Robin Kaiser

Eine relative Abhandlung über das Absolute


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seinen symbolischen Gehalt, wenn diesem eine mentale Rahmensetzung zukommt.

      Das, was du bist, findet sich weder in Konzepten noch in Symbolen und trotzdem wird versucht, über dergleichen zu dem zu gelangen, der du bist, weil es das einzige Mittel ist, das einer veräußerlichten Innerlichkeit bekannt ist. Die Innerlichkeit kann im Dunstnebel des Unbestimmten das fantastische Spiel der Möglichkeiten spielen und findet in dem, was die Äußerlichkeit Leere nennt, seine Erfüllung.

      Das Persönlichkeitskonstrukt reagiert mit Angst auf das, was Erfüllung verspricht, da es darin den vollständigen Kontrollverlust sieht. Die Persönlichkeitsform, das Ego, begründet jede Form der Angst und projiziert diese auf Nebenkriegsschauplätze, damit es sich nicht direkt mit der Angst um seinen eigenen Tod konfrontiert sieht. Angst verdeckt meist etwas wovor das, was Angst hat, noch mehr (nämlich existenzielle) Angst hat, denn es könnte das, was Angst hat, auflösen. Letztendlich ist jede Angst eine Angst der Form, die ihr Vergehen, ihr Auflösen, ihren Tod fürchtet. Wenn du das bist, was du bist, und dich nicht mit Persönlichkeitsvorstellungen, Gedankenformen usw. identifizierst, dann kann es keine Angst mehr geben. Eine veräußerlichte Innerlichkeit in Angst zu versetzen, ist der größte Schutz von Äußerlichkeiten, über die sie sich aufrecht zu erhalten wissen. Es ist unmöglich, in den vielfältigen Formen von Äußerlichkeiten Wert und Bedeutung zu sehen und gleichzeitig keine Angst zu erleben. Angst ist der Drache, der die größten Schätze bewacht, und erst wer sich durch das, was Angst erzeugt, durchgearbeitet hat, wird auf den Innerlichkeitsschatz stoßen, den er immer mit sich herumgetragen hat. Es ist das, was er ist, befreit aus jeder Persönlichkeitskonstruktion. Meinen wir, wir seien die schalenartige Persönlichkeitsstruktur, die sich - bildlich gesprochen - um das, was wir sind, herumlegt, so sind wir abgekommen, oder man könnte sagen ver-rückt von dem, was wir sind. In der Rückbesinnung auf unsere Innerlichkeit rücken wir uns wieder inzentrisch zurecht, wir verrücken uns von der vorherigen Verrücktheit. Umso verrückter wir sind, umso weiter wir uns von unserem Innerlichkeitskern wegkonstruiert haben, desto geringer ist unser Schöpfungspotential und desto verzweifelter werden die Kompensationsversuche, die versuchen, einen Innerlichkeitsersatz aufzubauen. Die Innerlichkeitsleere wird versucht dadurch auszugleichen, dass die Maskenfassade der personalen Identität immer undurchdringlicher gestaltet wird, womit man sich selbst immer mehr veräußerlicht und dann wortwörtlich neben sich steht, bzw. nicht mehr bei sich ist. In einer Innerlichkeitsbereinigung, in der man wieder zu sich findet, werden Äußerlichkeiten herausgeworfen und Haftungen aufgelöst. Dabei kann nichts Wirkliches verloren gehen, denn alles, von dem man sich potenziell lösen kann, und alles, was man innerhalb seiner selbst auflösen kann, kann man nicht selbst sein. Hat man sich so bis auf den Grund des Egofundamentes vorgearbeitet, dann findet sich dort der Selbstzerstörungsknopf, der alle darauf aufbauenden Äußerlichkeiten aushebeln und in die Luft jagen kann. Um bis zu dieser grundlosen Tiefe seiner Innerlichkeit vorzudringen, bedarf es der Handreichung der befreiten Innerlichkeit, die bereits in einem wohnt, und die den Ruf heimwärts von Innerlichkeit zu Innerlichkeit erklingen lässt. Das, was du bist, ruft dich über die tosenden Wellen der Vielheit von unwesentlichen Äußerlichkeiten hinweg zurück auf deine Innerlichkeitsinsel in dir. Wer im Meer der Äußerlichkeiten schwimmt und bereits durch sie zu ertrinken droht, der ist bereit, auf den Ruf der Innerlichkeit zu hören, alle Äußerlichkeiten loszulassen und sich selbst wieder eine Insel zu sein, die unberührt von allen Schwankungen des Meers an Äußerlichkeitsformen liegt. Wer dem Ruf der Innerlichkeit, von dem, was er ist, folgt und durch ihn das rettende Ufer der grundlosen Innerlichkeitsinsel erreicht hat, der kann sich dort in der Stille mit seiner Innerlichkeit vereinigen, aus der heraus sich nur noch sagen lässt:

      Ich bin der, der ich bin!

