Günther Dümler

Mords-Therapie


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übrigns, bevor is vergess. An schäiner Gruß von der Gisela und in Simon und du sollsd der nedd eiredn lassn, dass Brodwärschd nedd gsund wärn und der Lodaah wünschd der aa a goude Besserung und die Maria nadürli aa.“

      Und nach einem kurzen Verschnaufer legte sie nach:

      „Also, woss iss etz. Ich hobb di doch gefraachd, wäis der heid gäihd. Also, dir mou mer wergli scho alles aus der Noosn rauszäihng.“

      „Bassd scho“, antwortete Peter ungerührt. „Wäi gsachd, der Doggder maand, dass alles soweid in Ordnung iss und dassi noch amal ganz schee Glück ghabd hobb. Abber auf a Reha müsserdi scho, drei Wochn.“

      Als die Marga gegen 19 Uhr gegangen war, nicht ohne ihm noch einmal, begleitet von einem besorgten Blick über die Wange zu streichen, versuchte Peter den Inhalt der riesigen Tasche in dem schmalen Kleiderschrank unterzubringen, der unweit seines Bettes stand, was aufgrund der Menge an Gegenständen und Kleidungsstücken ein echtes Problem wurde, allerdings in keinster Weise mit der Herausforderung in Konkurrenz treten konnte, die ihm diesbezüglich auf der Reha bevorstand. Doch davon wusste er glücklicherweise noch nichts.

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      Der nächste Morgen brachte zeitgleich mit dem Frühstück einen weiteren Zuwachs für das eigentlich für vier Personen ausgelegte Zimmer. Der Neue, ein Mann mittleren Alters, der äußerlich keinerlei Krankheit erkennen ließ, stand mit einer Reisetasche in der Hand und in Begleitung einer der Frühschichtschwestern in der Tür. Ein Notfall war das sicher nicht. Er erhielt das Bett rechts neben Peter zugewiesen und begann sich gleich häuslich einzurichten, so gut es unter den gegebenen Umständen eben ging. Wie sich bald herausstellte, war er gekommen, um einen seit Längerem geplanten Eingriff am Herzen vornehmen zu lassen. Ganz im Gegensatz zu dem arabischen Patienten war er ein ausgesprochen kommunikativer Typ. Ganze Sätze, Worte, immer häufiger aber auch nur Worthülsen schwirrten nur so durch die Luft. Vornehmlich in eine Richtung. Und so lernte Peter in kürzester Zeit mehr über das weite Feld der Kardiologie, als er in allen bisherigen Arztgesprächen zusammen erfahren hatte. Und was der Neue nicht von sich aus wusste, das recherchierte er augenblicklich mithilfe seines silbrig schimmernden Laptops. Mit der Ruhe in Zimmer 577 war es schlagartig vorbei.

      Aus diesem Grund war Peter regelrecht dankbar, als sich erneut die Tür auftat und al-Hamadis Söhne oder Freunde, man wusste es immer noch nicht genau, erschienen und unter zahlreichen salam aleikums und Küssen auf stoppelige Wangen eine neue Runde orientalischer Kaffeehausgespräche eröffneten. Diesmal schien es sich um eine Art Krisengipfel zu handeln. Die Lautstärke war noch einmal deutlich höher als am Tag zuvor und der Tonfall bedeutend schneidender, was etwas heißen will, und die Augen rollten erregt hin und her. Hände vollführten schwungvolle Bewegungen, die eher an Übungen aus der rhythmischen Sportgymnastik als ein Gespräch unter Männern erinnerten. Etwas absolut Bemerkenswertes musste passiert sein. Handys wurden eilig gezückt, Konferenzen, mehrere auf einmal, wurden eröffnet. Peter und der Neue schauten fasziniert zu. Plötzlich schien eine Entscheidung gefallen zu sein. Die Besucher griffen nach ihren Jacken und Mänteln und verabschiedeten sich eilig. Al-Hamadi selbst saß in Gedanken versunken an dem quadratischen Essplatz, den die Gruppe wie selbstverständlich als Konferenztisch okkupiert hatte. Schließlich wandte er sich an Peter, den Neuen schien er überhaupt nicht zu beachten.

      „Geschäft .. schlecht .. muss schau.“

      In nächsten Moment begann er seinen altmodisch blau-weiß-gestreiften Schlafanzug aufzuknöpfen und sein Hemd aus dem Schrank zu holen. In weniger als drei Minuten war er komplett umgezogen. Er schien es eilig zu haben. Jetzt noch den Mantel. Peter staunte nicht schlecht, als der Asylant, für den er al-Hamadi zu Beginn gehalten hatte, in einem totschicken Mantel, mit modisch hochgestelltem Kragen vor sich stehen sah, mit dem er sicher aus all den uniformierten Trägern wattierter schwarzer Jacken in der Stadt herausstechen würde.

      „Chommen wieder, chchpäter“, war das letzte was sie ihn rattern hörten, bevor er durch die Tür verschwand.

