K. Krista

LOST AND FOUND


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dem man den Freier erst einmal aufs Zimmer lockt, hat man ihn dann auf dem Zimmer, ist es meist ein Leichtes mehr Geld, als Anfangs ausgemacht zu bekommen. Man bietet vielleicht an, Dessous zu tragen, oder man schwärmt dem Mann vor, dass man ganz wahnsinnig auf Oralverkehr steht, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, kostet alles natürlich mehr.

       Der Typ ist geil, sein Blut steckt im Schwanz, nicht mehr im Hirn.

       Hört sich böse an, ist aber so.

       Diese Vorgehensweise nennt sich „Kobern“.

       Ein absolut gängiger Vorgang, der in jedem Haus praktiziert wird.

       Wie sich im Verlauf meiner, zugegeben erst kurzen Tätigkeit herausstellte, bin ich darin ein wahres Genie und hier soll dies nicht gestattet sein?

       Geradezu lächerlich.

       Nun ist es hier jedoch leider so, dass das gesamte Obergeschoss dieses Hauses, wo sich die Arbeitszimmer befinden, ursprünglich ein einziger großer Raum war, der nur durch Leichtbauwände in mehrere kleinere Räume eingeteilt wurde. Diese Wände reichen nicht bis an die Decke und sind so dünn, dass Gespräche aus den Nebenzimmern, nahezu Wort für Wort mitgehört werden können, sofern man darauf Wert legt.

       Ganz richtig liebes Tagebuch, es kommt, wie es kommen muss.

       Ich werde erwischt.

       Nachdem ich meinen Freier verabschiedet habe, werde ich in den Kontaktraum, geradezu beordert und von zehn aufgebrachten Nutten zur Sau gemacht.

       Was denken sich diese Schlampen eigentlich?

       Sich hinlegen, die Beine breit machen und sich von jedem Hans und Franz durchficken zu lassen ist nun wirklich keine Kunst und genauso sagte ich ihnen das auch.

       Ich spukte Gift und Galle, wie habe ich in diesem Moment diese Frauen verabscheut.

       Kurz bevor ich mich, wütend und aufgebracht wie ich war, auf die Meute werfen wollte, mischte sich der Wirtschafter des Ladens ein und brachte mich in Sicherheit. Kurz entschlossen zerrte er mich in sein Büro, drückte mir seinen Hausschlüssel in die Hand, rief ein Taxi und bat mich, bei ihm zu Hause auf ihn zu warten, meine Habseligkeiten würde er mitbringen.

       Völlig überrumpelt und noch immer sehr aufgebracht, wurde mir klar, dass er mir wohl soeben zwar nicht gerade mein Leben gerettet hat, aber mir mit seinem Eingreifen, wohl einige Blessuren erspart hatte und ich willigte ein.

       Erni, so heißt der Typ, ist sehr amüsiert über meinen Auftritt und bewundert meine Courage, mich gegen mindestens zehn wütende Frauen stellen zu wollen. Außerdem ist er voll und ganz meiner Meinung, Frauen die sich so billig verkaufen und noch nicht einmal versuchen „Falle zu schieben“, hätten auch von ihm keinen Respekt verdient.

       Ich bin auf einen Zuhälter der alten Schule getroffen.

       Ich hatte es schon in den letzten Tagen in Kassel bemerkt und jetzt bestätigte Erni mir, dass sich die Zeiten gerade verändern und ich mich, wollte ich den Job nicht aufgeben, wohl oder übel damit abfinden muss, mich vögeln zu lassen.

       Ich hatte ein ganz schlechtes Timing in Bezug auf meine berufliche Zukunft.

      ***

      Das Mädchen hat wirklich Mut, ich hätte die Beine in die Hand genommen und wäre abgehauen, oder ich hätte mich der Mehrheit gefügt. Prinzipien scheint sie ja zu haben, das ringt mir, zu meiner eigenen Überraschung, schon Respekt ab.

      Doch dann nimmt sie einfach die Schlüssel eines ihr völlig fremden Mannes und fährt in dessen Wohnung.

      Wirklich unglaublich.

      Das würde mir im Traum nicht einfallen. Angst kennt diese Frau wohl gar nicht.

