machte einen Schritt auf Narrix zu. Doch bevor er ihn ganz ausgeführt hatte, war der Kerl in seinem Rücken auch schon bei ihm und hämmerte ihm mit rüder Gewalt den Gewehrkolben zwischen die Schulterblätter, dass es nur so krachte. Rimbo hatte das unbedingte Gefühl, dass etwas zerbrach. Alle Kraft wich aus seinem Körper und er fiel zurück auf die Knie, wo ihm der Kerl nochmals einen derben Schlag mit dem Kolben in den Nacken versetzte, sodass er aufschreien musste. Für einen Moment verschwamm das Bild vor seinen Augen, dann spürte er widerliche Hitze in seinem Gesicht, als die Schlinge um seinen Hals wieder festgezogen und er somit zurück auf seine Ausgangsposition getrieben wurde.
„Bist du bescheuert?“ fragte Narrix in lässigem Ton wahrlich von oben herab.
„Lass sie in Ruhe!“ stieß Rimbo hervor. „Leg dich mit mir an, wenn du dich traust!“ Er blickte seinem Gegner geradewegs und mutig in die Augen.
Doch Narrix blieb ruhig und grinste sogar. „Dass du mit ihr leiert bist, habe ich schon mitbekommen! Auch, dass ihr beide…!“ Er blickte zu Kendig und Malawi. „…zusammengehört, weiß ich!“ Er drehte sich zu den drei anderen Personen, die bisher noch ungeschoren davongekommen waren. „Aber bei euch dreien bin ich mir da noch nicht so sicher!“ Er trat vor Esha, Shamos und am anderen Rand der Gruppe Jorik. In ihren ebenfalls übel zugerichteten Gesichtern, konnte man sehen, dass sie nervös wurden. Narrix hatte im Moment wirklich alle Trümpfe in seinen Händen und spielte sie absolut gnadenlos aus. Allen war klar, dass er brandgefährlich war und ihr aller Leben am seidenen Faden hing. „Ich muss das aber wissen!“ Narrix Stimme klang beinahe entschuldigend. „Damit ich weiß, wessen Partner hier fehlt!“ Er schaute alle drei direkt an. „Denn das einer fehlt, ist klar!“ Plötzlich veränderte sich seine entspannte Miene, er verzog die Mundwinkel, blickte erst säuerlich, dann zornig und schon im nächsten Moment brüllte er fast hysterisch. „Denn diese Mistsau hat uns bei euren Freunden verraten und mich ein verdammtes Schiff gekostet!“ Ohne Vorwarnung zuckte seine rechte Faust nach vorn und schon verpasste er jedem der drei einen knallharten Schlag ins Gesicht, dass es nur so klatschte. Alle stöhnten, Esha schrie zusätzlich erstickt auf. Doch keiner von ihnen zeigte weitere Reaktionen, geschweige denn Blickkontakt. Shamos zerriss es innerlich beinahe, dass er mit ansehen musste, wie Esha litt, doch war ihm spätestens nach diesen Worten des Captains klar, was Jorik geschehen würde, wenn sich herausstellte, dass seine Marivar die Informantin ihrer Freunde gewesen war, denn nur sie konnte es doch gewesen sein.
Jorik sah man an, dass sich in seine Furcht vor den Konsequenzen auch so etwas wie Freude gemischt hatte, denn letztlich bewies dies alles doch auch, dass Marivar noch immer lebte – eine Ungewissheit, die ihm bisher schwer zu schaffen gemacht hatte.
Narrix beruhigte sich wieder etwas, zumindest schien es so. Er stand mit gesenktem Kopf der Gruppe abgewandt. Es waren tiefe Atemzüge zu hören, während seine Hände sich immer wieder zur Faust ballten und dann wieder öffneten. Sein Gesicht war eine zornige Grimasse, seine Augen funkelten irr, er schwitzte. Doch das konnte keiner der anderen sehen. Erst allmählich entspannten sich seine Züge und wenige Augenblicke später erschien tatsächlich ein Lächeln auf seinen Lippen, das sogar anhielt, als er sich wieder zu der Gruppe herumdrehte. „Okay!“ Seine Stimme klang fast freundlich, doch in den Gesichtern seiner Opfer sah er Furcht, was ihn zusätzlich belustigte. „So kommen wir also nicht weiter!“ Er atmete einmal tief durch. „Dann eben auf andere Weise!“ Sein Lächeln verschwand, er schürzte die Lippen und schniefte einmal durch die Nase. Dann schaute er Esha, Shamos und Jorik für einen Moment ausdruckslos an, bevor er sich nach links wandte und auf einen seiner Männer zuging, der bisher reglos am Eingang der Höhle Posten eingenommen hatte. „Geben sie mir ihre Waffe!“ Narrix sah ihn kaum an und deutete stattdessen auf die Pistole am Gürtel des Mannes. Der war im ersten Moment etwas überrascht, dass er nicht sein Gewehr haben wollte, dass er vor der Brust hielt, doch auch ihm schien mehr als bewusst zu sein, dass der Captain gerade sehr gefährlich war und womöglich auch vor seinen eigenen Leuten nicht Halt machen würde. Also reichte er ihm die Waffe. Narrix nahm sie mit seiner linken Hand und drehte sich zu der Gruppe um. Mit einem kurzen Druck entriegelte er das Magazin der Pistole, das daraufhin zu Boden fiel. Narrix beachtete es gar nicht, sondern ließ stattdessen sogar den Schlitten einmal vor und zurückratschen, sodass mit einem leisen Pling und deutlich sichtbar, die Patrone, die sich im Lauf befunden hatte, ebenfalls zu Boden segelte. Damit war klar, dass diese Waffe vollkommen entladen war. Narrix hielt inne und betrachtete seine Opfer einen nach dem anderen. In ihren Gesichtern sah er Anspannung und wieder Furcht. Doch er ließ sich seine Freude darüber diesmal nicht anmerken. Stattdessen zog er ruckartig seine eigene Waffe aus dem Hohlster an seinem Gürtel und entriegelte mit der gleichen Bewegung ebenfalls das Magazin, das daraufhin zu Boden fiel. Wieder hielt er danach inne und schaute ausdruckslos auf Esha, Shamos und Jorik, die ihn mit immer größer werdender Nervosität anstarrten, weil ihnen bewusst war, dass sich in dieser Waffe noch immer die Kugel im Lauf befand.