      Stundenlang hatte keiner nach ihm gefragt, aber kaum war der Mann gegangen, kam prompt der Stationsarzt, um das weitere Vorgehen mit dem Ausreißer zu besprechen. Auf seine Frage, wo al-Hamadi denn sei, antwortete Peter neutral.

      „Der iss naus ganger, keine Ahnung wohin.“

      Petzen kam nicht infrage. Und so richtig gelogen war es ja auch nicht. Wohin er genau gegangen war, wussten die beiden Zurückgebliebenen ja wirklich nicht. Der Arzt schüttelte den Kopf und verließ wortlos den Raum. Die beiden Patienten grinsten sich zu wie ein paar Lausbuben, die ihrem Lehrer einen Streich gespielt hatten.

      „Was das wohl für ein Geschäft ist, um das sich unser türkischer Freund kümmern muss?“, fragte der Neue, der eigentlich Jörg Rohrbach hieß, als der er sich dann auch vorstellte. „Irgendwelche Schiebereien, denke ich mal. Würde zu ihm passen.“

      „Wie kommersn dou drauf“, entgegnete Peter, der von Vorurteilen nicht viel hielt, in versuchtem Hochdeutsch. Er bemühte sich also etwas deutlicher zu sprechen als üblicherweise, da sein Nachbar offenbar aus der Gegend stammte, wo man das Schriftdeutsch erfunden zu haben glaubte.

      „Ich denk ja eher, dasser ein Obsthändler iss oder vielleichd a Andiquidädnhändler, seinem kosdschbielichn Audfidd nach zu schätzn. Er iss nämlich übrigns ka Dürke, sondern villmehr ein Ägybbder. Dou basserdn doch Andiquidädn hunderdbrozendich“, legte Peter sich fest.

      Jörg Rohrbach überlegte kurz und räumte ein, dass ein Handel mit Altertümern durchaus denkbar wäre. Die Schiebereien die er bereits gemutmaßt hatte, würden, wie Herr Kleinlein wohl zugeben musste, jedenfalls bestens dazu passen.

      „Und die verdächtige Unterhaltung gerade eben mit seinen Kumpanen oder Gehilfen oder was die in Wirklichkeit waren, das passt genau ins Bild. Das Beste ist, wir fragen ihn nachher einfach unverfänglich, dann werden wir ja sehen. Wollen wir wetten?“

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      Nach zwei Stunden war der Gegenstand ihrer Spekulationen wieder da. Zufrieden über das ganze Gesicht strahlend, als ob es ihm in der Zwischenzeit gelungen wäre, das Geschäft seines Lebens zu machen. Ausgeglichen und völlig entspannt. Aus einer Plastiktüte zauberte er je einen Apfel, eine Orange und eine Banane für jeden seiner Zimmergenossen hervor. Freundliche Leute, diese Ägypter.

      Peter grinste seinem Bettnachbarn verstohlen zu und raunte ihm mit einem Augenzwinkern leise zu: „Eins zu Null für Kleinlein“. Aber so leicht gab der andere nicht auf. Schon griff er nach seinem unvermeidlichen Laptop, den er zwischenzeitlich auf dem Beistelltischchen geparkt hatte und tippte wie wild darauf los. Sein Blick wechselte blitzschnell von gespannter Erwartung bis hin zu einem triumphierenden Grinsen, als er das Display mit dem Ergebnis der Google-Suche in Peters Richtung drehte. Hier stand es schwarz auf weiß.

      Internet-Café Al Kahira, Inh. Anwar al-Hamadi, Gostenhofer Hauptstraße, Nürnberg.

      „Rohrbach versus Kleinlein, Eins-zu-Null für mich. Was sagen sie jetzt?“

      Al-Hamadi hatte von alledem nichts mitbekommen. Er telefonierte bereits wieder mit seinem supermodernen Smartphone.

      Drei Wochen und zwei Tage später früh um 9:11 Uhr entstieg Peter Kleinlein der U-Bahn-Linie 1 und ließ sich von dem kontinuierlichen Strom der Mitreisenden zur Rolltreppe mittreiben, die ihn nach oben zum Busbahnhof Langwasser-Mitte bringen würde. Von hier aus sollte er die Buslinie 56 oder 57 nehmen, so stand es zumindest in der Onlineauskunft des VGN, der Nürnberger Verkehrsbetriebe. Beide würden ihn zum Klinikum-Süd bringen von wo aus es nur noch wenige hundert Meter Fußweg zum Rehazentrums ZFARM sein würden, in dem er die nächsten drei Wochen an seiner Rückkehr ins normale Leben, soweit es das Gesundheitliche betrifft, arbeiten sollte. Und auch wollte.

      Peter hatte sofort zugesagt, als ihm die Krankenkasse eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme anbot. Die stationäre Variante, die ihm der Sozialdienst des Krankenhauses noch zur Auswahl gestellt hatte - er hatte sogar schon in Abstimmung mit seiner Marga