Bernd Oei

Joseph Roth - Letzter Donauwalzer


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      Bernd Oei

      Joseph Roth: Letzter Donauwalzer

      Grenzgänger zwischen Philosophie und Poesie, Nr. 4

      Bernd Oei

      Joseph Roth

      Letzter Donauwalzer

      Literaturwissenschaft

      Impressum

      Text: © 2021 Bernd Oei

      Umschlag: © 2021 Belinda Helmert

      Verantwortlich

      für den Inhalt: Bernd Oei

      Malerstr. 63

      28207 Bermen

      [email protected]

      Druck: epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

      Inhaltsverzeichnis

       Prolog: Verbrannte Freiheit ist wie Alkohol 5

       1. Zeitgeist und Biografie 11

       2. Erzählungen 33

       2. 1. Der blinde Spiegel 33

       2. 2. Stationschef Fallmerayer 38

       2. 3. Triumph der Schönheit 41

       2. 4. Die Büste des Kaisers 44

       2. 5. Der Leviathan 48

       2. 6. Die Legende vom heiligen Trinker 54

       3. Frühe Romane (vor 1930) 60

       3. 1. Das Spinnennetz 60

       3. 2. Hotel Savoy 70

       3. 4. Die Flucht ohne Ende 106

       3. 5. Rechts und Links 121

       3. 6. Der stumme Prophet 136

       4. Späte Romane (nach 1930) 157

       4. 1. Hiob 157

       4. 2 . Radetzkymarsch 176

       4. 3. Tarabas: Ein Gast auf dieser Erde 201

       4. 4. Beichte eines Mörders 216

       4. 5. Das falsche Gewicht. Die Geschichte eines Eichmeisters 235

       4. 6. Die Kapuzinergruft 255

       4. 7. Die Geschichte von der 1002. Nacht 275

       Epilog: Der Himmel brennt 300

      Fortschreitender Untergang. Die bittere Kunst des Abschiednehmens. Gekannt haben ihn viele, bewundert manche, wirklich geliebt haben ihn nur wenige. Stefan Zweig gehört zu ihnen. Er wirft Rosen auf sein Grab in 1, 5 km südöstlich von Paris, der Stadt seiner letzten Zuflucht1 und verfasst einen Nachruf, der Zeugnis von Betroffenheit und liebevollem Verständnis für sein Werk ablegt. Roth ist am 23. Mai 1939 zusammengebrochen, als er vom Suizid von Ernst Toller, einem seiner Leidensgenossen, im amerikanischen Exil erfährt. Viele bringen sich damals aus Verzweiflung über den unaufhaltsamen Erfolg der Faschisten um. Roth trinkt sich langsam zu Tode. In wenigen Jahren altert er so rasch, dass ihn selbst Bekannte für seinen Vater halten. Ohne Hochprozentiges kann er nicht schreiben und ohne zu schreiben nicht leben. Als man ihn in Spital Necker bringt, um eine Lungenentzündung zu diagnostizieren, ahnt man nicht, wer er ist oder was er ist: der abrupte Entzug, begleitet von Delirium Tremens, besorgt den Rest; Joseph Roth stirbt mit 44 Jahren an trunken-gebrochenem Herzen.

      Am 30. Mai, dem Tag seiner Beerdigung, regnet es. Anders als beim Kaiser: „An jenen Sommermorgen regnete es grundsätzlich nicht und oft leiteten sie einen Sonntag ein.“2 Es ist auch kein Sonntag, sondern Dienstag.

      Zweig, ein anderer Grenzgänger ahnt, dass er Roth bald nachfolgt. Er spricht von einem Menschen, der ein „getretenes Herz“ hat, das nicht abzustumpfen will. Menschen mit Karamasowischen Blut in den Adern – Roth stammt aus Galizien – trinken sich zu Tode. Ihre Frauen werden wahnsinnig oder schizophren. „Roth kann man nicht helfen. Seine Narrheit ist ein Faß ohne Boden.“3

      Der staatenlose, von der Gestapo gesuchte Roth bleibt Österreicher, das heißt ohne Nationalität, denn die Habsburger Donaumonarchie war ein Reich, ein Vielvölkerstaat, ein europäisches Haus. Er identifiziert sich mit einem seiner berühmtesten Reportagen Juden auf Wanderschaft. Heimat kennt keinen Ort oder Platz, nur Verbundenheit mit der k. u. k. Monarchie und die gibt es schon lange nicht mehr. Er hat nicht nur einen Krieg, sondern eine Welt verloren. Zerrissenheit ist sein zweites Ich. Zuletzt lebt er als Schriftsteller isoliert, von finanziellen Zuwendungen Zweigs abhängig.

      Sein weitblickender und tiefer Sinn, vor allem der politische Sachverstand, wird erst nach seinem Tod entdeckt, obschon sein Sprachgenie schon zu Lebzeiten Legende ist. Erfüllt von Frömmigkeit, der nichts Moralisierendes anhaftet. „Keine menschliche Tugend hat in dieser Welt Bestand, außer einer einzigen: der echten Frömmigkeit. Der Glaube kann uns nicht enttäuschen, da er uns nichts auf Erden verspricht. Der wahre Gläubige enttäuscht uns nicht, weil er auf Erden keinen Vorteil sucht.“4

      Das Leben in Agonie. Er sieht die Apokalypse als einer der ersten voraus, nachdem er bereits als junger Schriftsteller, als Journalist und Korrespondent der Frankfurter Zeitung (FZ) ganz Europa gesehen hat. Sein Landsmann, geborener Schicklgruber aus Braunau, ist fünf Jahre vor ihm geboren. Roth hat in dem Führer, diesem Messias der Verblendeten stets den leibhaftigen Satan gesehen und ist an dem Zuspruch, den er aus aller Welt erhält, zerbrochen. Drei Jahre nach seiner Emigration 1933 mental ausgebrannt, wie tot: „Es gibt für mich...kein Thema, das mir gestatten würde, einen Artikel mit einem Mindestmaß von Zuversicht zu schließen… Nun, an diesen Rest des europäischen Gewissens glaube ich nicht.“5

      In Roth begegnen wir einem Autor, der seine Gabe Gottes uneigennützig in den Dienst der Menschen stellt. „Durch den Humanismus über den Nationalismus in die Bestialität.“6 Am Ende, das schon sehr zeitig bei ihm beginnt, sieht Roth keinen Sinn mehr in seiner Leidenschaft für das Menschliche im Menschen. Schon