Nadja Losbohm

The Butterfly Tales: Imogen


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wollte Blake wissen. Neben ihm schickte sich Arren an, nach ihren Verfolgern Ausschau zu halten.

      „Sie haben mir das angetan“, gab der Schmetterling als Antwort, mittlerweile Blakes Hand so fest umschließend, dass er das Gefühl in ihr verloren hatte. Mit Mühe lockerte er ihre Finger um sie, packte sie an den Schultern und hob sie hoch, damit sie auf ihren zwei Beinen stand. Er war erstaunt darüber, wie leicht sie war, aber wenn ein Schmetterling fliegen wollte, musste er auch leicht sein, nicht wahr?

      Er schüttelte den Kopf. Wie war es möglich, dass er sich über derlei Dinge Gedanken machte?

      „Wer sind sie?“, hakte er nach. Die Ungeduld fing langsam an, von ihm Besitz zu ergreifen, auch die Besorgnis, dass wer auch immer hinter ihr her war, schon bald zu ihnen stoßen würde.

      „Es waren andere meinesgleichen“, antwortete sie.

      „Es gibt noch mehr von deiner Art?“, fragte Blake. Geschöpfe dieser Größe und Anmut waren nicht einfach zu übersehen. Wieso war er ihnen noch nie zuvor begegnet, hatte noch nie auch nur ein Flüstern über ihre Existenz vernommen?

      „Viele, sehr viele gibt es von uns. Helle und dunkle, gute und böse, loyale und untreue, Beschützer und Rebellen“, erklärte sie ihm.

      „Schon gut, schon gut. Ich habe verstanden“, würgte er sie ab, bevor sie weitere Gegenüberstellungen hervorbringen konnte. „Ich nehme an, du bist eine von der guten Sorte?“

      Sie nickte. „Du erkennst es an meiner Farbe.“ Blake betrachtete sie von oben bis unten, wie sie sich an seinen Arm klammerte, um nicht umzufallen. Ihr musste Schreckliches widerfahren sein. Nicht nur, dass ihre eigene Art ihr einen ihrer Flügel genommen hatte. Sie musste auch schon lange auf der Flucht sein, so kraftlos wie sie war. „Die Farbe meiner Flügel oder besser gesagt meines Flügels -“, Tränen erstickten ihre Stimme und es dauerte einen Moment, bis sie weitersprechen konnte, „ist Gelb. Sie steht für Freude, Glück, Hoffnung und für bevorstehendes Gutes. Normalerweise gilt all dies dem, der einen gelben Schmetterling sieht. Aber ich hoffe, dieses eine Mal gilt dies mir, nun da ich euch gefunden habe.“

      Blake sah ihr einen Moment lang schweigend in die Augen, die golden leuchteten. So viel Angst stand in ihnen. Der gehetzte Ausdruck in ihnen, das Flehen um Hilfe und Schutz, das aus ihnen sprach – all das berührte etwas in ihm, sodass er einwilligte, ihr zu helfen.

      „Weißt du, ob sie immer noch hinter dir her sind?“, wollte er wissen.

      „Ich bin mir nicht sicher“, antwortete sie. „Manchmal dachte ich, sie wären fort, und dann habe ich doch wieder etwas gehört oder habe das Gefühl gehabt, beobachtet zu werden.“

      Blake rieb sich sein bärtiges Kinn. „In deinen Worten stecken mir zu viele Eventualitäten, um bis zum Morgengrauen hierzubleiben. Der Weg wäre sicherlich einfacher, aber bei vielen Fragezeichen in einer Situation habe ich gelernt, weiterzuziehen“, sagte er und wies Arren an, zusammenzupacken.

      „Hast du schon eine Idee, wohin es gehen soll, mein Freund?“, fragte dieser. Blake nickte ohne eine genaue Erklärung zu geben. Arren akzeptierte dies. Er vertraute auf die Fähigkeiten und die Erfahrung seines Partners, um ihm auch ohne das Wissen um ihr Ziel zu folgen. „Hast du eigentlich auch einen Namen, du schönes Geschöpf?“, wandte sich Arren an ihre neue Gesellschaft.

      „Imogen“, antwortete sie.

      Arren seufzte. „Ein schöner Name für ein schönes Wesen, das den Anbruch eines neuen Lebens einläutet“, sagte er und fügte mit Blick auf Blake hinzu, „oder das auch für eine neue Beziehung steht.“

      Blake sah finster über die Flammen des Lagerfeuers hinweg zu ihm. Er konnte nicht glauben und es ärgerte ihn auch, dass sein notwendiges Übel selbst jetzt noch um sein Liebesleben, sein Wohlergehen, sein Seelenheil, oder wie auch immer er es verdammt nochmal nennen wollte, besorgt war und Zeichen sah, wo er Zeichen sehen wollte. Blake ließ den Unsinn unkommentiert und machte sich daran, das Feuer mit Erde zu ersticken.

