Robin Kaiser

Eine relative Abhandlung über das Absolute


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bezieht. Eigentlich sind diejenigen, die sich noch mit Äußerlichkeitsmauern und Abwehrmechanismen zu schützen versuchen, auf der Suche nach dem Schutz, der Sicherheit und der Geborgenheit, die die Innerlichkeit ihnen bietet, doch scheint es schwer zu sein, für eine äußerlichkeitsangefüllte Innerlichkeit, das, was sie ist, unbedingt zuzulassen. Jede Äußerlichkeit ist auf der Suche nach der ihr innewohnenden Innerlichkeit. Doch da Äußerlichkeit Innerlichkeit nicht erkennt, weiß sie nicht, wonach sie sucht und sucht deshalb in dem Bereich der Formen, wo sie zwar sehen, aber nicht finden kann. Die Suche ist davon angestachelt, dass immer noch etwas fehlt, doch kein Hinzufügen an Äußerlichkeit kann das Fehlen an Innerlichkeit ausgleichen. Das Mangelerleben im Bereich der Form, in der immer noch etwas fehlt, offenbart sich in einer ständigen Fehlersuche an sich und an anderen. Alles scheint einer Korrektur zu bedürfen, und nichts kann so angenommen werden, wie es ist.

      Die Innerlichkeit ist Vollkommenheit und braucht keine Korrektur, weshalb sich das Geschriebene an das richtet, was du nicht bist. Was du bist, braucht nicht zu lernen, alles Lernen richtet sich folglich an das, was du nicht bist, damit es die Vorstellung über das, was es meint zu sein, niederlegt. Eine Innerlichkeit zu lehren sie sei eine Äußerlichkeit, ist ein Meisterwerk des Lehrens, dagegen ist die Rückbesinnung der Innerlichkeit auf sich selbst die einfachste und natürlichste zu lernende Lektion. Nicht aber so aus Sicht der Äußerlichkeit, versteht sich. Das, was dem, was du bist, zusteht, wird dir zukommen, wenn du bereit bist, das, was du nicht bist, niederzulegen und dem, was du nicht bist, zu überbringen. Denn begibt sich das, was du nicht bist, offen in die Hände von dem, was du bist, dann wird sich alles auflösen, was du nicht bist. In der Rückbesinnung auf das, was du bist, muss sich zunächst die Innerlichkeit viel mit sich selbst beschäftigen, um Äußerlichkeiten aus sich herauszuschaffen. Doch der letzte große Schritt in der Selbstwerdung kann nicht über eine Selbstbeschäftigung gelingen, denn sobald du dich auf dich selbst beziehst, implizierst du Trennung innerhalb deiner untrennbaren Innerlichkeit. So wie sich die Innerlichkeit mit sich beschäftigen kann, kann sich auch konstruierte Äußerlichkeit mit sich beschäftigen.

