Robin Kaiser

Eine relative Abhandlung über das Absolute


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muss glauben, die Ursache der Prinziplosigkeit liege in der Absonderung, womit er ihre Wirkungen für wahr halten muss. Im Versuch, die Prinziplosigkeit wahr zu machen, wird eine Wirkung gesehen, die keine Ursache hat, denn Trennung ist nie geschehen. Wenn man über das Wirken hinwegsieht, löst sich seine nie vorhandene Ursache auf und lässt das Prinzip gewähren, das in seinem Wirken nie vergeht. Dieses Prinzip erschafft nur wie sich selbst, und nichts, was es erschafft, ähnelt auch nur im Geringsten einer chaotischen Prinziplosigkeit. Der prinzipvolle Pol erschafft folglich damit nicht sein Gegenteil, sondern das Gegenteil wurde ab dem Moment geboren, ab dem sich das Prinzip spaltete, bzw. ab dem Moment, in dem es so schien, als ob sich das Prinzip spaltete. Für die Transzendenzlehre geht es um die freiwillige Rückkehr in die Geborgenheit des einheitlichen Grundprinzips, in der jede Spaltung ungeschehen gemacht wird. Der, der immerdar innerhalb dieses Grundprinzips weilt, scheint für die Immanenzlehre dem unterlegen zu sein, der sich von diesem Prinzip abwendet, um sich dann freiwillig wieder für dasselbe zu entscheiden. Die Abwendung vom Prinzip gleicht einer Verwicklung, einer Identifikation, mit Bruchstücken des gespaltenen Prinzips, an die man sich bindet. Die Rückkehr ist ein Dekonstruieren, in dem die Bindungen aufgelöst werden und man sich aus den Verwicklungen herausentwickelt. Wer bis zum Hals in den Pol der Prinziplosigkeit verwickelt ist, der findet teilweise schneller zum Prinzip zurück, wenn er tiefer hineingeht, denn früher oder später wird sie sich vor seinen Augen auflösen. Innerhalb des zirkulären Wechselspiels von Prinzip und Prinziplosigkeit ist später früher und früher später, und nichts ist höherwertiger als etwas anderes. Mit anderen Worten: Die Ersten, die es zum lichthaften Prinzip der Einheit geschafft haben, werden die Letzten sein, da sie die Ersten sind, die sich wieder in eine Prinziplosigkeit hineinbegeben wollen. Die Wirklichkeit von dem, was Prinzip hat, wird erst dann in die Erfahrung gebracht, wenn man sich durch die Prinziplosigkeit hindurchgearbeitet hat, um auf ihrem Grund auf das immer schon Gewesene zu stoßen. Des Öfteren wurde diese Denkfigur bereits angewendet, dass man über den einen zu dem gegenteiligen Pol gelangt, bzw. dass man nur durch den einen hindurch zum anderen kommt, denn diese Figur zeigt sich in allen Ebenen des dualen Denkens. Das Prinzip ist immer und unveränderlich, denn ohne das Ordnungsprinzip könnte nichts sein. Das, was ist, strebt mit allem, was es ist und was es macht nach Ausgewogenheit, nach Ordnung und Harmonie. Es hat zum Ziel, so zu sein, wie das, woraus es hervorgegangen ist. Es gleicht einer Annäherung an das, was es immer schon war, wobei die Neigung zur Selbstähnlichkeit immer wieder in den gegenläufigen Moment, den expressionistischen Willen, aus sich selbst herauszukommen, wechselt. Das aus sich Herauskommen lässt (immer schon Dagewesenes) Neues entstehen, denn erst über die Un-Ordnung kommt es zu scheinbaren Neubildungen. Die Unordnung der Prinziplosigkeit erscheint dann, wenn nur ein winziger Teilausschnitt der Ordnung betrachtet wird, und man sich in einer