Alfred Broi

Genesis VI


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sofort zu stoppen, auf Umkehrschub zu gehen und das Schiff in den zweiten Wasserfall abtauchen zu lassen! Schon eine Sekunde später war ich mir sicher, tatsächlich verrückt geworden zu sein, von einem Schiff ein Manöver zu verlangen, dass es selbst im intakten Zustand kaum schadlos hätte ausführen können. Doch was spielte es schon noch für eine Rolle?“ Er schniefte einmal durch die Nase. „Die Kamarulu ächzte und stöhnte, als wollte sie ihren Unmut zum Ausdruck bringen. Die Hülle wurde an einigen Stellen derart beansprucht, dass sie Risse bekam. Aber dennoch gelang uns mit diesem Sechzigtausend-Tonnen-Schiff eine abrupte, fast punktgenaue Vollbremsung auf einer Fläche, die kaum größer war, als es selbst!“ Er grinste. „Dann ging alles ganz schnell! In dem Moment, da das feindliche Schiff aus dem Nebel hervortrat, waren wir noch zur Hälfte über Wasser, sodass wir alle Maschinen abschalteten und die Kamarulu wie ein Stein zu Boden sackte. Die Außenhülle wurde an vielen Stellen noch weiter zerstört und ich habe noch niemals zuvor Stahl solche Geräusche machen hören, wie in diesen Sekunden, als es sich zwischen die Felswände quetschte. Dann explodierten die beiden Triebwerke im ersten Wasserfall und erneut war ich mir sicher, alles falsch gemacht zu haben, denn die Erschütterungen waren unfassbar gewaltig, schüttelten uns und das Schiff durch wie ein Barmixer seinen Drink. Die Explosionen zerstörten den ersten Wasserfall, lösten Tausende und Abertausende Tonnen Felsgestein, spülten es auf das Deck der Kamarulu und begruben es unter sich!“

      Ruhe trat ein, in der alle stumm die Worte des Admirals verarbeiteten. Dann fuhr Lobos fort: „Ich habe keine Ahnung, wie der Anblick für das feindliche Schiff gewesen war, als es uns überflogen hat, aber…ganz offensichtlich…schöpfte dort niemand Verdacht, denn es verschwand auf Nimmerwiedersehen!“

      Vilo nickte. „Sie haben im richtigen Moment die richtige Entscheidung getroffen. Ich habe die Satellitenbilder gesehen und war mir vollkommen sicher, ich sehe die Explosion der Kamarulu!“

      „Sie haben das gesehen, was sie erwartet haben zu sehen!“ meinte Captain Tibak und alle stimmten nickend zu.

      „Wer hätte denn auch so etwas ahnen können…?“ Cosco schüttelte lächelnd den Kopf.

      „Bleibt noch eine Frage!“ meinte Mavis und schaute den Admiral direkt an.

      Der nickte bereits wissend. „Ja, aber…!“ Er verzog die Mundwinkel. „…ich muss sie enttäuschen. Das Schiff ist nicht mehr flugfähig! Der Kampf, die Kräfte, die hier bei dieser irrwitzigen Aktion gewirkt haben – das alles war zu viel für sie!“ Er versuchte ein Lächeln, doch es gelang nicht wirklich. „Sorry!“ Sein Gesicht wurde zunehmend dunkler. „Außerdem haben wir noch ein ganz anderes Problem!“

      „Und welches?“ fragte Melia.

      Lobos sah in die Runde. „Kommen sie. Ich zeige es ihnen!“

      „Okay!“ Narrix sprach ruhig, während er auf Jorik zukam. „Die Schlampe, die meine Männer verraten hat, gehört also zu dir!“ Er nickte mit ausdruckslosem Gesicht.

      Jorik stand in der Mitte des Raumes. Seine Hände waren noch immer auf dem Rücken gefesselt und um seinen Hals lag wieder ein Strick, den der Kerl hinter ihm fest angezogen hatte, sodass er nach wie vor ziemlich hilflos war. Und nicht nur das: Er wusste nur zu genau, dass er sich in einer höchst gefährlichen, wenn nicht sogar tödlichen Gefahr befand. Narrix war ein Psychopath allererster Güte. Wie er jemals das Kommando eines Schiffes hatte erringen können, war Jorik absolut schleierhaft. Und Narrix war sauer. Stinksauer, zornig, Wut brauste in ihm auf: Mochte er sich äußerlich auch noch so gut im Griff haben, in seinen Augen konnte Jorik die Wahrheit erkennen. Er sah Wut und Hass.

      Narrix wollte Rache. Für den Verlust seines Schiffes, für den Frevel, sich ihm überhaupt entgegengestellt zu haben und für die Schmach, ihm entkommen zu sein und ihn besiegt zu haben.

