Alfred Broi

Genesis VI


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nickte sie mit einem breiten Lächeln. „Aber das ist ja großartig!“ Er küsste Niuri gleich nochmals kurz, aber wieder sehr leidenschaftlich, dann zog er sie nach draußen in die Halle.

      Tatsächlich konnte er dort den Elay sehen. Sogar noch ein zweites Exemplar dieser Flugwesen. Beide Tiere standen aufrecht und ruhig. Als er mit Niuri näherkam, konnte er bei ihrem Elay deutlich die Spuren der Wunden erkennen, die dem Flugwesen beigebracht worden waren. Plötzlich beschlichen ihn Zweifel. „Umuras!“ rief er daher ungeduldig.

      Der Alte drehte sich zu ihm und war sogleich überrascht. „Kabus!“ Er schaute mit einem Lächeln auf seinen Verband.

      „Wie weit bist du mit dem Elay?“

      „Wie weit bist du mit dir?“ Umuras lächelte noch immer.

      „Niuri sagt, ich kann fliegen!“

      „So? Du kannst fliegen!“ Jetzt lachte der Alte belustigt auf. „Ich dachte immer, dass würde der Elay tun!?“

      „Lass den Unsinn, es ist ernst!“

      Plötzlich verlor Umuras sein Lächeln. „Ich bin ernst!“ Er warf Niuri neben Kabus einen kurzen Blick zu. „Und ich sage, der Elay ist ebenfalls wieder gesund!“ Sofort sah er Erleichterung auf Kabus Gesicht. „Ich sage dir aber auch, dass wir ein Problem haben!“

      „Was für ein Problem?“ Kabus verlor sein Lächeln wieder.

      „Der Elay wird fliegen…!“ Der Alte nickte mehrmals, dann schaute er das Flugwesen an. „Aber wohl nicht mit dir!“

      „Was?“ Kabus war bestürzt. „Warum nicht?“

      „Erinnere dich!“ erwiderte der Alte. „Der Elay vertraut nur seinem Reiter! Und das ist Jorik!“ Umuras blickte mitleidig und schob den Unterkiefer vor.

      „Aber…?“ Kabus verstand die Worte des Alten und Verzweiflung machte sich auf seinem Antlitz breit. „…das…?“ Er blickte den Elay an, dann Umuras, dann Niuri, dann wieder das Flugwesen. Schließlich senkte er den Kopf und schüttelte ihn. „Nein!“ sagte er nach einem kurzen Augenblick und riss den Kopf wieder nach oben. „Das kann ich nicht akzeptieren!“

      Umuras lachte einmal heiser auf. „Das wirst du müssen!“

      „Nein!“ Wieder schüttelte Kabus energisch den Kopf. „Muss ich nicht!“

      Umuras Blick verdunkelte sich. „Was hast du vor? Du kannst den Elay nicht mit Gewalt zwingen!“

      „Ich weiß!“ erwiderte Kabus, doch seine Stimme klang nicht überzeugend, zumal er Umuras dabei nicht anschaute, sondern seinen Blick direkt auf dem Elay lag, während er langsam auf das Tier zuging.

      Der Alte wollte sofort hinter ihm her und ihn zurückhalten, doch Niuri hielt ihn am Arm zurück. „Warte!“ sagte sie und schaute ihm in einer Mischung aus Flehen und Zuversicht in die Augen.

      Umuras stoppte daraufhin ab, brummte jedoch missmutig. Was soll´s? sagte er sich. Wenn er kein Glück hat, wird er das gleich schmerzhaft zu spüren bekommen!

      Doch Kabus gelangte unbehelligt direkt vor den mächtigen Schädel des Elay, der ihn zur Seite gedreht und den Menschen scheinbar noch nicht bemerkt hatte – oder einfach ignorierte.

      „Hallo, meine Schöne!“ sagte Kabus sanft, hob langsam seine rechte Hand und legte sie dem Flugwesen auf die Nase.

      Plötzlich zuckte der Kopf des Tieres mit einem überraschten Stöhnen herum. Kabus erschrak, doch konnte er verhindern, dass er rückwärts stolperte. Niuri hinter ihm sog hörbar die Luft ein. Der Elay schaute Kabus für einen Augenblick direkt in die Augen, dann aber brummte er missmutig und drehte den Kopf wieder zur Seite.

