K. Krista

LOST AND FOUND


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ihn vor Jahren diese Leidenschaft gepackt, die Neugier und nicht zuletzt Überraschung, was der Koffer wohl enthält und ob sich etwas über den Besitzer herausfinden lässt, lassen ihn nicht mehr los.

      Zu meiner Überraschung verliert sich meine Zurückhaltung mit jeder Minute, mein Gegenüber gibt sich so natürlich, ist ausgesprochen charmant, klug und witzig. Die Zeit vergeht wie im Fluge und plötzlich bemerke ich, wie sich der Biergarten immer mehr füllt. Essensgerüche dringen in meine Nase und ich stelle fest, dass es bereits Mittag ist und ich sehr gut etwas zu Essen vertragen könnte.

      Wir genießen auch das Essen noch zusammen und als Maximilian, wie er sich formvollendet vorstellt, erwähnt, dass er sich nun wieder auf den Weg machen muss, höre ich mich sagen, dass ich gerne mit ihm zurück gehen würde, falls er nichts dagegen hat.

      So etwas ist mir noch nie passiert.

      Kaum habe ich diese Bitte ausgesprochen, da spüre ich, wie sich eine sanfte Röte über meinem Gesicht ausbreitet. Maximilian lässt sich viel Zeit mit seiner Antwort und mir ist mein spontaner Einfall plötzlich sehr peinlich.

      Wie konnte ich nur, das ist gar nicht meine Art.

      Beeinflusst mich das Buch?

      Ich benehme mich schon wie die Frau in dem Tagebuch, der hätte ich einen solch spontanen Einfall sofort zugetraut.

      >>Ich würde mich sehr freuen, wenn du mich begleiten möchtest<<, erklärt Maximilian begeistert, als ich schon denke, heute keine Antwort mehr zu bekommen.

      ***

      Es dauert nur ein paar Minuten, dann ist mein Rucksack gepackt und ich checke aus der Pension aus. Die nette Dame an der Rezeption weißt mich bedauernd darauf hin, dass es jetzt bereits nach 12 Uhr ist und sie mir das Geld für die heutige Übernachtung nicht zurückerstatten kann.

      Mir ist das egal, auf die 40 Euro verzichte ich gerne.

      Auf dem Weg zurück nach Augsburg unterhalten wir uns über Gott und die Welt.

      Ich fühle mich ausgesprochen wohl in Maximilians Gegenwart und selbst, wenn wir eine lange Zeit schweigend nebeneinander her gehen, ist dies ein angenehmes, kein befangenes Schweigen. Wir lauschen Beide den Stimmen der Natur und können uns an vorbeihuschenden Eichhörnchen ebenso erfreuen, wie an einer Entenfamilie, die sich nahe des Ufers durch das Wasser treiben lässt.

      Ich wundere mich wirklich über mich selbst.

      Heute Morgen noch habe ich mich über die Frau im Tagebuch geärgert und gewundert, wie sie einfach auf das Angebot dieser beiden Männer am Gardasee eingehen konnte und nun laufe ich mit einem, mir wild fremden Mann durch die Gegend. Gut jetzt am Nachmittag begegnen wir wesentlich mehr Menschen, als am Morgen, doch hätte ich es bei Maximilian mit einem Perversen zu tun, hätte er mich einige Male an abgelegenen Stellen in den Wald zerren können.

      Dieser Gedanke kommt jedoch nicht ein einziges Mal auf.

      So vergeht die Zeit, zu meinem ehrlichen Bedauern wie im Fluge und es betrübt mich fast, als ich ihn zum Bahnhof in Augsburg begleite, dass unsere Zeit schon wieder vorbei ist.

      Maximilian kommt aus Kempten im Allgäu und ist vor ein paar Tagen von dort aus Richtung Augsburg losgelaufen. Er hatte somit in etwa die selbe Idee wie ich, nur dass seine Strecke weiter war, als die meine. Sein Ziel war von Anfang an Augsburg und so sitzen wir nun hier am Mac Donald und trinken eine Tasse Kaffee um uns die Wartezeit zu vertreiben, bis sein Zug einfährt.

      Maximilian lächelt mich nach einer kurzen Gesprächspause an.

