Manuel Neff

Die Chroniken von 4 City - Band 1-3


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Weib auch unsere Sprache?«

      »Soll sie dir Geschichten erzählen oder willst du deinen Spaß mit ihr haben?«, fragt die Oberin und wendet sich von ihm ab.

      »Ich krieg dich«, brummt der Mann mit unheimlicher Stimme ganz nah an Loves Ohr. Sie kann seinen Mundgeruch und diverse Körperausdünstungen riechen und muss sich beherrschen, um nicht zu würgen.

      »Meine sehr verehrten Herrschaften. Genug geglotzt. Die Versteigerung beginnt«, ruft nun die Oberin. Der offizielle Ton will absolut nicht zu ihrer etwas rüden Erscheinung passen. Sie ergreift den Arm des schluchzenden Mädchens und hebt diesen leicht an. »Ich habe ein ganz besonderes Angebot für euch.« Sie wirft dem Mädchen einen bitterbösen Blick zu. Das Mädchen dreht sich daraufhin einmal um die eigene Achse. Sie schaut ängstlich zu Boden und hat Mühe, ihre Tränen zu unterdrücken. »Diese Sklavin ist gefügig, fleißig und gesund. Sie ist harte Arbeit gewohnt und widerspricht nicht.« Love ist sich nicht sicher, woher die Oberin das weiß und ob all das, was sie sagt, wirklich wahr ist, aber offensichtlich erhofft sie sich so, einen guten Preis zu erzielen.

      »Ihr Name ist Lisa, doch nennt sie von mir aus, wie ihr wollt.« Die Oberin blickt das Mädchen an und für einen kurzen Augenblick sieht Love so etwas wie Kummer und tiefes Bedauern in den Augen der Oberin. »Macht mir einen guten Preis und ihr könnt sie mitnehmen.« Dann verschränkt sie die Arme vor der Brust und wartet ab.

      Geräusche bewegen die Menge dazu, sich umzublicken. Eine verspätete Kutsche fährt vor und ein breitschultriger Mann mit einer auffällig großen Papageienschnabelnase und eine junge Frau mit einem silbrigen Halsband steigen aus. Gediegenen Schrittes tritt der Hüne auf den Platz bis vor die Empore. Er ist wahrhaftig eine einschüchternde Erscheinung. Hinter sich zieht er die junge Sklavin her. Sie ist vielleicht gerade einmal 18 Jahre alt. Sein Griff ist wie der eines Schraubstockes, denn so sehr sie sich auch gegen ihn lehnt, es hilft nichts und sie stolpert jeden zweiten Schritt hinter ihm her. Als er direkt vor der Empore ankommt, zerrt er sie etwas grob am Arm.

      »Still jetzt!«, raunt er missmutig. Das Mädchen ist zierlich und misst etwa 1,60 Meter. Ihr Haar liegt in braunen Locken wirr um ihr feingeschnittenes Gesicht. Es gleicht mehr einem strubbeligen Fell als Menschenhaar. Scheu, ja beinahe ängstlich, schaut sich das Mädchen aus ihren braunen Augen um. Die Angst steht ihr ins Gesicht geschrieben. Einige drehen sich zu ihm um. Nach einer halben Ewigkeit beginnt der Mann mit Blick auf Lisa, das weinende Mädchen, zu sprechen.

      »Wie viel wollt ihr für sie haben? Wenn es nicht übertrieben ist, will ich den Preis zahlen.« Flüchtig und ängstlich mustert Lisa den Mann.

      »Fünfzehn Gramm Ektoplasma«, meint die Oberin.

      »Gekauft!«, antwortet der Hüne.

      Die Auktion nimmt ihren Lauf.

      Ein paar der besonders hübschen Mädchen werden als erste von den Männern herausgepickt und abgeführt. Weiter rechts wird mit der Oberin gehandelt und gefeilscht und Ektoplasma wechselt schließlich den Eigentümer. »Das ist kein Sklavenmarkt«, denkt Love. Nein, es ist viel schlimmer. Wir sind Kriegsbeute und werden an den meist Bietenden verkauft.

      Eine Frau zeigt offenkundiges Interesse an Love. Der widerliche Mann, der wohl nur darauf wartet, mit der Oberin zu verhandeln, ist Love ebenfalls keinen Zentimeter von der Seite gewichen.

      »Was willst du für sie?«, ruft die Frau der Oberin zu. Die Oberin blickt zu ihr, offenbar erfreut darüber, dass es gleich zwei Interessenten für Love zu geben scheint.

      »Dreißig Gramm!«, sagt sie geradeheraus.

      »Was?«, schimpft der Mann. »Eben waren es nur zehn.«

      »Zahlt oder lasst es.«

      Ein schwarzhaariges, dünnes Mädchen will derweil erschrocken einen Schritt zurückweichen, doch ihr dicker, ungepflegter Käufer lässt dies nicht zu. Mit unerbittlicher Härte umklammert er ihren Unterarm und dann blickt er zur Oberin.