      ~

      Prinz Anrai würgte. „Irgh! Ich hätte es wissen müssen, dass du den Gefühlsaspekt einbringen würdest, kleine Träumerin“, meinte er zu seiner Schwester, die sich mittlerweile ebenso wie er die Stiefel von den Füßen gestreift hatte.

      Prinzessin Laoghaire streckte die Beine aus und lockerte die Muskeln in ihnen. „Du magst dir Blake als abgestumpften Grobian vorstellen, der keinen Wert auf Emotionen legt. Aber das ist nicht richtig. Für niemanden. Was auch immer ihn angetrieben hat, den Weg zu gehen und die Dinge zu tun, die er getan hat. Es steckt auch in ihm etwas, das liebenswert ist“, verteidigte sie ihren ersten Beitrag zu ihrer gemeinsamen Geschichte.

      Ihr Bruder verdrehte die Augen. Mädchen, dachte er und besonders dieses Exemplar steckte mit seinem Kopf hoch oben in den Wolken und glaubte stets an das Gute in einem Menschen. Selbst dann noch, wenn dieser eigenhändig seine Gräueltaten gestanden hatte. „Ich denke, es ist Zeit, dass ich wieder übernehme“, meinte der Prinz und betrachtete grüblerisch die Tapete.

      ~

      4

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      Sie liefen und liefen, geführt von Blake, der trotz der um sie herrschenden Finsternis zu wissen schien, wo es für sie entlangging. Stunden mochten vorübergegangen sein, so dachte Arren. Zumindest fühlten sich seine Beine danach an und Imogen, die weit mehr Strapazen in dieser Nacht durchlebt hatte, zeigte noch viel größere Erschöpfung. Doch egal wie oft sie stöhnte, strauchelte und fiel, Blake gönnte ihr keine Rast. Im Gegenteil, er zerrte sie wieder auf die Beine und zog sie mit sich. Manchmal hob er sie auf und trug sie ein Stück des Weges, aber nie für sehr lange, und wenn sie dachte, sie könnte auf seinen Armen ruhen, belehrte er sie eines Besseren. Mit unzähligen Fragen überhäufte er sie, wollte alles in Erfahrung bringen, das es für ihn und Arren zu wissen gab über Imogens Verfolger.

      „Du hast unsere Hilfe gewollt. Wenn du sie weiterhin willst, wirst du uns Informationen geben müssen, damit wir uns vorbereiten können auf das, was uns im schlimmsten Fall erwartet“, hatte er ihr bereits am Anfang ihrer nächtlichen Wanderung erklärt. Somit hatten die beiden Männer von Imogens Volk, den Dealan-Dè, erfahren. Arren und mehr noch Blake konnten kaum begreifen, dass es die Welt gab, von der sie erzählte. Doch sie brachte die Worte so glaubhaft hervor, beschrieb so detailreich, dass dieses unbekannte, verborgene Land namens Beathan existieren musste.

      „Beathan und das Reich Rohat, meine Heimat, sind unsichtbar für eure Augen. Nur ein Zauberspruch vermag den Schleier, der über ihnen liegt, zu lüften. Dort leben wir, beschützen wir, heilen wir je nach dem, welche Fähigkeiten und Talente ein jeder von uns hat. Angeführt werden die Kriegerinnen, Magierinnen, Wächterinnen, Handwerkerinnen, Heilerinnen und alle übrigen von unserer Königin Enid, die die Dealan-Dè aus ihren Tränen gebiert. Sie ist eine strenge Herrscherin, die von ihren Untertanen viel erwartet, aber sie ist auch gütig, wenn dies angebracht ist. Bei aller Strenge ist sie gerecht. Sie wird sehr verehrt von ihrem Volk, so auch von mir. Ich könnte mir keine Bessere vorstellen, die die Aufgabe übernimmt. Obgleich es uns allen sehr gut geht und es niemand an etwas mangelt, kam vor einiger Zeit Unmut in einigen aus unseren Reihen auf. Erst war es nur eine, die ihre Aufgaben nur ungenügend erfüllte und Befehle verweigerte. Bald darauf schlossen sich ihr weitere an. Aus einer wurden fünf und aus fünf wurden zehn. Mittlerweile sind es etwas mehr als fünfzig Dealan-Dè, die sich zusammengetan haben und rebellieren. Sie gehen gegen anders Denkende vor, unterdrücken, bedrängen, intrigieren und reden auf andere ein, um sie zum Überlaufen zu bewegen. Wer sich ihnen nicht anschließt, ist ein Verräter. Unsere Königin befürchtet, dass sich diese Krankheit, oder was auch immer es ist, das ihre Töchter und meine Schwestern befallen hat, weiter ausbreitet und bald nur noch Dunkelheit herrscht.“

      „Hat eure Königin denn nicht versucht, gegen die Aufrührer vorzugehen? Hat sie sie nicht festnehmen und einsperren lassen?“, fragte Arren.