Alfred Broi

Genesis VI


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Gipfel hatte sich die Geschwindigkeit derart verringert, dass ich befürchtete, sie würde auf den letzten Metern versagen. Immer wieder wurde der Rumpf des Schiffes zusätzlich durch wuchtige Explosionen erschüttert, die ihm quasi die Eingeweide herausrissen und für eine bedrohliche Schlagseite sorgten.

      Allen an Bord, dessen bin ich sicher, war klar, dass dies die letzte Reise der Kamarulu sein und dass es keine Überlebenden geben würde. Der endgültige Absturz eines derart gewaltigen Schiffes würde solch immense Energien freisetzen, dass alles innerhalb weniger Momente zu Staub verbrennen würde.

      Komm schon, rief ich mit schweißnasser Stirn mehr zu mir selbst und betrachtete besorgt den Geschwindigkeitsmesser, der weiterhin gnadenlos abfiel. Nur noch dieses eine Mal, Kleine! Der Gipfel war noch zweihundert Meter von uns entfernt. Sie musste doch nur noch wenige Sekunden durchhalten. Das Brüllen der verbliebenen Triebwerke hatte sich mittlerweile zu einem erbärmlichen Heulen gewandelt und der gesamte Rumpf des Schiffes begann zu erzittern. Nun komm schon, brüllte ich und meine Männer starrten mich entsetzt an.

      Dann hatte der Bug den Gipfel erreicht und schob sich darüber hinaus.

      Wo ist unser Zielobjekt? rief ich.

      Es hat den Eingang in das Tal fast erreicht!

      Lassen sie das Schiff über den Bug kippen und gehen sie auf Frontalkurs! Behalten sie volle Leistung auf den Triebwerken bei.

      Der Pilot nickte und wenige Momente später legte sich die Kamarulu in eine scharfe Rechtskurve, indem er den gesamten Rumpf kippte und dabei den Bug in die Tiefe drückte. Eben noch mit dem Blick in den Himmel, erschienen jetzt wieder massive Felsformationen vor uns und rasten in einer wilden Geschwindigkeit dicht an uns vorbei.

      Kaum war der Bug soweit gesunken, dass wir den Einschnitt, in dem wir selbst noch vor nicht einmal einer Minute gewesen waren, sehen konnten, konnten wir auch den gewaltigen Rumpf unseres Verfolgers ausmachen, wie er sich langsam in das angrenzende Tal hineinschob.

      Wieder erzitterte die Kamarulu und fast gleichzeitig erschütterte eine gewaltige Explosion den Rumpf, als das hintere der beiden Flugdecks an der Steuerbordseite in einem gleißenden Feuerball zerfetzt und abgesprengt wurde.

      Die riesige Stahlkonstruktion raste in die Tiefe und krachte mit unbändiger Wucht auf den Bergrücken, wo sie noch einmal in einer irrsinnig wuchtigen Detonation vollständig zerrissen wurde.

      Triebwerke aus! brüllte ich. Gehen sie auf Parallelkurs über das feindliche Schiff! Zielerfassung für alle Waffensysteme!

      Der Offizier tippte seine Befehle ein, dann nickte er mir zu. Ziel ist erfasst!

      Also dann meine Herren, rief ich, um den gewaltigen Lärm des Schiffes zu übertönen. Es war mir eine Ehre, mit ihnen fliegen zu dürfen! Und jetzt…Feuer!

      Es war ein unglaubliches Schauspiel:

      Die Kamarulu donnerte beinahe im Sturzflug auf das feindliche Schiff hinab, bevor sich ihr Bug wieder hob. Zu diesem Zeitpunkt befand sie sich etwa eine halbe Meile hinter ihm. Kaum hatte sich der Rumpf ausgerichtet, wurde der Feuerbefehl ausgeführt.

      Innerhalb weniger Augenblicke zuckten annähernd achtzig Projektile aller Größen und Sprengkraft aus den Mündungsrohren unseres Schiffes und jagten auf den Feind zu, wo sie einen Wimpernschlag später beinahe zeitgleich einschlugen und ihre gewaltige Energien freisetzten.

      Der Schutzschild des feindlichen Schiffes konnte einige der Angriffe abwehren, doch die meisten fanden ihr Ziel und trieben ihre tödliche Wucht durch die Außenhaut in das Innere hinein. Überall flammten grelle Blitze auf, schossen Feuer und Trümmerteile in alle Richtungen, vermischten sich mit dunklem Qualm zu gigantischen Flammenfäusten.

      Immer wieder zuckte der Rumpf erbärmlich unter den Einschlägen der Projektile und der Wucht der Detonationen. Fast augenblicklich stoppten die Maschinen des Schiffes, während die Kamarulu mit hoher Geschwindigkeit nur einhundert Meter über seinem Rumpf hinwegdonnerte und Sekunden später mit schwerer Schlagseite und unzähligen eigenen Flammenherden in der Nebelwand aus Wolken und Gischt, hervorgerufen durch den gewaltigen Wasserfall aus dem Bergmassiv zur Rechten, verschwand.