      »Fünf Gramm«, verhandelt er und streicht sich über sein fettes Kinn.

      »Sie gehört dir«, schlägt die Oberin in den Handel ein und wirft dem Mann den Sender für das Halsband zu. Der fette Mann fängt das kleine Gerät ungeschickt auf und blickt zu der Sklavin. Ein schmieriges Grinsen liegt ihm auf den Lippen.

      Es ist ein Geschäft. Ein durchaus lukratives, wie es den Anschein hat, denn die Männer scheinen gut zu bezahlen. Loves Hoffnungen schwinden. Sie hatte die Hoffnung, hierbleiben zu können und eine Gelegenheit zu erhalten, irgendwann den Master zu töten. Plötzlich passiert etwas Unvorhergesehenes.

      Das schmächtige Mädchen, reißt sich doch von dem dicken Käufer los und springt die Empore hinunter.

      »Bleib stehen!«, ruft die Oberin hinterher, aber das Mädchen hört nicht. Sie rennt einfach darauf los. Der Hüne mit seinen beiden Sklavinnen dreht sich um. Das Mädchen stürmt auf ihn zu.

      »Nimm mich mit! Bitte!«, fleht sie ihn an. Sie ist schon fast bei den Kutschen angekommen, als Love sieht, wie ihr Käufer die Fernsteuerung zückt und sie betätigt. Im nächsten Augenblick spürt Love, wie sich das Stahlband um ihren Hals leicht zusammenzieht. Dem flüchtenden Mädchen ergeht es aber viel schlimmer. Sie stürzt direkt zu den Füßen des Hünen zu Boden und hält sich schreiend mit beiden Händen den Hals. Alle anderen Sklavinnen, einschließlich Love sind auf die Knie gefallen und röcheln nach Luft ringend, doch das dünne Mädchen wälzt sich voller Schmerzen und Panik auf dem Asphalt.

      Der Käufer geht die Stufen der Empore nach unten und hört nicht auf, den Sender zu betätigen. Er kommt bei dem Mädchen an und blickt auf sie hinab. Es tritt bereits Schaum aus ihrem Mund.

      »Aufhören!«, brüllt die Oberin und Love sieht schon wieder eine ganz andere Frau vor sich. Macht sie sich wirklich Sorgen? Ist ihr das Schicksal des Mädchens vielleicht doch nicht so gleichgültig? Aber der Mann hört nicht auf. Der Hüne reißt dem Käufer schließlich den Sender aus der Hand. Im nächsten Moment lässt der Druck auf Loves Hals nach. Der Mann schaut den Hünen wutentbrannt an und in seinen Augen sieht Love noch etwas anderes. Lust, die Lust zu töten. Sie hat das schon oft in den Augen von Schrottsammlern gesehen. Die Oberin und der dicke Mann streiten und jetzt fängt auch das Gemurmel der anderen Käufer an, lauter zu werden. Der Hüne hebt das Mädchen hoch. Sie liegt vollkommen schlaff in seinen Armen.

      »Der Handel ist für heute beendet«, verkündet die Oberin. »Du und du! Helft mit!«, befiehlt die Oberin. Love und ein Mädchen mit dicken, roten Haaren, die wie eine glänzende Welle über ihre Schultern fallen, sind gemeint. Zusammen übernehmen sie die Verletzte aus den Armen des Hünen und tragen sie zurück in den Tower, zurück auf ihr Zimmer. Es befindet sich im gleichen Korridor wie Loves. Sie legen sie ins Bett. Der Brustkorb des Mädchens hebt und senkt sich nur schwach.

      »Was ist mit ihrem Halsband los?«, fragt Love. Sie betrachtet den metallenen Reif. Er scheint beschädigt zu sein. Ein paar der Plättchen haben sich gelöst und darunter kommt die Technik zum Vorschein. »Was ist das?«, fragt Love weiter, als sie die kleine Menge Dampf sieht, die austritt und darunter etwas, das wie eine Flüssigkeit schimmert und leuchtet.

      »Finger weg! Bevor das Band explodiert«, faucht die Oberin sie an und schlägt Loves Hand beiseite.

      »Explodiert?«, fragt die Rothaarige ängstlich. Love kombiniert derweil in ihrem Verstand die Informationen, die sie bis jetzt über das Halsband gesammelt hat.

      »Zu Ektoplasma verdichteter Æther«, flüstert sie.

      »Sie liegt im Sterben«, flüstert die Rothaarige und Love glaubt wirklich so etwas wie Mitgefühl in den Augen der Oberin zu entdecken.

      »Vermutlich ist der Tod die bessere Alternative«, sagt die Oberin leise. »Er ist nicht das erste Mal hier. Er kauft sich jeden Monat ein neues Mädchen«, ergänzt sie und ihre Stimme wird dabei zu einem Flüstern. Love muss an den ekligen Mann denken und ihre Nackenhaare stellen sich auf.

      »Wer sind diese Männer?«, fragt Love. »Und was machen die mit uns?«

      »Menschen. Und ich will gar nicht wissen, was die Antwort auf