      Ein Persönlichkeitskonstrukt liebt es, sich mit sich selbst zu beschäftigen und Zeugen für sein Existieren aufzurufen. Dabei geht es der Persönlichkeitsvorstellung darum, sich auszukleiden und zu schmücken. Nichts aber darf das Persönlichkeitskonstrukt an sich und dessen Fundament auf ganzheitliche Art hinterfragen, denn diese Frage kann nur aus einer persönlichkeitslosen Innerlichkeit heraus gestellt werden. Im Allgemeinen kann Ganzheitlichkeit aus von der ständig auf Begrenzungssuche seienden Ich-Vorstellung heraus erfasst werden, da sie sich gerade durch ihre Perspektive zu dem macht, was sie glaubt, dass sie sei. Anstatt von der Überprüfung der Ich-Zäune, in denen Ich und Äußerlichkeiten festgesetzt werden, zu leben, lebt das, was du bist, durch die Selbstausdehnung über alle Formgrenzen hinaus . Die Innerlichkeit in dir ist der Ort, in dem weltliche Belange verblassen und Friede über alle Grenzen geschlossen wird. Dieser Innerlichkeitsort ist angefüllt mit die Verbundenheit mit allem, was ist, und das Verweilen an diesem Ort ist ein Ruhen in einer formlosen Allverbundenheit. Dieser Ort ist deine geistige Heimat, und die Sprache, die dort gesprochen wird, ist die Sprache der Stille, die deine Muttersprache ist. Wie jede andere Muttersprache auch verlernt sie die Innerlichkeit, die du bist, nie, egal wie einnehmend die Fremdsprache der Äußerlichkeit einmal war. Es bedurfte Zeit, die Fremdsprache der Äußerlichkeit zu lernen, doch es bedarf keiner Zeit, zur symbolbefreiten Muttersprache zurückzukehren. Ja, gerade die Zeit und das Festhalten an den Dimensionen sind es, die eine vollständige Rückbesinnung auf die Innerlichkeit verwehren. Alle aus der Soheit herausgemeißelten Symbole, die sich zu metaphysischen Konstruktionen zusammensetzen und über die natürliche Innerlichkeit hinausreichen, sind illusionäre Ersatzwirklichkeiten, angefüllt mit einem Haufen chaotisch angeordneter Äußerlichkeiten. Du wertschätzt das, wozu du dich gemacht hast und die daraus entstandene äußere Spiegelung, die Ersatzwirklichkeit, mehr, als die dir gegebene Innerlichkeit. Alles Eigen-Konstruierte, über das hinaus, was du bist, schmälert das, was du bist und enteignet dir deine Potenzialität, da kein Konstrukt die gleiche Qualität haben kann, wie das, worüber es sich gebildet hat. Du scheinst dem Persönlichkeitskonstrukt mehr Wert beizumessen, als deiner transpersonalen Persönlichkeit, denn sonst wärst du nicht der, der du nicht bist. Das Make-up der Ich-Identität, mit der wir meinen, imponieren zu müssen, indem wir uns schöner, größer und stärker zeigen, bewirkt nicht selten genau das Gegenteil von dem, was es intentioniert, wenn das Make-up als der verzweifelte Versuch der Selbstinszenierung durchschaut wird. Persönlichkeits-Make-up wird nur dann gebraucht, wenn man die natürliche Schönheit von dem, was man ist, nicht sehen kann. Kein in unseren Augen noch so gutes Persönlichkeitsprofil, das wir uns als Lebensskript geschrieben haben, kommt auch nur im Entferntesten an das ran, was wir sind. Das, was du bist, kann Seinesgleichen weder über-, noch unterschätzen, denn es befindet sich jenseits von Wert und Urteil. Um die sich abspielende Lebensgeschichte, die Aneinanderreihung äußerer Situationen und das Persönlichkeitskonstrukt, zu dem ich mich gemacht habe, aufzuwerten, findet eine Bedeutungsverschiebung von innen nach außen statt, in der Hoffnung, aus Illusionen doch einmal eine wahre Wirklichkeit, außerhalb und getrennt von mir, entstehen zu lassen. Dies geht sogar so weit, dass das Ich nur noch reagiert auf das, was es gemacht hat, um zu zeigen, wie wirklich seine eigenen Schöpfungen sind. Jedes Zur-Schau-Stellen, dass etwas Äußeres auf etwas Inneres einwirkt, wird als Beweis hergehalten, dass Trennung wahr sei, und dass ich wirklich das sei, zu dem ich mich gemacht habe. Umso mehr Äußerlichkeiten mich angreifen, desto gerechtfertigter kann ich das sein, was ich nicht bin, denn das, was ich nicht bin, ist ein einziger Schutzmechanismus, der alleinig um sein eigenes Fortbestehen kämpft. Mehr als die sich immer wiederholende Instandsetzung und Beschützung seiner selbst hat es nicht zum Ziel. Gäbe es nichts, wovor sich das Ich schützen müsste, müsste es bei einer Innenschau einsehen, dass die gesamte Persönlichkeitsrüstung keinen Zweck hat und nur einen, in die Entfremdung ziehenden Ballast darstellt. In der Innenschau wird das festgelegt, was man im Außen sehen möchte. Bilden sich innere Bilder außen ab, dann wird in der Außenschau beständig danach Ausschau gehalten, dass scheinbar andere Zeugen die inneren Festlegungen bestätigen. Das Außen ist ein Ausschauhalten nach dem, was Innerlichkeit bestätigen kann. Und dadurch, dass das Außen ein Abbild des Innen ist, kann nichts anderes als Selbstbestätigung gesehen werden. Eine Selbstbestätigung für die, die sind, was sie nicht sind, kann als wenig angenehm erlebt werden. Nur das, was nicht ist, braucht Selbstbestätigung und tut alles dafür, um diese zu erhalten. Der Preis, den es dafür zahlen muss, ist unsagbar hoch, gibt es doch alles auf, um ein Häufchen Elend sein eigen nennen zu dürfen. Wenn du nicht bist, was du bist, dann wird die bekannte dir innewohnende Wahrheit zu etwas Furchteinflößendem. Ist das Unbekannte das einzige dir Bekannte, dann musst du erst wieder mit dem Bekannten Bekanntschaft schließen. Für jedes Konzept ist das konzeptbefreite So-Sein etwas Gemeingefährliches, Lebensbedrohliches, denn für äußerliche Formen kommt Innerlichkeit einer Auflösung gleich. Innerlichkeit und Äußerlichkeit können sich nicht gegenseitig erkennen, dadurch kann zwischen ihnen keine direkte Kommunikation stattfinden. Doch gerade um die Kommunikation zwischen Form und Formlosem geht es innerhalb des kosmischen Wechselspiels von Innerlichkeit und Äußerlichkeit. Für die Immanenzlehre ist das äußerlich Stoffliche das, was kommuniziert, was sendet. Dabei wird verkannt, dass alleinig der Empfänger, das Bewusstsein, darüber entscheidet, was es empfängt. Keine Äußerlichkeit wirkt direkt, oder kann für sich sprechen, und alles, was erst über unsere Deutung zu uns sprechen kann, muss dem, was wir sind, wesensfremd sein. An sich ist äußerlich Seiendes nichts weiter als leere Symbole, die für das stehen, für was sie die Innerlichkeit setzt.

      In dem Interpretationsspielraum, in dem alles zu dem wird, wie es für uns ist, liegt der Schlüssel zur Freiheit. An sich sind Formen neutral, doch dadurch, dass Formen nie an sich, sondern nur im Verbund mit einer bewussten Innerlichkeit bestehen können, besitzen sie stets die Tönung des ihr zugrundeliegenden Denksystems. Die Deutungen einer veräußerlichten Innerlichkeit entspringen einem derart verzerrten Denksystem, dass sie Leben als Tod, Tod als Leben, Licht als Dunkelheit, Dunkelheit als Licht, Träumen als Wachen und das Wachen als Träumen fehldeuten. Das Deuten, die in die Innerlichkeit ziehende Mentalisierung, kommt einem hermeneutischen Herauslesen gleich, indem man etwas Abgefasstes in etwas Erfassbares verwandelt. Eine sich in ein Außen eingefaltete Idee, muss erst ausgelegt werden, damit sie sich entfalten kann, denn etwas Seiendes stellt alleinig den Gedanken dar, den es gemacht hat. Es ist