Blick auf, in der Hoffnung, dass er sieht, dass ich ihm nah sein möchte, er sich dadurch geschmeichelt fühlt und mir deshalb den Wunsch erfüllt. Aber er bleibt hart.
„Nein. Du legst dich so hin, wie ich sage.“
Ich ziehe mein Oberteil aus und fühle mich plötzlich wirklich nackt. Obwohl ein BH sich grundsätzlich nicht sonderlich von einem Bikinioberteil unterscheidet.
Nur ähneln meine Bikinioberteile keinem Schalen-BH. Ich trage diese nicht, weil man meine Brüste sehen kann, wenn ich liege oder mich nach vorne beuge.
Wohl fühle ich mich nicht, aber auf der anderen Seite ist es mir auch egal, was andere Menschen von mir denken könnten. Es sind und bleiben ihre Gedanken. Die nackten Füße sollen wohl den Eindruck verstärken, dass ich mich bloß sonne, falls