Alfred Broi

Genesis VI


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militärische Errungenschaft in erster Linie die Gefahr einer Angriffswaffe in sich birgt und erst dann der Aspekt der Verteidigung zum Tragen kommt. Da mir die ungeheure Kraft der Kamarulu jedoch bereits damals bewusst war, beschloss ich, mich dem Team anzuschließen, um genau das zu verhindern. Am Ende war ich sicher, eine starke Waffe gegen den Krieg mitentwickelt zu haben. Das man mir schließlich das Kommando über sie anbot, kam für mich tatsächlich überraschend. Es war eine besondere Ehre für mich, diesen Posten annehmen zu dürfen…und das ist es stets geblieben!“ Lobos blickte wehmütig, bevor er sich mit einem tiefen Atemzug wieder zusammenriss. „Dann kam der Einsatzbefehl für den Luftkampf über Ara Bandiks!“ Seine Gesichtszüge verhärteten sich mit jedem Wort immer mehr. „Wir wussten, mit der Kamarulu hatten wir die ultimative Schlagwaffe gegen die Invasoren. Im Luftkampf waren wir überlegen, unsere Piloten hervorragend ausgebildet. Keiner dieser…Bastarde hätte eine Chance gegen sie gehabt, doch die zahlenmäßige Übermacht war einfach unfassbar groß. Wir mussten unsere kompletten Staffeln in Einsatz bringen. Zwei Divisionen mit je vier Bataillonen, bestehend aus je sechs Kompanien mit je vier Staffeln. Das waren 447 Kampfjäger, 81 Kampfbomber, 24 Truppentransporter, 14 Aufklärungsflugzeuge und 10 Schwerlasttransporter. Insgesamt 576 Flugzeuge im Dauereinsatz!“ Wieder hielt Lobos inne und hing für einen Augenblick seinen Erinnerungen nach. „Viele gute, aufrechte Männer sind an diesem Tag in den Wolken über Ara Bandiks gestorben. Doch hätten wir es geschafft…!“ Erneut atmete er tief durch, sein Blick aber blieb ernst und traurig. „Aber dann...!“ Er hielt inne, schüttelte den Kopf und schien fast ein wenig verzweifelt. „…quoll aus dem Schlauch der Anomalie jenes gewaltige Schlachtschiff und brachte dieses Meer aus furchtbaren Kreaturen mit sich, die sich wie brennendes Öl über die Stadt ergossen!“ Lobos Gesicht war eine einzige angewiderte Maske und Mavis hätte sich wirklich nicht gewundert, wenn er ausgespien oder gar gekotzt hätte. Doch ihm ging es ähnlich, denn mit seinen Worten hatte der Admiral – und nicht nur bei ihm, sondern auch bei Vilo, Cosco und seinen eigenen Männern – furchtbare Bilder aus der Erinnerung einer der dunkelsten Stunden dieses Planeten hervorgerufen, denen sie sich kaum entziehen konnten und ihnen eine ekelhafte, eiskalte Gänsehaut über den Körper trieb.

      „Und urplötzlich hatten sich die Kräfte verschoben!“ fuhr Lobos fort. „Die Kamarulu war nicht mehr die mächtigste Waffe am Himmel, hatte jetzt einen absolut gleichwertigen Gegner bekommen!“ Seine Züge nahmen einen angewiderten Ausdruck an. „Der einen entscheidenden Vorteil besaß: Er konnte trotz aktiviertem Schutzschild feuern!“ Emotionen kamen sichtlich in ihm hoch, die er nur mit Mühe unterdrücken konnte. „Und damit war der Schwachpunkt…der einzige Schwachpunkt…der Kamarulu bloßgelegt. Sie war ein Trägerschiff!“ Seine Worte klangen fast entschuldigend. „Nicht auf die direkte Konfrontation mit dem Gegner ausgelegt. Der Schutzschild diente dazu, die Jäger zu schützen, wenn sie auftankten und Munition nachluden. Um angreifen zu können, musste sie ihr Schutzschild deaktivieren!“ Er blickte ehrlich betroffen in die Runde und erkannte den nickenden Vilo. Plötzlich fiel ihm ein, dass er es – damals noch in seiner Funktion als Nuri – gewesen war, der den Befehl dazu gab. Ein guter Befehl, weil absolut alternativlos, den Lobos auch nie angezweifelt hatte „Oh, die Bewaffnung der Kamarulu war gewaltig, hätte sicherlich jeden anderen Gegner daran gehindert, sie anzugreifen, doch hatte bei ihrer Entwicklung natürlich niemand je damit gerechnet, dass sie sich einmal einem ebenbürtigen Gegner gegenübersehen würde!“ Sein Blick wurde wieder finster. „Doch genauso war es. Ihre Jäger konnten unsere Kampfjets attackieren, das feindliche Schiff die Kamarulu und unsere Jäger. Wir hatten somit gar keine andere Wahl, als ihnen zu helfen. Doch kaum hatten wir unseren Schutzschild deaktiviert, zogen wir allen Beschuss auf uns. Die Durchschlagskraft ihrer Waffen war absolut mörderisch und etwas, dem wir nichts Vergleichbares entgegenzusetzen hatten. Innerhalb kürzester Zeit mussten wir schwere Treffer hinnehmen und den Schild schließlich wieder hochfahren. Jetzt aber hatte sich das feindliche Schlachtschiff auf uns eingeschossen und es war absolut klar, dass es alles daransetzen würde, die Kamarulu zu zerstören!“ Lobos hielt inne und atmete einmal tief durch. „Ich habe das gesehen und eine Entscheidung getroffen!“ Seine Züge verhärteten sich. „Einem weiteren Beschuss durch das Schlachtschiff und die feindlichen Jäger hätten wir trotz Schutzschild nicht viel länger standhalten können. Die Kamarulu wäre zu einem Feuerball am Himmel über Ara Bandiks geworden und hätte am Boden alles Leben ausgelöscht. Also befahl ich abzudrehen und nach Nordosten zu fliegen, zum Piritak-Massiv. Wenn es uns gelänge, das gewaltige Schiff wegzulocken, hätten es unsere Piloten nur mit den feindlichen Jägern zu tun und damit noch eine Siegchance! Und wir gegen das Schlachtschiff in den Schluchten des Bergmassivs vielleicht auch!“ Er nickte mehrmals, als würde er in Gedanken seine Entscheidung nochmals durchdenken und zu demselben Schluss kommen. „Tatsächlich ging der Feind auf unser Manöver ein und folgte uns, doch der Flug wurde mehr und mehr ein Spießroutenlauf, bei dem wir weitere schwere Treffer hinnehmen mussten, bis schließlich der Schutzschild ausfiel! Damit war klar, dass die Schluchten des Bergmassivs unsere einzige und letzte Rettung waren! Bevor wie sie aber erreicht hatten, gelang es dem Feind, noch eine letzte, gewaltige Breitseite auf uns abzusetzen! Die Zerstörungen an und in der Kamarulu waren unvorstellbar und uns allen klar, dass wir das Schiff nicht mehr retten konnten! Alles was uns noch blieb, war, zu versuchen, das feindliche Schlachtschiff mit uns in den Tod zu ziehen! Also bereiteten wir alles für die letzte Fahrt der Kamarulu vor!“ Er stockte wieder und atmete nochmals ein, bevor er fortfuhr. „Ich gab den Befehl, vollen Schub zu leisten, obwohl nur noch vier der sechs Triebwerke intakt waren. Doch mir war klar, dass wir alles daransetzen mussten, den Bergeinschnitt, dem wir gerade folgten, hinter uns zu bringen, bevor ihn das feindliche Schlachtschiff erreicht hatte. Das hätte die Kamarulu zwar nicht mehr gerettet, uns aber vielleicht noch in die Lage versetzt, einen hohen Blutzoll für unseren Tod zu fordern.

