K. Krista

LOST AND FOUND


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unterbreitet, einem deutschen Hotelier, der jedes Wochenende hier in seinem Ferienhaus verbringt, Gesellschaft zu leisten.

       Rückblickend war das die nächste Stufe auf meiner „Karriereleiter“ zur Prostituierten.

       Beginnend damit, nur mit Männern meiner Wahl ins Bett zu gehen. Vorwiegend charmante, attraktive Geschäftsmänner, stehe ich nun vor der Entscheidung, meine Zeit und meinen jungen Körper, einem wenig ansehnlichen Herrn zu überlassen.

       Gustl war sein Name, ein Hotelier aus Heidelberg, der erst vor kurzem seine Frau verloren hatte und mit einem Freund, jedes Wochenende am Gardasee verbrachte.

       Wenn dir, mein liebes Tagebuch, der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß ein Begriff ist und du dir diesen in Blond vorstellen könntest, dann hast du einen ungefähren Eindruck von seinem Aussehen.

       Zunächst weigerte ich mich entschieden, diesen Mann auch nur kennen zu lernen, Stelio bat mich jedoch eindringlich, mich wenigsten einmal auf ein Essen mit ihm zu treffen und rückblickend darauf, was er alles für mich getan hat, willigte ich dann doch widerstrebend ein.

       Gustl war dann auch, abgesehen von seinem wenig ansprechendem Äußeren, ein vollkommener Gentleman und überraschend angenehmer Gesprächspartner. Zeit mit ihm zu verbringen, erschien mir auf einmal nicht mehr als ein so großes Opfer, obwohl ich anfangs die Bezahlung immer noch für viel zu gering hielt. Da ich mit meinem potenziellen Sexpartnern nie über Geld sprach, regelte dies Stelio für mich. Ausgemacht waren 500 DM für einen Tag Gesellschaft mit Übernachtung.

       Viel zu wenig meines Erachtens, aber gut, ich wollte mir die Sache ansehen.

       Wahrscheinlich wollte ich dies Leben auch einfach noch nicht loslassen und lies mich deshalb darauf ein. Wieder zurück nach Deutschland zu fahren, war noch keine Option.

       Überraschenderweise wurden die Wochenenden mit Gustl zu meinen Highlights am Gardasee. Nicht nur, weil er über das schnellste und teuerste Rennboot auf dem gesamten See verfügte. Er holte mich morgens an einem beliebigen Bootssteg ab und die Leute reckten die Hälse um einen Blick auf das Boot zu erhaschen. Ich war Stolz wie Oskar und genoss die bewundernden Blicke, der Leute, die mich dabei beobachteten, wie ich über den Steg stolzierte und das Boot bestieg.

       Gustl war auch ein äußerst liebevoller, intelligenter und charmanter Mann. Er hatte Stil, war weltoffen und stellte seinen Reichtum, den er ohne Zweifel hatte, niemals zur Schau.

       Wir verbrachten wunderbare Tage auf dem Wasser, nur unterbrochen von sündhaft teureren Besuchen in seinem Lieblingsrestaurants.

       Die Nächte waren ausgesprochen stressfrei, Gustl war ebenfalls impotent.

       Er begnügte sich damit, meine Füße in hohen Schuhen zu bewundern, sozusagen ein Fußfetischist, was ich damals jedoch noch nicht wusste, mich zu streicheln und was tatsächlich auch vorkam, mich oral zu befriedigen.

       Im Nachhinein leicht verdientes Geld, zugegeben nicht mehr so viel wie zu Beginn, aber für mich völlig ausreichend, da ich über Stelios Beziehungen, ein sehr günstiges Hotel bezogen hatte und von den früheren Aktivitäten noch genug Geld übrig war.

       An eine Rückkehr nach Deutschland war nicht zu denken.

       Dachte ich.

       Leider hatte ich die Rechnung ohne Stelios, unkontrollierte Wutanfälle, gemacht.

       Mir war in den letzten Wochen immer wieder aufgefallen, dass Stelio ein ausgesprochener Choleriker war. Es kam vor, dass er von jetzt auf gleich, wegen einem nichtigen Anlass, einen solchen Wutanfall bekam, dass er kaum wiederzuerkennen war und es kam wie es kommen musste.