      Stille erfasste die Höhle, als Lobos geendet hatte, denn seine Worte hallten noch deutlich in den Köpfen der Anwesenden nach. Diejenigen, wie Vilo, Mavis, Cosco, Tibak, aber auch Pater Matu, die wussten, wovon der Admiral gesprochen hatte, waren gefangen von den Bildern, die seine Worte erzeugten, doch auch die anderen, wie Kaleena, Melia und Chalek, die die Kamarulu nie gesehen hatten und von militärischer Kampfführung nicht viel verstanden, waren beeindruckt und sprachlos.

      Überraschenderweise war es Lobos selbst, der wieder seine Stimme erhob. „Unser Feind muss mächtig geschockt von unserer Attacke gewesen sein, denn er feuerte nicht mehr auf uns. Außerdem stoppte er seine Maschinen. Wenige Augenblicke später muss er dann hinter dem Nebel die gewaltigen Explosionen gesehen haben, die unser Ende zeigten. Als das feindliche Schiff schließlich über die Wasserfälle hinweg flog, war zu sehen, dass es schwere Schäden hatte hinnehmen müssen. Es drehte dann nach Süden ab. Wir haben es seither nicht wiedergesehen!“

      Wieder trat Stille ein, denn Mavis und die anderen wussten nicht, wie sie Lobos überraschende Worte deuten sollten.

      Vilo musste dann wohl der Meinung gewesen sein, zumindest irgendetwas zum Besten zu geben. „Verdammt Admiral. Sie und ihre Männer sind aber auch ein verwegener Haufen!“ Er grinste und nickte beeindruckt.

      „Ja!“ Das war Melia und alle schauten sie ziemlich überrascht an, weil ausgerechnet sie das Wort ergriff. „Aber es erklärt nicht wirklich…!“ Sie wurde, ob der vielen Blicke auf sich, etwas unsicher. „…warum…ähm…sie noch leben!“ Sie blickte hilfesuchend zu Mavis. „Oder?“

      Mavis schaute Melia zunächst ebenso überrascht an, wie alle anderen, doch dann erkannte er, dass sie einfach nur Recht hatte und lächelte ihr zu. Sie erwiderte diese Geste jedoch nur sehr kurz, dann wurde sie wieder ernst…nein, nicht ernst…traurig. „Melia hat Recht!“ sagte er dann aber und wandte sich an Lobos. „Wie zum Teufel sind sie noch rechtzeitig von Bord gekommen?“

      Alle Blicke waren jetzt auf den Admiral gerichtet, doch der antwortete nicht sofort, sondern schaute zunächst jeden Einzelnen an, bis sein Blick auf Mavis haften blieb, der in den Augen seines Gegenübers ein Funkeln und auf seinen Lippen sogar ein leichtes Lächeln zu erkennen glaubte. Als Lobos dann den Mund öffnete, sagte er nur ein einziges Wort: „Gar nicht!“

      „Wie bitte?“ Mavis glaubte sich verhört zu haben.

      „Was soll das heißen?“ fragte Cosco. „Dass sie den Absturz an Bord des Schiffes überlebt haben?“

      Der Admiral antwortete nicht, sondern nickte nur.

      „Was?“ platzte Vilo hervor. „Aber das ist doch Bullshit!“ Seine Miene verdunkelte sich zusehends. „Niemand kann den Absturz der Kamarulu überleben!“

      „Stimmt!“ Lobos nickte erneut. „Allein die sechs Triebwerksreaktoren haben so viel Energie in sich, um alles zu Staub zu verbrennen!“

      „Eben!“ Vilo fühlte sich bestätigt. „Meine Rede!“

      Mavis schaute den Admiral direkt an. „Und dennoch sitzen sie alle hier!?“ Sein rechtes Auge verengte sich dabei zu einem schmalen Schlitz. „Wie passt das zusammen? Gab es noch einen intakten Jet an Bord. Oder eine Rettungskapsel?“ Er schaute zu Vilo. „Hatte sie Rettungskapseln?“

      „Nein!“ erwiderte sein Freund. „Sie hatte keine!“

      Lobos nickte erneut. „Richtig! Und einen intakten Jet gab es auch nicht!“ Wieder hatte Mavis das Gefühl, dass der Admiral leicht amüsiert wirkte.

      „Ich glaube…!“ hob Melia an und erneut blickten alle zu ihr. Für eine Sekunde befiel sie Unsicherheit, doch dann straffte sich ihr Oberkörper. „…der Admiral meint nicht, dass er beim Absturz an Bord war…!“ Sie erkannte, dass Mavis sie ansah und warf ihm einen kurzen, ernsten Seitenblick zu. „sondern, dass…ähm…es