      Und es gelang tatsächlich!

      Wir hatten die erste Biegung durchlaufen, bevor der Feind den Taleinschnitt erreicht hatte.

      Und es wurde sogar noch besser:

      Das Tal, in dem wir uns befanden, fiel stark ab. Aus dem Felsmassiv zu unserer Rechten stürzten die gewaltigen Wassermassen des bis dahin unterirdisch verlaufenden Mioli-Flusses herab. Die tosende Gischt spannte eine dichte Nebelwand vor uns auf.

      Ich erinnerte mich an diese Stelle, da ich in meiner Kindheit schon einmal hier gewesen war und wusste daher, dass sich schon nach weniger als einer Meile zwei weitere, dicht aufeinanderfolgende Wasserfälle von absolut beachtlicher Größe anschlossen. Hiernach verschwindet der Mioli nach einigen Meilen wieder im Planeteninneren, bevor er am Fuße der Schluchten von Kindagi erneut austritt und sich mit dem Kindagi-Strom vereint.

      Hier sah ich eine Chance, mit letzter Kraft den Jäger zum Gejagten zu machen und ihn in einen Hinterhalt zu locken.

      Ich verlangte der Kamarulu so viel mehr ab, als sie eigentlich noch zu Geben im Stande war, doch zeigte sich, welch fantastisches Schiff wir gebaut hatten. Es gelang uns, einen schier unglaublichen Looping zu fliegen, bei dem wir das Schiff am höchsten Punkt nach rechts abkippen ließen. So konnten wir der Bergflanke folgen und dann quasi um den Gipfel herumfliegen. Es war Millimeterarbeit, überall ächzte und stöhnte es, der Stahl, die gesamte Konstruktion brüllte wütend auf, doch brach sie nicht auseinander. Unser Pilot…!“ Lobos deutete auf einen noch recht jungen Mann mit kurzen, schlohweißen Haaren, dunkel leuchtenden Augen und einer kurzen, spitzen Nase, die seinem Blick etwas Schelmisches verlieh. „…vollbrachte in diesen und den darauffolgenden Momenten nicht weniger als ein waschechtes Wunder!“ Der Angesprochene lächelte. Lobos wandte sich zu ihm um und sah ihn direkt an. „Ich habe noch niemals zuvor einen besseren Mann auf diesem Posten gehabt. Unser aller Leben…!“ Er deutete auf die anderen Personen aus seiner Mannschaft. „…ist dein Verdienst! Solltest du jemals wieder fliegen können und eine Besatzung brauchen, kannst du auf mich…auf uns alle… zählen!“ Überall wurde genickt und der Pilot war jetzt sichtlich bewegt.

      Und als Lobos dieses Mal fortfuhr, klang seine Stimme sehr emotional und aufgekratzt, hallte beinahe geheimnisvoll und unheilschwanger in der Höhle wieder, als würden die Ereignisse von damals jetzt tatsächlich noch einmal vor seinem inneren Auge ablaufen und zogen damit innerhalb weniger Sekunden ausnahmslos jeden in seinen Bann

      Es gelang dem Piloten, das Schiff aus dem Radarbereich des