      Diese Geste gefiel Kabus sichtlich nicht, denn er schürzte die Lippen und seine Augenbrauen sanken herab. „Nicht wegdrehen!“ Gleichzeitig drückte er mit der rechten Hand seitlich gegen den Schädel des Tieres und nahm zusätzlich auch noch die linke Hand zur Hilfe. Damit konnte er die Bewegung des Flugwesens stoppen und sogar rückgängig machen. Dem Elay aber gefiel dies sichtlich nicht, denn er stöhnte zunächst überrascht auf und als er erkannte, was der Mensch im Begriff war zu tun, wurden seine Augen zu Schlitzen und er fauchte erbost. Doch Kabus, dessen Herz ziemlich raste, ließ sich seine Nervosität nach außen hin nicht anmerken, sondern blickte dem Tier erneut direkt in die Augen. „Jorik ist auch mein Freund!“ sagte er mit kräftiger, fester Stimme. „Und ich mache mir große Sorgen um ihn und die anderen!“ Zur Überraschung aller blickte der Elay beinahe wie gebannt auf Kabus. Zwar war sein Körper angespannt und anfangs war auch noch ein leises Knurren zu hören, doch blieb er ansonsten ruhig. „Deine Wunden sprechen eine eindeutige Sprache!“ fuhr Kabus unbeirrt fort. „Es muss etwas Schlimmes passiert sein. Und ich muss wissen, was das war!“ Kabus Stimme wurde leiser und traurig, sein Blick brach allmählich. „Ich weiß, dass du weißt, wo ich sie finden kann!“ Er atmete einmal tief durch. „Und ich bitte dich, …mich dorthin zu bringen, weil ich hoffe, …dass ich noch helfen kann!“ Er senkte seinen Blick vollends, doch war zuvor zu erkennen, dass er gegen Tränen ankämpfen musste, weil ihm klar wurde, dass er keine Chance haben würde, sein Vorhaben anzugehen, wenn er den Elay nicht überzeugen konnte und er im Moment nicht das Gefühl hatte, das ihm dies gelungen war. Das Tier blickte ihn zwar unverwandt an, doch zeigte es keinerlei Reaktion. Kabus spürte, wie die Kraft ihn verließ und sich Verzweiflung in ihm breitmachte. Niuri musste das erkannt und gespürt haben, denn schon im nächsten Moment stand sie neben ihm und schloss ihn tröstend in die Arme.

      „Kabus!“ Auch Umuras trat neben sie, doch seine Stimmlage ließ beide aufhorchen. Sie blickten zu ihm, aber er sah sie nicht an. Stattdessen nickte er mit einem immer breiter werdenden Grinsen auf den Elay. „Sieh nur!“

      Niuri und Kabus drehten sich irritiert herum und waren total erstaunt, als sie sahen, wie das rechte Vorderbein des Elay einknickte und sich der massige Rumpf zu ihnen herabschob. Dazu brummte das Tier sanft und tief. Die Einladung, aufzusteigen, war nicht miss zu verstehen.

      Kabus Augen begannen zu leuchten und er musste lächeln. Er trat vor das Flugwesen, legte seine rechte Hand auf die Schnauze und wartete, bis der Elay ihn ansah. „Danke!“ sagte er aufrichtig und das Tier brummte nochmals sanft.

      Einen Moment später schwang sich Kabus bereits auf seinen Rücken und nahm in der Sitzschale dort Platz. Als er hinabschaute, um sich von Niuri zu verabschieden, stellte er überrascht fest, dass sie ihren rechten Fuß auf das eingeknickte Bein des Elay gestellt hatte und ihm ihren rechten Arm entgegenstreckte. „Hilf mir!“ sagte sie nur.

      „Was soll das werden?“ fragte Kabus.

      „Ich komme mit dir!“ erwiderte Niuri wie selbstverständlich.

      „Aber…?“

      „Hör auf!“ schnitt ihm die junge Frau sanft das Wort ab. „Ich werde dich nicht allein lassen!“ Mittlerweile hatte sie es irgendwie selbst geschafft, sich zu ihm hinauf zu ziehen. Sie schob sich dicht vor ihn und schaute ihm tief in die Augen. „Vorzugsweise nie mehr!“ Als sie sah, wie gerührt Kabus von ihren Worten war, musste sie zaghaft lächeln.

      „So sei es!“ erwiderte ihr Gegenüber und küsste sie kurz, aber leidenschaftlich. Danach half er ihr in die Sitzschale hinter ihm. Dabei sah er, dass auch Umuras Anstalten machte, auf den zweiten Elay zu klettern, zu dem er in den letzten Stunden offensichtlich ebenfalls entsprechendes Vertrauen hatte aufbauen können, dass er ihn reiten durfte.

      Als der Alte Kabus Blick wahrnahm, lächelte er etwas verlegen. „Sie ist eine Frau!“ Er deutete auf den Elay. „Sie könnte etwas launisch werden. Da ist es vielleicht besser, wenn ich mitkomme!“ Er verzog die Mundwinkel zu einem Grinsen.

      Doch Kabus nickte nur mit einem Lächeln. „Klar doch!“

      Dann nahm er die Zügel fest in seine Hände, erinnerte sich daran, wie es war, ein Pferd zu reiten und zog die Zügel zu sich. Sofort erhob sich der Elay, breitete seine Flügel aus und kreischte lautstark und ungeduldig.

      Kabus