       Eines Tages meldete sich Gustl bei mir und erklärte, dass er zwar dieses Wochenende wieder am Gardasee wäre, er sich jedoch nicht mit mir treffen könne, da er Bekannte dabei hätte, die so kurz nach dem Tod seiner Frau nichts von mir wissen dürften.

       Ich verstand das sehr gut und hatte damit kein Problem, anders Stelio.

       Er schäumte vor Wut - warum auch immer.

       Bis heute ist mir nicht klar, warum er so unbedingt darauf bestand, dass ich mir das nicht gefallen lassen dürfte. Ich sollte an der Anlegestelle seines Bootes auf Gustl warten und mich nicht abspeisen lassen.

       Als ich dies energisch verweigerte, brach zwischen uns ein böser Streit aus, der damit endete, dass ich ins Hotel fuhr, meine Koffer packte, mich mit einem Taxi nach Verona fahren lies und im nächsten Zug, Italien den Rücken kehrte.

       Ich habe Stelio nie wieder gesehen.

      DREI

      Ich musste mich gestern Abend geradezu zwingen, das Buch zur Seite zu legen, so aufregend und spannend fand ich die Lektüre.

      Niemals käme mir in den Sinn, mich von Männern aushalten zu lassen.

      Einerseits stößt die Schreiberin des Tagebuchs mich ab, andererseits fasziniert sie mich. Diese Sorglosigkeit mit der diese Frau durchs Leben geht ringt mir Respekt ab, allerdings steigt in mir der Verdacht auf, dass dies kein gutes Ende nehmen kann.

      Mit einer solchen Lebenseinstellung ist die Katastrophe doch vorprogrammiert.

      Wäre meine gesamte Barschaft geklaut worden, oder hätte ich sie verloren, hätte mein erster Weg mich zur Polizei, oder in das nächste deutsche Konsulat geführt, um an Papiere und noch wichtiger, wieder nach Hause zu kommen. Niemals wäre ich auf das Angebot dieser Männer eingegangen, wie lange hat sie diese gekannt?

      Zwei oder drei Tage?

      Ich schwanke zwischen Bewunderung und fassungslosem Kopfschütteln.

      Ihre lockere und offene Art, mit Sex umzugehen und ihre sexuelle Ausrichtung fasziniert mich und stößt mich aber zur selben Zeit ab. Sie spricht mit keinem Wort von Zuneigung oder Liebe. Für sie zählt der Trieb, das Aussehen und eine sexuelle Anziehung reichen ihr völlig aus. Das ist so weit von meiner persönlichen Ansicht über zwischenmenschliche Beziehungen entfernt, dass ich mit offenem und staunendem Mund die jeweiligen Passagen gelesen habe.

      Männern schreibt man ja ganz gern mal zu, dass sie Sex auch ohne Liebe praktizieren, doch bei einer Frau hätte ich ein solches Verhalten niemals für möglich gehalten.

      Im Grunde kann ich kaum erwarten weiterzulesen, möchte jedoch mein Vorhaben nicht aufgeben und so packe ich nach einem kleinen Frühstück, meinen Rucksack für die Wanderung, auf die ich mich seit Wochen freue.

      Viel nehme ich nicht mit, ein kleiner Rucksack mit etwas Unterwäsche zum Wechseln, zwei T-Shirts und zwei Paar Socken, ein gutes Buch und mein Smartphone. Zahnbürste, Seife, Haarshampoo, das muss reichen.

      Ich habe vor, mich einfach treiben zu lassen.

      ***

      Die Wertach fließt auf einer Länge von 13 Kilometern direkt durch Augsburg hindurch. Nach einen tragischen Hochwasser 1999 wurde sie, nach und nach auf ihrer gesamte Länge renaturiert, wie man es so schön nennt.

      Ihr Flussbett wurde erheblich verbreitert und die Fließgeschwindigkeit gedrosselt, indem man in großen Abständen Steinbarrieren errichtet hat. Die Wertach ist ein sehr flacher Fluss, der sich sehr gut dafür eignet, mittels durchdachter Natursteinwälle gezähmt zu werden. Läuft man den Fluss entlang, weisen Hinweisschilder darauf hin, dass die