Robin Kaiser

Eine relative Abhandlung über das Absolute


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sind sich ihrer Selbstoffenbarung nicht bewusst, da sie sich nicht bewusst sind, dass sich nichts außerhalb ihrer selbst befindet. Du wirst nicht in eine schon bestehende Welt hineingesetzt, in der sich dein Selbst dann an die Welt anpasst, sondern die Welt passt sich dem an, wie du dich selbst siehst. Deine Selbstsicht bestand schon bevor es Welt gab, denn sie hat diese erst notwendig werden lassen. Um die in sich gespaltene Selbstsicht Wirklichkeit werden zu lassen, hast du Welt geschaffen, damit du sein kannst, was du dir innerhalb deines besonderen Selbstkonzepts aussuchtest, zu sein. Du hast diese Welt geschaffen, um zu sein, wer du nicht bist, und die Welt ist nichts über deine eigenen Erschaffungen hinaus. Sie ist das nach außen gestülpte Urteil darüber, wie du über dich selbst urteilst. Und kein Urteil, was scheinbar von der Welt zu deinem Selbst kommt, findet in deinem Selbst Gehör, wenn du der Welt nicht gleichnamiges Urteil hast zukommen lassen. Die Welt kann dich nicht verurteilen, wenn du sie nicht verurteilst. Die Welt trägt die volle Bedeutung, die du ihr von innen heraus gegeben hast, denn sie ist nicht mehr als die nach außen gestellten inneren Bilder, die du dir über dich gebildet hast. Veränderst du dein Denken über dich, dann verändert sich unweigerlich damit die Welt, denn sie ist nicht mehr als so, wie du über sie denkst. Welt muss nicht verändert oder verbessert werden, sie muss durchschaut werden, und ist dann durchschaut, wenn man durch sie hindurch sich selbst erkennt. Die Welt ist ein an sich neutrales Mittel, das seine Einfärbung erst über ihre Zwecksetzung gewinnt. Sie wird immer zu dem, zu dem das Selbst sie werden lässt. Oder mit anderen Worten: Nur das, was an Wahrgebung in die Welt hineingesteckt wurde, kann in ihr auch wahrgenommen werden. Innerhalb einer Welt scheint es eine Vielzahl unterschiedlicher Zwecksetzungen zu geben, die alle letztlich das weltenkonstruierende Selbstkonzept aufrecht zu erhalten versuchen. Die Welt ist das Mittel zum Zweck der Selbstbestätigung eines dir selbst gewählten Selbstkonstrukts. An der Welt lernt das Selbst Stück für Stück etwas über das, wozu es sich gemacht hat, um irgendwann zu erkennen, dass nichts von dem, wozu es sich gemacht hat, das zum Erleben bringen kann, was es ist. Ohne dein Selbstkonzept ist die Welt zweckenthoben, weshalb der Weg der Selbstwerdung durch Selbstaufgabe so lange unbegehbar bleibt, wie Bedeutung innerhalb der selbstkonstruierten Welt gesehen wird. Eine objektive Welt ohne Selbstrückbindung hat sich zweckenthoben und muss bedeutungslos erscheinen. Erst durch das Zulassen eines Selbstrückbezugs erwacht ein Selbst aus dem Traum der Seinsvergessenheit, indem es sich selbst zu etwas Fremdem hat werden lassen. Wer die Welt zu sich hereinholt und mit seinem Selbst versöhnt, der wird feststellen, dass durch die Synergie von Welt und Selbst eine überpersönliche Selbstlosigkeit entsteht, die sich aus allen relationalen Bindungen befreit hat. In der Selbstwerdung, in der ein Selbst untergeht, um hinüberzugehen in die Selbstlosigkeit, geht eine Welt unter. Meint ein Selbst, dass die Außenwelt untergehen müsse, so weiß es darum, dass es selbst untergehen muss, schützt sich aber noch dadurch, dass es seine eigene Untergangsproblematik auf die Außenwelt projiziert. Das Wissen um die Notwendigkeit des bevorstehenden Weltuntergangs, ist ein getarnter Wunsch der Selbstwerdung durch Selbstuntergang. Solange der Untergang in etwas außerhalb seiner selbst gesehen wird, solange kann die konstruierte Persönlichkeit bestehen bleiben, denn sie hat die Lösung zu ihrem Problem aus sich hinausgeschafft und sorgt damit für die Aufrechterhaltung dieser Problematik. Schon immer hat es Menschen gegeben, die ein baldiges Ende der Welt prophezeiten, und das Einzige, was sie damit an Selbstoffenbarung kundtaten, war ihre eigene Problematik der Selbstaufgabe. In dem Enthusiasmus und dem fast schon Gewollt-Sein eines Weltunterganges, zeigt sich die Absurdität, wenn innenweltliche Problematiken sich scheinbar außenweltlich zutragen sollen. Das Wissen um die Notwendigkeit und Dringlichkeit eines Weltuntergangs, ob es nun auf der inneren oder einer äußeren Ebene ausgetragen wird, ist die direkte Auswirkung, wenn sich ein konstruiertes Selbst mit Elementen der spirituellen Transzendenzlehre konfrontiert sieht. Nicht selten werden Projektionen institutionalisiert, und es entstehen spirituelle Gemeinden, die den außenweltlichen Weltuntergang propagieren. Und sie haben ja auch Recht, es muss möglichst bald und möglichst schnell eine Welt untergehen, nur bleibt die Welt, die wirklich unterzugehen hat, bestehen, wenn man beständig das Untergehen in der Außenwelt erwartet. Eine Flucht aus der Welt kann nicht gelingen, solange am weltenkonstruierenden Selbst festgehalten wird. Solange man seine besondere