Christine Kolbe

Der andere Jesus


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den Auftrag, sie gut zu behandeln und ihnen zu essen zu geben. Wenn er nun melden musste, dass der eine von beiden beinahe zu Tode gekommen war, konnte ihn das seinen Kopf kosten. Doch er musste Bericht erstatten, ehe jemand anderes dies tat. Denn dann wäre noch größerer Zorn auf ihn gefallen.

      Mit stockender Stimme berichtete er, dass einer der beiden Gefangenen versucht habe, seinem Leben ein Ende zu setzen. Er habe sich die Adern aufgeschnitten und sei blutüberströmt gefunden worden. Der Wundarzt habe die Wunden versorgt und die Blutung zum Stillstand gebracht, doch der Gefangene sei nicht bereit, zu trinken oder zu sprechen.

      Der junge Tribun erwartete eine heftige Schimpfkanonade, vielleicht seine völlige Degradierung, doch der Prokurator nickte nur stumm. Nichts von alledem geschah. Nervös blickte der Tribun sich um. Was ging hier vor?, so fragte er sich. Gefangene, die wie Gäste behandelt wurden und Selbstmordversuche unternahmen? Da gab es andere in den Zellen, denen dies eher nahezuliegen schien.

      Nach einer Weile des Schweigens richtete Pontius Pilatus seinen Blick auf den Tribun. „Bring ihn her! Zuvor gebt ihm neue Kleider und reinigt ihn. Ich will mit ihm sprechen.“

      Josef hatte still am Fenster gestanden, den Blick auf den Vorplatz gerichtet. Tauben hatten sich auf den Simsen und Mauervorsprüngen niedergelassen. Was für eine seltsame Wendung, so dachte er.

      Wenig später klopfte es erneut, und der Größere der beiden Männer wurde hereingeführt. In seinem Blick lagen nun Angst und Misstrauen. Was hatten sie mit ihm vor? Er wurde zu einem der Sessel geführt und der Prokurator bat ihn höflich, Platz zu nehmen.

      Zögernd folgte der Mann dieser Aufforderung. Er war innerlich zutiefst aufgewühlt und zornig. Warum hatten sie ihn nicht sterben lassen? Es war sein tiefster Wunsch, seinem Leben ein Ende zu bereiten. Er hatte die Zeichen gesehen, die ihm den Auftrag dazu gaben. Warum ließ man ihn nicht einfach in Ruhe?

      Mit entschlossenem Blick und versteinerter Miene blickte er auf den Prokurator. Ein spöttisches Lächeln glitt über seinen Mund. Er war bereit zu sterben, was sollte ihn da noch erschrecken? Siegesgewiss und unantastbar fühlte er sich. Er würde sich für seine Aufgabe opfern.

      Pontius Pilatus blickte unruhig auf den Mann. Er war nicht zimperlich mit Gefangenen, wenn sie verhört wurden. Doch dieser Mann jagte ihm Angst ein. Er war so stolz und unbeugsam und ähnelte dem Meister auf eine so erstaunliche Weise.

      „Wir haben dir nichts vorzuwerfen. Du kannst diesen Raum als freier Mann verlassen. Du bist nicht der, den wir suchen, doch möchten wir dir einen Plan unterbreiten, der zu den Kühnsten und Bedeutsamsten zählt, die ich je erlebt habe, und ich frage dich, ob du dabei helfen willst?“

      Josef war von seinem Platz am Fenster zurückgekehrt. Er setzte sich zu den beiden und faltete die Hände vor der Brust, wie er es immer tat, wenn er sich besonders bei seinen Ausführungen konzentrierte.

      „Willst du für einen anderen am Kreuz sterben?“

      Der Mann blickte neugierig auf. „Sterben? Ja, das will ich! Warum lasst ihr mich nicht einfach gehen, damit ich meinem Leben ein Ende setze?“

      Josef holte weit aus. Er berichtete von den Hohepriestern, der Prophezeiung, den Häschern, der Gefangennahme und der Befreiung. Als er geendet hatte, leuchtete das Gesicht des Fremden. Er wirkte wie von einer tiefen Freude erfüllt. Er wusste nun, wozu sein Tod nutze war, was seine wahre Mission war.

      Er sprang plötzlich auf, kniete zu Boden und bat den Prokurator, die Aufgabe übernehmen zu dürfen. Er umklammerte die Füße des Prokurators, der sich unbehaglich umblickte. Er hatte nicht mit dieser Reaktion gerechnet. Vorsichtig fasste er die Hände des Mannes, um sie von seinen Fesseln zu lösen, und schob ihn zurück auf seinen Stuhl.

      „Wir werden zuvor die einzelnen Etappen des Prozesses mit dir besprechen und du sollst eine Nacht darüber nachdenken, bevor du einwilligst. Es ist wichtig für uns, dass du dir der genauen Folgen bewusst bist. Es ist eine Verurteilung und eine Vollstreckung des Urteils, sehr wahrscheinlich eine Kreuzigung. Wenn du auch morgen noch bereit bist, dies auf dich zu nehmen, werden wir dir alle Einzelheiten erklären. Bis dahin sollst du Gast in meinem Hause sein. Man wird dir Decken, Speisen und eine Zelle zuweisen. Du sollst bekommen, was du begehrst.“

      Mit diesen Worten erhob er sich und gab dem Diener Anweisung, das Nötige in die Wege zu leiten.

      Josefs Hände zitterten. Dieser Mann war besessen von der Idee, sich opfern zu müssen. Er war über diese Wendung erleichtert und schockiert zugleich. Sollten sie wirklich einen Unschuldigen diesen Weg gehen lassen?

      Machten sie sich nicht selbst schuldig am Tod dieses Mannes? Gewissensbisse plagten ihn, jetzt, wo ihr Plan tatsächlich gelingen konnte.

      Pilatus reichte ihm einen Becher Wein. Erleichterung schwang in seiner Stimme. Für ihn war in diesem Moment klar: Sie hatten die Lösung. Und auch wenn der Meister nach diesem Geschehen tatsächlich wieder auftauchte, sie würden ihm nicht glauben.

      1 Römischer Titel des obersten Herrschers einer Provinz

      2 Hebräische Bezeichnung für Galiläa, Gebiet im Norden des heutigen Israels. Zur Zeit von Jesus lagen Nazareth und der See von Genezareth als Orte des Schaffens von Jesus in Galiläa.

      3 Oberste jüdische, religiöse und politische Instanz und gleichzeitig oberstes Gericht.

      4 Procula, Claudia (nach der Legende die Tochter des römischen Kaisers Tiberius), Ehefrau des Pontius Pilatus..

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