Monica Armstrong

Stille Tage in Paris


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Das Kino hat mir schon der Verrückte empfohlen“, antworte ich.

      „Sehr gut. Dort sind alle wichtigen Klassiker des französischen Kinos erstaufgeführt worden. Das ,Pagode‘ wird den Amis gefallen“, sagt er und entlässt mich mit den üblichen französischen Küsschen.

      Ich sehe mich noch einmal nach dem unverschämten Jungfilmer um, doch der ist Baguette einkaufen gegangen.

      Mittwochvormittag.

      Ich warte vor den West-Studios. Ein Kleinbus mit Fahrer, den Duane noch für mich organisiert hat, parkt vor den West-Studios und hupt, um Aufmerksamkeit zu erregen.

      Ich eile über die Straße zum Kleinbus hinüber und öffne die Beifahrertür.

      „Salut!“

      „Salut! Zum Flughafen Charles de Gaulle, nehme ich an.“

      Mir bleibt fast, aber nur fast, das Herz stehen.

      Eric, der unmögliche Flegel aus den Cahiers du Cinéma, sitzt am Steuer.

      „Moment, Moment, Moment – das ist jetzt wirklich ein schlechter Witz“, sage ich.

      „Nein. Ich fahre immer für Duane. Wenn du willst, kannst du ihn anrufen“, sagt Eric und parkt aus.

      Ich schäume und rufe Duane an, der genervt ist, weil es irgendwelche Probleme zwischen Maskulin und Feminin in Paris gibt.

      „Pass auf, Babe, der Verkehr in Paris ist für ein US-Greenhorn der reinste Horror. Eric kennt sich aus, er ist Filmemacher und bewahrt dich vor dem totalen Nervenzusammenbruch. Also sei lieb und vertrau einfach Eric, der boxt dich und die US-Crew durch Paris“, sagt Duane.

      „Well, aber über die ‚Babe‘ sprechen wir noch, ich bin ja keine Göre aus der Junior High mehr“, tobe ich.

      „Yes, yes, ganz cool bleiben, Babe, vertrau einfach Eric, der fährt“, sagt Duane so ganz unmöglich chauvinistisch, dass ich gleich einmal ordentlich schreie!

      Iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii!

      Eric verreißt das Steuer. Nur der Sicherheitsgurt rettet mich davor, auf seinem Schoß zu landen. Duane bricht einfach das Gespräch ab.

      „Hé, quoi de neuf?“ (Hey, was ist los?), schimpft Eric.

      Die kleine amerikanische Katze faucht und verteilt böse Blicke.

      Eric versucht es mit einem Schokoriegel und Kaugummis, ich entscheide mich für den Schokoriegel.

      Immerhin, wenn er sich zu benehmen weiß, ist Eric leicht sympathisch. Ich lächle. Er lächelt.

      Eric stellt sich vor. Er ist geborener Pariser und natürlich selbst Filmemacher, oder zumindest versucht er, einer zu werden.

      Er ist genauso alt wie ich, und auch was Filme betrifft, sind wir auf derselben Wellenlänge, also stimmt gleich die Chemie zwischen uns beiden, Duane hat das beruflich motivierte Date perfekt eingefädelt. Ich schicke Duane eine WhatsApp nach London, mit einem Daumen hoch.

      Während der Fahrt zum Flughafen erzählt Eric, dass er ein perfektes Drehbuch und eine Schauspielerin hat, die der großen Brigitte Bardot zum Verwechseln ähnlich sieht. Ihr Problem ist, dass sie leider ziemlich doof ist und das Drehbuch nicht versteht, weil sie eher auf Actionfilme steht und weniger auf Autorenfilme, aber unter seiner Regie würde sich das schon ändern, außerdem wäre auch ich jetzt da, und wenn ich wollte, würde er mir das Drehbuch geben, ja, ich müsste es unbedingt lesen, denn so eine wie ich gehört unbedingt vor die Kamera, genau genommen vor seine Kamera.

      Uff, wenn das so weiter geht, bin ich bald der neue Filmstar in Paris.

      Wir erreichen den Flughafen, der unter Verkehrsinfarkt leidet. Ohne einen Fahrer wäre es hier unmöglich, etwas zu machen; man müsste das Auto irgendwo im Parkhaus stehen lassen, wenn man überhaupt einen Parkplatz fände.

      Ich eile in die Ankunftshalle, um die Amis abzuholen, und halte die Tafel „West-Film“ gut sichtbar hoch. Auf der Ankunftstafel sehe ich, dass das Flugzeug aus New York City pünktlich gelandet ist und ich keine Sekunde zu früh am Flughafen aufgekreuzt bin.