      Oder: Selbstlosigkeit und Weltlosigkeit

      Um zu verstehen, was das Selbst ist, bedarf es eines Verständnisses darüber, was es macht. Weshalb zunächst auf den reflexiven Zusammenhang von Selbst und Welt und das daraus resultierende Bewusstsein eingegangen werden soll. In der Differenzierung von Selbst und Welt schwingt die noch separat abgehandelte Subjekt-Objekt-Trennung mit. Jeder würde von sich behaupten, er selbst sei Subjekt, in einer Vielzahl ihn umgebender Objekte der Umwelt. Niemand würde meinen, sein innerstes Wesen sei Objekt, und trotzdem identifizieren wir uns mit mentalen Phänomenen und rechnen diese zu unserem Subjekt, obwohl wir sie zum Objekt haben. Alles, was sich ein Subjekt zum Objekt machen kann, kann nicht mehr Subjekt sein, und doch wird es fälschlicherweise dafür gehalten. Mit anderen Worten: Alles, womit du dich auseinandersetzen kannst, kann nicht das sein, was du bist. Der Grund ist, dass man sich mit allem anderen, außer mit sich selbst befassen kann, damit wird das Selbst, der innere Beobachter, stets zu seinem eigenen blinden Fleck. Er ist das, was alles sieht und doch nicht gesehen werden kann. Wenn du dich mit dir auseinandersetzt, sprich, dich von dir selbst verobjektivierend wegsetzt, dann bist es nicht mehr du, nicht mehr Subjekt, womit du dich beschäftigst. Du bist dir selbst notwendigerweise immer dein größtes Geheimnis, da Selbsterkenntnis letzten Endes am Fakt der Selbstlosigkeit zerschellt. Sich selbst für selbstverständlich zu nehmen, führt zu größter Unverständlichkeit im Erleben von Welt. Der Prozess der Selbsterkenntnis holt aus deiner Seinssphäre Elemente heraus und setzt sich mit ihnen auseinander, indem er sich diese Elemente, nach wie vor innerhalb seiner Gedankenwelt zum Gegenstand macht. Diese Veräußerlichung führt zu einem Selbstabbau und zur Ablehnung aller jener Elemente, die sich das Subjekt einmal auferlegt hat. Die letzte Selbsterkenntnis in diesem Prozess ist zwangsläufig die Selbstlosigkeitserkenntnis, in der man zu dem wird, was man ist. Ist das Selbst im hohen Maße zu sich selbst bewusstseinsfähig, so wird es kein Selbst mehr geben, worüber ein Bewusstsein existieren könnte. Sobald du ein Bewusstsein über dich hast, ist das, worüber du ein Bewusstsein hast, nicht mehr du, da alleinig durch den Vollzug der Reflexionsfigur des Bewusstseins sich das, worüber reflektiert wird, verändert. Der Reflexionsrest, der blinde Fleck, ist immer der Punkt, von dem aus die Reflexion gestartet ist, von dem aus etwas hergedacht wird. Der Punkt, der nicht reflektiert werden kann, ist derjenige, der wiederum alles andere zu reflektieren vermag. Er ist der eine Unbekannte, den jeder kennt, er ist eben jenes Subjekt, von dem aus beobachtet wird. Das, womit man sieht, kann man selbst nicht sehen, ohne die Zuhilfenahme eines Spiegels. So, wie man auf der körperlichen Ebene nicht in der Lage ist, seine Augen ohne Zuhilfenahme eines Spiegels zu sehen, so ist man auch auf der mentalen Ebene nicht in der Lage, sich seines Selbst bewusst zu sein, ohne Zuhilfenahme des umweltlichen Spiegels.

      Bewusstsein kann nie etwas Ununterscheidbares, Vereinheitlichtes sein, denn die Bedingung für Bewusstsein ist eine trennende Grenzziehung zwischen dem, wovon das Bewusstsein hergedacht wird, und dem, was sich gegenständlich im Bewusstsein befindet, oder mit anderen Worten: Die Subjekt-Objekt-Trennung. Holt man Welt zu sich hinein, bzw. überführt Objekte in ihren Subjektgrund, so erfüllt das Bewusstsein seine Reflexivfunktion innerhalb des Individuums. Ein Individuum setzt sich alleinig deshalb, dass es als Individuum existiert, aus dem zusammen, was es ist, und dem, was es nicht ist. Das, was wir sind, ist das, was wir waren, bevor wir ein werdendes Wesen wurden. Wir sind der Zustand, der herrschte, bevor wir uns von uns weggedacht haben, in dem man in einem unpersönlichen, vereinheitlichten Sein-Können verweilte. Wenn das, was wir nicht sind, zu dem hinzukommt, was wir sind, dann fangen wir an, zu werden, indem das, was sein kann, zu etwas wird, was ist. Dabei nehmen wir Form an und werden als Formnehmer ebenfalls Formgeber. Was sich über das hinaus, was wir sind, in uns einschleicht, ist der Gedanke, dass wir wüssten, was wir sind, und dadurch auch wüssten, was wir nicht sind. Dies ist die Geburtsstätte von Welt und Selbst, in der es ein Anderssein, als so, wie ich es bin, geben kann. Genaugenommen war das Ich vor der Welt da, da Welt lediglich die sich aufdrängende Ganzheitlichkeit ist, die dem Selbst komplementierend Rückmeldung gibt. Die Welt, das als Außen Wahrgenommene, zeigt dem Ich, was es noch nicht ist, da es ja selbst von sich behauptet, es wüsste, was es ist, und deshalb meint, keinerlei Ergänzung zu brauchen. Ist das Ich nicht entgrenzungs- und ergänzungsfähig, so wird es immer von Neuem noch Weltenkonstruktion ausstehen haben. Das, wovon wir uns abtrennten und damit zu etwas wurden, was wir nicht sind, will sich uns, über die Welt, wieder anfügen. In Existenzbereichen, in denen die abtrennende Individuation besonders stark ist, zieht das Außen nach, und setzt sich gleichermaßen als eine erbarmungslose Bestimmtheit fest. Man schafft sich selbst die äußerlichen Grenzen, damit man sein kann, was man nicht ist, denn nur über