      >>Wollen wir unsere Telefonnummern tauschen?

      Ich fand die Zeit mit dir sehr angenehm, vielleicht können wir einmal zusammen eine kleine Wanderung unternehmen?<<

      Freudig überrascht sage ich zu und notiere meine Nummer.

      Und wieder eine Reaktion, die ich von mir nicht kenne.

      Mit meiner Telefonnummer bin ich extrem eigen. Wenn überhaupt, dann gebe ich nur meine E-Mail Adresse heraus, jemandem meine Nummer zu geben, den ich nur ein paar Stunde kenne, ist bis heute nicht vorgekommen.

      Still lächle ich mich hinein, vielleicht färbt das Tagebuch doch ab.

      SIEBEN

       Samstag

       27.Sept.1980

       Hallo liebes Tagebuch,

       dass ich bei Erni geblieben bin und eine Beziehung mit ihm angefangen habe, muss ich nicht extra erwähnen, wir kennen uns lange genug und nein, er ist nicht mein Zuhälter.

       Wenn du richtig zugehört hast, arbeitet er als Wirtschafter in dem Puff, aus dem ich raus geflogen bin und verdient dort gar nicht schlecht, er ist also nicht auf mein Geld angewiesen und ich habe auch nicht vor, ihm welches zu geben. Im Moment weiß ich nicht recht wohin und Erni dient mir, Ohren zuhalten, als Sprungbrett.

       Er hat mich in den letzten Tagen darüber aufgeklärt, dass die Puffs immer weniger werden und sich immer mehr Clubs in den Städten breit machen. Der größte Unterschied zwischen den beiden Etablissement ist, dass in den Clubs richtig gevögelt wird. Soll heißen, wenn du beim „Falle schieben“ erwischt wirst, fliegst du raus und wenn du richtig Pech hast, musst du dem Freier die Kohle wieder geben.

       Ist das zu glauben?

       Nun, Erni erklärte es mir so, dass die Clubfrauen den Freiern davon erzählten, dass sie in den Puffs beschissen werden, um sie abzuwerben. Daraufhin achten die Freier natürlich darauf, dass ihre Penisse auch wirklich reingesteckt werden. Frauen die im Puff gelernt haben zu arbeiten, verdienen immer weniger, einige wenige, die es sich leisten können, steigen aus und ich fange genau zu dieser Zeit zum „Anschaffen“ an.

       Was für ein beschissenes Timing.

       Aber gut jetzt ist es nun mal so.

       Augen zu und durch.

       Samstag

       04.Okt.1980

       Hallo liebes Tagebuch,

       da bin ich wieder.

       Erni will mich in einem Club in Mannheim unterbringen.

       Ja, du hörst richtig, in einem Club.

       Wie ich bereits erwähnte, gibt es immer weniger Puffs in Deutschland, in Stuttgart hatte ich angefragt, aber die sind voll. Laufhäuser, wie man Puffs auch nennt, gibt es fast nur noch in großen Stätten und der nächstliegende wäre das „Drei Farben Haus“ in München gewesen, das ist mir im Moment zu weit. Ich fühle mich bei Erni noch ganz wohl, eine Zeitlang möchte ich schon noch bei ihm bleiben.

       Nun ist es so üblich, dass man sich, bevor man in einer Stadt als Prostituierte betätigt, bei der Kripo, Abteilung Sitte, anmelden muss.

       In jeder Stadt das Gleiche Prozedere, man meldet sich bei der Kripo und dem Gesundheitsamt an. Im Grunde eine eher lästige, als unangenehme Angelegenheit, da die Beamten der Sitte meist sehr nette Männer sind, anders in Mannheim wie ich heute feststellen durfte. Der Typ wollte mir einfach nicht glauben, dass ich keinen Zuhälter habe. Zu seiner Entschuldigung muss ich hinzufügen, dass es tatsächlich eher unüblich ist, ohne einen Zuhälter zu arbeiten.

       Mit allen Mitteln, erst freundlich und mit fortschreitender Zeit immer ungehaltener, versuchte er mich dazu zu bringen, ihm mit zuteilen, für wen ich Anschaffen würde.