Dann aber ging alles unendlich schnell:
Narrix drehte ihnen mit beiden Waffen den Rücken zu. Alles, was zu sehen war, waren seine hin und her zuckenden Arme. Dann zuckte er blitzschnell zurück, hielt beide Waffen lässig neben dem Körper, während er sie hörbar entsicherte und ging direkt auf Esha zu. Die starrte ihn mit zunehmendem Entsetzen an, weil sie ahnte, dass etwas Schlimmes passieren würde, sie aber noch nicht genau wusste, was.
Narrix konnte sich eines kurzen Lächelns nicht erwehren, dann aber wurde er wieder ernst, riss den rechten Arm in die Höhe und zielte auf Jorik.
Augenblicklich schrien Kendig, Rimbo und ihre Frauen auf, auch Shamos. Esha war nicht fähig zu einer Reaktion, sie starrte den Captain nur unvermindert an, während Tränen aus ihren Augen rannen.
Dann drückte Narrix ab!
*
Marivar schreckte aus dem Schlaf auf und richtete sich sofort kerzengerade auf. Ihr Atem ging stoßweise und unregelmäßig, kalter Schweiß lag auf ihrer Stirn. Ihre Augen waren weit geöffnet und starrten ins Leere.
Im ersten Moment wusste sie nicht, wo sie war. Sie konnte sich gerade noch vage daran erinnern, dass sie gegen ihre Müdigkeit angekämpft hatte, sie ihr letztlich aber Tribut zollen musste.
Dann waren da plötzlich Esha, Malawi und Idis. Kendig, Rimbo und Shamos. Und da war Jorik. Sie stand direkt vor ihm, wollte ihn umarmen, doch noch bevor sie ihn berühren konnte, erschlafften plötzlich all seine Gesichtszüge, er verdrehte die Augen und schon im nächsten Moment sackte er direkt vor ihr vollkommen kraftlos zu Boden, während sich auf seiner Brust ein Fleck aus frischem Blut ausbreitete. Der Schreck ließ sie erstarren und gleichzeitig aufschreien.
Ihr Blick klärte sich allmählich, sie erkannte ihre Umgebung und plötzlich dämmerte ihr, dass sie geschlafen haben musste. Nichts von dem, was sie gesehen hatte, war hier. Nicht ihre Freunde, nicht Jorik. Sie war vollkommen allein, in einem kleinen Raum voller umgestürzter Einrichtungsgegenstände auf einem notdürftig bereiteten Lager im Inneren eines Schiffswracks vor der Küste Kimuris. Plötzlich kamen all ihre Erinnerungen zurück und sie fühlte sich augenblicklich leer und hilflos.
Hinzu kam, dass ihr zwar klar wurde, dass ihr Traum nur ein Traum gewesen war, dass sie aber ebenso sicher war, dass das Gefühl, dass etwas Furchtbares mit Jorik geschehen sein musste, dennoch real war und tief in ihrem Inneren fest verankert blieb.
Und deshalb konnte sie sich absolut nicht dagegen erwehren, dass ihr die Tränen aus den Augen quollen und sie ganz erbärmlich schluchzen musste, weil sie erkannte, dass sie so unendlich weit weg von dem Menschen war, für den sie nichts mehr als einfach nur Liebe empfand.
*
Ein scharfes Klicken war zu hören – mehr jedoch…nicht!
Jorik, der Narrix die ganze Zeit über angestarrt hatte, spürte, wie eine heiße Schockwelle durch seinen Körper zuckte, die ihm fast die Besinnung raubte und seine Knie weich werden ließ. Er schluckte demonstrativ und begann dann leicht zu zittern.
Erleichterung mache sich breit, doch sie dauerte nur einen winzigen Augenblick.
Dann nämlich sagte Narrix mit fast schon obszön klingender