      Die Zeit vergeht, und endlich sehe ich fünf Amis, die zielbewusst auf mich zusteuern. Sie freuen sich, von einem US-It-Girl empfangen zu werden, und es gibt die üblichen Küsschen, auch wenn die Zuckerpuppe von der West Coast ist. Die Amis sind total down vom Jetlag und wollen so schnell wie möglich ins Hotel, um ihre Kopfschmerzen loszuwerden, bisher war noch keiner von ihnen in Europa.

      Wir fahren in unserem Kleinbus auf die Route des Badauds hinaus und reihen uns auf dem Autobahnkreuz in Richtung Paris ein, auf dem der Verkehr zum Erliegen gekommen ist. Die feuchtkalte Pariser Novemberluft haut die Amis noch einmal nieder, weil in New York City jetzt noch angenehmer Spätherbst ist.

      Sie meckern ziemlich herum, weil wir im Verkehrschaos stecken bleiben. Eric spricht kein Wort Englisch, und die Amis kein Wort Französisch, sie fluchen herum, wieso der Fahrer nicht Englisch spricht, was ihrer Meinung nach essenziell für die Aufnahmen wäre, und wir kommen uns gleich in die Haare, weil ich perfekt dolmetschen kann, was der amerikanische Regisseur nicht gelten lassen will, auch wenn er nur von der Second Unit ist, die nichts weiter zu tun hat, als die Außenaufnahmen abzuarbeiten.

      Eric lotst uns geschickt durch das Verkehrschaos, und nach gut eineinhalb Stunden erreichen wir endlich das Hotel in der Rue Jenner im 13. Arrondissement.

      Die Amis fluchen weiter, weil sie lieber in der City wohnen wollten und nicht am Arsch der Welt. Ich bin total beleidigt und stelle die Lumpenhunde an der Rezeption ab, was wieder Diskussionen mit den Franzosen auslöst, die kein Wort Englisch sprechen.

      Zwangsläufig muss ich weiter dolmetschen, und es vergeht noch ein gutes halbes Stündchen, bis die Amis endlich in ihren Zimmern untergebracht sind. Ihr Equipment wird in den West-Studios sicher gelagert, was die Amis wissen müssten, aber natürlich ignorieren, denn sechs Stunden später rufen sie aufgebracht an, dass keine Dreharbeiten möglich sind, denn irgendein Arsch hätte das gesamte Equipment geklaut.

      Ich bin schon total genervt von der blöden Bande, die sich dümmer anstellt als ein paar kleinkarierte Kärntner Filmstudenten, deren Kleinkariertheit noch von ihrer Provinzialität verschärft wird.

      Ich überlege einen Moment, in der Redaktion der Cahiers du Cinéma anzurufen, um zu fragen, ob Louis für ein Schäferstündchen Zeit hätte; jetzt hilft nur noch eine saftige Vögelei, bevor ich völlig überschnappe.

      Ich unterdrücke meine sexuellen Gelüste und überlege, ob ich mir nicht Eric für meine unbefriedigte Lust ins Visier nehmen sollte; er ist jünger, und wozu gibt es französische Männer?

      Wieso sollte ich mit einem alten Esel vögeln, wenn ein junger, spritziger Filou schon im Haus ist?

      Leider funken schon wieder die Amis dazwischen, sie hätten bereits mit Duane telefoniert, dass der Service von West-Film das absolut Letzte wäre, was ihnen zwischen New York City und LA je untergekommen ist.

      Duane ruft aus London an, und wir streiten ein gutes Viertelstündchen via WhatsApp herum, dass ich nicht die Dumme für die Schrullen aller Vollidioten von New York City wäre und dass ich endlich mit einem jungen Franzosen vögeln will.

      Duane ist mehr als schlecht gelaunt über meine Scherze, obwohl ich meine sexuelle Lust nicht als Scherz verstehe, sondern als einen wichtigen Teil meiner Libido. Duane meint, er würde jetzt jemanden in Paris anrufen, den ich noch nicht kenne, der sofort in die West-Studios kommt, um mir ganz gehörig den Kopf zu waschen, aber gründlich.

      Selbstverständlich bin ich bei einem solchen Chauvinismus mehr als beleidigt und heule sicherheitshalber einmal ordentlich.

      Duane bleibt nichts anderes übrig, als sich bei mir zu entschuldigen, und telefoniert noch einmal mit den Amis im Hotel, die bereits die Flics gerufen haben.

      Ich spreche mit der französischen Polizei und bringe sie dazu, dass wir alle gemeinsam in die West-Studios gehen; dort befinden sich sämtliche technischen Ausrüstungsgegenstände der amerikanischen