Persönlichkeit nicht ablegt, kann man ihrer äußeren Spiegelung auch nicht entkommen, egal wie oft man sich in eine andere Form kleidet. Der Schlüssel für das Entkommen aus einer Welt liegt darin, das aufzulösen, was immer wieder die Bedürftigkeit nach Weltenkonstruktion hat. In jedem Augenblick wird eine neue Welt geboren, eine neue Parallelexistenz gewählt, die mit der Welt in dem vorherigen Augenblick nicht in Verbindung stehen muss. Nur durch den Glauben an ein Selbst innerhalb von linearer Zeit, erleben wir das hochfrequentierte Flackern, den Puls des Universums, als einen sich kontinuierlich erstreckenden Prozess, in dem es zu prozeduralen Abfolgen kommt. Das hochfrequentierte Erscheinen einer Bilderreihe wird erst durch einen deutenden Bewusstseinsakt in einen kausalen Sinnzusammenhang gebracht. Doch an sich ist jedes Bild unabhängig vom vorherigen und dem darauf folgenden. Wie also ist die Welt? Das gilt es zu vergessen und es in jedem Augenblick neu für sich zu erfahren. Ein Bewusstsein, das sich als Quelle der Zeit versteht, kann sich diese Unabhängigkeit in dem Wunsch nach Selbstausdruck zunutze machen. Für die Immanenzlehre liegt in der Erschaffung der Weltenvielheit der Selbsterfahrungsexkurs der Einheit, und jedes Wesen bringt mit seiner selbst gewählten Besonderheit eine Facette der Einheit in das Erleben. Nichts aber kann sich durch sein Gegenteil erleben, und doch erlebt sich nichts ohne ein Gegenteil. Über das, was du bist, lässt sich nichts konzeptualisieren, und auch das vollendetste Selbstkonzept bleibt schlichtweg das Gegenteil von dem, was du bist. Das aber, was du bist, hat kein Gegenteil und kann deshalb nichts erfahren, was entgegen seinem Willen wäre. Dieser Wille wollte durch sein Abgetrenntsein die Erfahrung “Welt“ für sich machen, um in ihr zu erfahren, wie es ist, von dem Selbsterschaffenen beeinflusst zu werden. Wir haben der Welt beigebracht, wie sie uns am besten angreifen kann, um uns in Zugzwang zu bringen, auf das von uns Geschaffene zu reagieren, um durch unsere Reaktion weiterhin Welt konstruieren zu müssen. Diese Selbstbestätigung von dem, was wir gemacht haben, dadurch, dass wir darauf reagieren, bindet uns an unseren Äußerlichkeitsschein und hält uns in der Konkretion. Du musst den Glauben an das, was du bist, verlieren, um an eine Welt glauben zu können. Und umso mehr das Außen an Bedeutung gewinnt, desto bedeutungsloser muss dir das Innen vorkommen. Oder mit anderen Worten: Je stärker wir uns auf das Feuer der absolut feststehenden Gegebenheiten im Außen konzentrieren, desto eher vergessen wir das von uns kommende Holz, das das Feuer erst entfacht. Erst darüber, dass man auf die selbsterschaffene Welt reagiert, kann man sie für wahr halten, und hält man sie für wahr, dann wird das Selbst Stück für Stück unwahrer. Das, was du bist, verkommt dann zu einem Selbstkonstrukt, einem reaktiven Mechanismus, einem komplexen Reflex. Wenn wir erkennen, dass wir nicht unser Selbstkonzept sind, dann verhalten wir uns nicht mehr reaktiv zur Welt, sondern Welt verhält sich reaktiv zu dem, was wir sind, weil das, was wir sind, nur agieren nicht aber reagieren kann. Welt und Selbst, ist ein und dieselbe Konstruktion von etwas, was ab dem ersten Moment der geistigen Spaltung entstand. Der eine gespaltene Teil liefert das Identifikationsmaterial für das Selbst, und aus dem abgespalten Teil ist ein Außen, eine Welt, entstanden. Die Welt konnte folglich nur durch Trennung entstehen, und Trennung geht nur über Abwehr und Angriff von dem, von dem man sich getrennt hat. Das macht die Welt zu einem riesigen, komplexen Beweisstück, das zur Bestätigung herangezogen wird, um den Gedanken der Trennung und Abgrenzung aufrechtzuerhalten. Für die Transzendenzlehre wurde die Vielheit der Welt dazu gemacht, um Einheit in einem Akt der Zerstreuung und der Auftrennung zu zerstören. Und die Welt zeigt genau das, von dem du dachtest, es getan zu haben, nur dass dein Tun dir jetzt scheinbar von der Welt angetan wird. Die Welt hört dann auf, dein Selbst zu zerstreuen, wenn erkannt wird, dass Trennung nie stattgefunden hat, und dass das, was du bist, nach wie vor in der Alleinheit ruht. Der Schein der Abtrennung von Einheit lässt sich nur darüber aufrechterhalten, dass man diese abwehrt, und durch die Abwehr wird das angegriffen, was man abwehrt, denn Angriff und Abwehr sind zwei Seiten derselben Medaille. Die immanent konkrete, sinnlich-physische Welt entstand für die Transzendenzlehre aus einer Fehlwahrnehmung deiner selbst, in der du dich selbst nicht mehr als die Heiligkeit von allem, was ist, gesehen hast, sondern meintest, dass du lediglich ein besonderer Teil dessen wärst, der abgetrennt zu existieren vermag. Welt kam dann mit ins Spiel, als du deine in dir bestehende Einheit glaubtest, zerteilt zu haben, und du dir ein vielheitliches Selbstkonzept angeeignet hast, denn dann wurde es nötig, etwas zu haben, was dieses Selbst komplimentiert. Im Sinne