      Und Jorik glaubte nicht, dass es ihm wirklich wichtig war, Marivar zu finden, um sie zu bestrafen. Auch glaubte er nicht, dass Narrix wirklich dachte, er könne Jorik dazu bewegen, ihren Namen preiszugeben. Deshalb rechnete er damit, hier und jetzt dafür büßen und sterben zu müssen. Er hatte furchtbare Angst, doch was immer auch geschehen mochte, er würde diesem geisteskranken Wichser niemals die Genugtuung geben, ihm diese Angst zu zeigen. Zumindest hoffte er, so stark sein zu können. „Ich weiß nichts von einem Verrat!“ sagte er daher, um sich von dem zunehmenden Zittern, das ihn befiel, abzulenken.

      Ansatzlos verpasste ihm Narrix einen Faustschlag in den Magen. Jorik stöhnte auf und seine Beine knickten kurz ein, dann riss ihn der Kerl hinter ihm wieder in die Höhe. „Natürlich!“ Narrix hatte gewartet, bis Jorik ihn wieder ansah. „Sag mir, wer sie ist!“ Das war keine Bitte.

      Jorik atmete einmal tief durch, dann erwiderte er den Blick seines Widersachers geradeheraus. „Niemals!“ Er musste stark bleiben.

      Jorik erwartete einen neuerlichen Schlag, doch Narrix sah ihn nur durchdringend an, dann begann er zu lächeln. Für ganze zwei Sekunden, dann schlug er doch wieder zu. Ansatzlos, knallhart und dreimal hintereinander, wieder in den Bauch, immer auf dieselbe Stelle.

      Jorik spürte Hitze in sich aufkommen. Der Blick vor seinen Augen verschwamm, ihm wurde schlagartig übel, er musste husten und würgen. Seine Beine gaben wieder nach, gleichzeitig kippte sein Oberkörper nach vorn. Der Kerl hinter ihm konnte das nicht verhindern. Jorik krachte auf die Knie und erbrach widerlichen Schleim. So war er abgelenkt und konnte nicht sehen, dass Narrix sich zu den Wachen an der Eingangstür umdrehte und ihnen zunickte, woraufhin eine von ihnen die Tür öffnete und zwei weitere Personen einließ. Die eine war noch ein Soldat, die andere war…Esha!

      Wie auch Jorik war sie noch immer gefesselt. Während sie von dem Kerl hinter ihr rüde in das Zimmer gestoßen wurde, warf der seinem Captain das Seil, das sich um ihren Hals befunden hatte, zu, der es locker auffing.

      „Ich habe wirklich kein Verständnis dafür, dass du deine kleine Lady schützen willst!“ begann Narrix wieder in einem fast freundlichen Ton und schaute Jorik an, der Mühe hatte, wieder zu sich zu kommen. „Soll ich glauben, dass das Liebe ist oder dass sie es wert ist?“ Er verzog die Mundwinkel. „Ich kann das nicht nachvollziehen. Ich selbst habe noch nie eine Frau getroffen, die es wert war, für sie Schmerzen zu ertragen. Zum Ficken waren sie gut, aber sonst?“ Er lachte heiser auf. „Aber okay! Es ist deine Entscheidung!!“ Er trat direkt vor Jorik und zerrte ihn auf die Füße. „Und ich sehe es in deinen Augen. Du bist ein harter Bursche. Aus dir werde ich nichts herausbekommen!“ Wieder lächelte er süffisant. „Vielleicht aber, wenn nicht du für deinen Egoismus bestraft wirst, sondern deine Freundin hier!“ Er drehte sich herum und deutete auf Esha, die Narrix hasserfüllt anstarrte.

      „Das können sie vergessen!“ zischte sie, doch konnte sie ihre Angst nicht komplett verbergen.

      „Wir werden sehen, nicht wahr?“ Er trat vor Esha, nahm das lose Ende des Stricks, ließ es locker im Handgelenk baumeln, schaute dann zur Decke und warf es mit einem geschickten Schwung um eine natürliche Strebe aus Fels, die dort knapp unterhalb der Decke waagerecht verlief. Das Seil fiel auf der anderen Seite wieder herunter und Narrix fing es auf.

      Jorik hatte ihn die ganze Zeit über nicht aus den Augen gelassen und plötzlich hatte er eine böse Vorahnung. „Was haben sie vor?“ fragte er und seine Stimme klang rau.

      „Wenn du redest…!“ Er warf das lose Ende dem Mann hinter Esha zu, ließ die Schlinge am anderen Ende in seinen Fingern kreisen und schaute Jorik an. „…absolut gar nichts! Wenn du aber weiterhin auf stur stellst…!“ Er wirbelte herum und ließ die Schlinge über Eshas Kopf fallen. „…wird sie leiden müssen!“ Und mit diesen Worten nickte er dem Mann mit dem losen Ende zu, der daraufhin zu ziehen begann. Im nächsten Moment schrien Esha und Jorik gleichzeitig auf.

      *

      Lobos hatte die Gruppe vom Haupthangar weg zu einem breiten Treppenhaus geführt, durch das sie mittlerweile fünf Stockwerke höher gekommen waren.

      Bisher bestanden die Wände aus Stahl, der mit dicken Streben durchzogen war und die Etagen, an denen sie vorbeigingen, anfangs aus langen schmalen Gängen, die