engen Form, auf einem feinmaschigen Raum- Zeit-Raster, bewegt. Je weiter man dieses Raster spannt, desto leichter kann das zugrunde liegende Ordnungsprinzip gesehen und durchschaut werden. Durchschaut man die Ordnung (und Ordnung kann nur durch-schaut werden, da in der Ordnung nichts ist), dann erkennt man auch im Bereich des Seienden die Vollkommenheit in ihrer Abstimmung zueinander. Alle scheinbar einzelnen Elemente im kosmischen Universum richten ihren Ort und Zustand nach allen anderen scheinbar abgetrennten Elementen aus. Ändert sich ein Ding im Universum, so passt sich alles andere der Zustandsveränderung so an, dass ein übergeordnetes Gleichgewicht zustande kommt. Übereinstimmende Zustände von Elementen ziehen sich zusammen, und alles, was ist, passt sich der entstandenen Bewegung des Zusammenzugs an. Es gibt nichts, was nicht in irgendeiner Weise aufeinander abgestimmt ist, denn alles, was passiert, passiert nur, weil es sich auf das, was passiert, einstimmt. Auch auf psychologischer Ebene kann man sagen, dass jede Handlung, jede noch so kleine Kleinstbewegung aus dem Grund ausgeführt wird, dass man sich durch sie etwas erhofft, und versucht, direkt oder indirekt Glück durch sie zu mehren. Jede Veränderung zielt auf einen Ausgleich ab, jede Bewegung hat Harmonie und Ausgewogenheit zum Ziel, wobei sie sich weniger an Faktoren innerhalb kleiner Raumzeitmuster orientiert, als an der harmonischen Ordnung des Kosmos selbst. Jede Bewegung verursacht aus sich heraus ihre Gegenbewegung, die bis auf das negative Vorzeichen identisch mit ersterer Bewegung ist. Was Bewegung und Veränderung eigentlich suchen, ist die Ruhe, die Veränderungslosigkeit. Die Bewegung glaubt, dass sie über die (Ausgleich) Bewegung zur Ruhe kommt, hat sie doch eigentlich Ruhe zum Ziel. Aber dadurch, dass Bewegung meint, durch Bewegung zur Ruhe zu kommen, bewegt sie sich immer heftiger und gerät immer mehr in eine prinziplose Unruhe. Jede Bewegung zieht Bewegungen nach sich, bis sich letztlich alles bewegt, um erstere Bewegung auszugleichen, um den Kosmos wieder zu harmonisieren. Dabei entsteht immanente Konkretion, die sich bei noch stärkerer Bewegung wieder transzendiert. Aus dem scheinbaren “Fehler“ der Bewegung, durch Bewegung zur Ruhe zu kommen, entsteht die kosmisch zentrale Figur von Immanenz und Transzendenz. Etwas scheinbar Bewegungsloses in der konkreten Immanenz hält seine Statik nur darüber aufrecht, dass es auf mikro- und makrokosmischer Ebene heftige Bewegung zeigt (Bewegung innerhalb atomarer Ebenen und die Bewegung der Planten auf ihren Bahnen). Eigentlich ist alles in vollkommener Ruhe, denn jede Bewegung ist vorgetäuschte Bewegung der Gegenläufigkeit von Prinzip und Prinziplosigkeit, die dem Wesen nach gleich sind und sich nur unterschiedlich zueinander verhalten. Die Prinziplosigkeit ist lediglich eine graduelle Abstufung, ein Möglichkeitsextrem des Prinzips, das sich gegenteilig zum Prinzip verhält. In der Geschlechtlichkeit des prinzipvollen und prinziplosen Pols, des positiven und negativen Pols, liegt das Schöpfungsprinzip von allem, was ist. Wobei mit keinem der beiden Pole eine Wertigkeit verbunden ist, vielmehr schenken und berauben sie sich gegenseitig ihrer Polarisation und bringen dadurch das kosmische Kino zum Laufen. Alle Wertsetzungen