      Genauso gut könnte der Typ ein Perverser sein und sie hockt bei ihm in der Wohnung, ihm hilflos ausgeliefert. Ich ärgere mich richtig über so viel Naivität, schlage die Kladde zu und mache erst einmal einen langen Spaziergang.

      Die letzten Zeilen haben mich richtig aufgewühlt.

      SECHS

      Eine Stunde wandere ich ziellos durch Schwabmünchen, bis ich mich wieder beruhigt habe. Eigentlich lächerlich, dass ich mich so sehr über das Verhalten einer Frau aufregen kann, die ich gar nicht kenne, ja der ich niemals im Leben begegnen werde.

      Inzwischen kann ich schon über meine Aufregung lachen und schlage nachdem ich zurück und mich wieder im Biergarten niedergelassen habe, die Kladde erneut auf und beginne weiter zu lesen.

      >>Entschuldigen sie bitte, ich möchte sie nicht stören, doch vielleicht könnten sie mir behilflich sein. Die Dame an der Rezeption war so freundlich, mich darauf hinzuweisen, dass sie von Augsburg aus, an der Wertach entlang, hierher gewandert sind. Da ich gerne auf eben diesem Wege nach Augsburg wandern möchte, wollte ich sie darum bitten, mir den Weg kurz zu erklären. Mein Akku vom Smartphone ist leer und ich musste feststellen, dass ich mein Ladekabel zu Hause vergessen habe.<<

      Lächelnd nimmt der Mann mir gegenüber Platz.

      >>Darf ich?<<

      Ich kann nur dümmlich nicken.

      Der Mann ist extrem attraktiv und die Selbstverständlichkeit, mit der er mich anspricht verunsichert mich sehr. Genauer gesagt, gutaussehende Männer verunsichern mich total. Ich bin nicht schüchtern und im Grunde ein sehr geselliger Mensch, doch Schönheit, egal ob bei Mann oder Frau, lässt mich extrem zurückhaltend werden. Und der Mann mir gegenüber ist schön, wenn man das von einem Mann sagen darf.

      Bevor er Platz genommen hat, ist mir schon seine enorme Größe aufgefallen, schätze ihn auf fast einen Meter neunzig. Schlank aber nicht dünn. Er hat ein auffallend markantes Gesicht, ich tippe auf südländische Vorfahren, Griechen oder Spanier. Sein Haar trägt er straff zu einem Zopf gebunden, man erkennt dennoch, dass er fülliges dunkles, fast schwarzes Haar hat. Am auffallendsten sind jedoch seine Augen, die leuchten in einem wundervollen Grün, welches an eine satte Frühlingswiese erinnert. Seine Nase dominiert sein Gesicht, ist aber nicht unattraktiv und volle, edel geformte Lippen runden sein schönes Gesicht ab. Beim Sprechen zeigt er regelmäßige, weiße Zähne.

      Solche Männer erwartet man nicht auf einer Wanderung, entlang der Wertach, zu treffen. Ich bin völlig sprachlos und es dauert einen Moment, bis ich mich verlegen räuspernd endlich dazu durchringen kann, ihm zu antworten.

      >>Ja, ich bin gestern hier angekommen<<, bringe ich endlich stotternd über die Lippen und könnte mich selbst Ohrfeigen, dass ich so defensiv reagiere. Eigentlich möchte ich mich nicht unterhalten, ich möchte einfach hier sitzen und das Buch weiterlesen.

      Am besten ich erkläre ihm kurz den Weg, damit er mich wieder in Ruhe lässt.

      >>Darf ich sie auf eine Tasse Kaffee einladen?<<

      Zu meiner eigenen Überraschung höre ich mich zustimmen. Räuspere mich erneut und beginne ihm den genauen Weg nach Augsburg zu beschreiben.

      >>Bitte halten sie mich nicht für aufdringlich, aber ich konnte heute Morgen nicht umhin, sie beim Lesen zu beobachten. Dies Buch scheint sehr spannend zu sein<<, fragt er freundlich nach, als ich mit meiner Wegbeschreibung zu Ende bin.

      >>Hierbei handelt es sich um ein Tagebuch<<, erkläre ich ihm aufgeschlossen und erzähle ihm bei der Gelegenheit auch gleich, wie ich dazu gekommen bin.

      Es entwickelt sich ein anregendes