können nur aus einer bestimmen Position heraus getroffen werden, und heben sich im Angesicht des großen Ganzen wieder auf. Die Subsumierung von allem, was ist, ergibt nichts, alles hebt sich über das notwendig bestehende Gegenteil seiner selbst auf. Deshalb kann sich nur dort etwas Seiendes anfinden, wo das Ordnungsprinzip des großen Ganzen in sich aufgespalten und Prinzip und Prinziplosigkeit voneinander weggehalten werden, sodass sie als Gegensätze erscheinen, die eigenständige Gesetze vortäuschen. Im Folgenden soll es nun etwas um die Charakterisierung der letzten noch erkennbaren und beschreibbaren Gesetze gehen, auch wenn dies nur Annäherungsversuche an das höchste Gesetz bleiben sollen. Stark vereinfacht kann man sagen, dass die letzten Wirkungsgesetze Symmetriegesetze sind, die sich innerhalb von Kreislaufstrukturen wiederholen. Das, was wie lineare Kausalketten erscheint, sind Kleinstbereiche einer zirkulären Ordnung eines kosmischen Rads. Alles, was das kosmische Rad an Seiendem abwirft, ist ein negativer Verweis darauf, dass es sich dabei nicht um den ersten Grund (Causa Prima) selbst handeln kann. Der Grad der Absolutheit, der Vollkommenheit, ist in der Causa Prima maximal, da in ihr jede mögliche Realität enthalten ist. Auf dem Weg der Ursache- Wirkungszusammenhänge vom ersten Grund an, nimmt der Grad der in sich vereinheitlichten Vollkommenheit formal, nicht aber inhaltlich stetig ab. Eine Wirkung kann also nicht über seine Ursache erhaben sein, solange sie noch ursächlich von der Wirkung bedingt wird. Und trotzdem trägt jede Wirkung ihre Bedingtheit in sich, das heißt, in jedem Individuum ist die Gesamtheit der Ursache- Wirkungskette vorhanden, die eben zu jenem Individuum geführt hat. Im gleichen Maße trägt jedes Individuum alles das in sich, was es noch nicht ist, aber noch werden kann. Diese Gesamtheit ist der angelegte Keim der Vollkommenheit, der inhaltlich bereits maximal ist und nur darauf wartet, sich auch formal evolutionär zu entfalten. Wäre die Evolution eine Leiter, so würde die Anwendung der Begrifflichkeiten von Fort- und Rückschritt Sinn ergeben. Da wir uns aber innerhalb eines kosmischen Rads befinden, bringt uns jedes Voranschreiten näher an den Punkt, an dem wir wieder zurückschreiten, womit wiederum nichts Überlegenheit über etwas anderes hat und kein Bewusstseinszustand höher oder niedriger wertig ist. Allem kommt das gleiche Maß an Daseinsberechtigung zu. Bei den Gesetzen des Lebens ist es wie mit allen anderen Gesetzen auch: Reiben sich die Handlungen an den Gesetzen auf, werden die Gesetze als störend und begrenzend wahrgenommen. Erst die Gesetzesüberschreitung sorgt für eine problematische Verstrickung in die Gesetzmäßigkeiten und drängen zu einem oft schmerzlichen Umdenken. Es ist so, wie wenn man auf der Autobahn fährt und links und rechts die Gesetzes-Leitplanken hat. Fährt man auf der Mittelspur, so nimmt man nicht einmal Notiz von den Leitplanken, fährt man aber seine Lebensspur weit außerhalb seiner Mitte, dicht an den Leitplanken, dann werden diese als gemeingefährliche Einschränkung gesehen. Handlung innerhalb der Gesetzmäßigkeit führt folglich zur Befreiung von Gesetzmäßigkeiten und auch zu deren Wertschätzung. Wer jedoch mit dem Prinzip bricht, der wird vom Prinzip gebrochen. Alles ist davon