Manuel Neff

Die Chroniken von 4 City - Band 1-3


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Band 1 bis 3

      Legende

      Bei einem wissenschaftlichen Experiment im 21. Jahrhundert ging etwas gewaltig schief. Dies war die Geburtsstunde »der Krankheit«, die wie eine Sintflut fast die gesamte Menschheit dahingerafft hat. Nur die gewaltigen Mauern, welche um die großen Städte erbaut wurden, schienen vor der Krankheit Schutz zu bieten.

      Im 23. Jahrhundert, etwa 200 Jahre nach der »Großen Pandemie«, sind auf der Erde die gesellschaftlichen Systeme zerfallen. Die ursprüngliche Zivilisation teilt sich nun in vier Gruppen auf:

      Schrottsammler: Menschen, die in Clans leben und für die nur ein Gesetz gilt: Der Stärkere überlebt.

      Steamborgs: Wesen, halb Mensch halb kybernetischer Organismus. Unfähig selbst Entscheidungen zu treffen, erwarten sie die nächsten Befehle ihres Masters.

      Synthetiks: 100% synthetische Lebensformen. Fähig sich selbst zu reproduzieren und in der Lage zu fühlen und zu empfinden.

      Menschen: Sie leben im Zentrum von 4-City und genießen Dank der Kraft des Dampfes, Wohlstand und technische Errungenschaften.

      Alle vier Gruppen leben in 4-City und kämpfen dort hinter der großen Stadtmauer um Macht und ums Überleben.

       In der Karma-Reihe begegnen uns:

      Prinzessin Love, Schrottsammlerin auf der Suche nach ihrer wahren Identität.

      Karma und Myo, Wesen die keiner der vier Gruppen angehören und laut einer alten Prophezeiung dazu bestimmt sind, die Arche zu finden, die allen Erlösung verspricht.

      Isabell, die in der Lage ist Æther aus Lebewesen zu extrahieren.

      Ice, dem Master der Steamborgs, gefangen zwischen Liebe, Macht und Intrigen.

      Reico und Ikumi, synthetische, empfindsame Wesen, die nichts weiter wollen, als ihren Platz in der Gesellschaft zu finden.

      Stiff, ein Kämpfer aus dem Zentrum von 4-City, der sich hoffnungslos in Karma verliebt und zwischen alle Fronten gerät.

      Und Aurora, die geheimnisvolle Wissenschaftlerin aus der Alten Welt.

      Schlachtfeld

      Drave, der Master der Schrottsammler schreitet an den qualmenden Überresten des Wracks vorbei, das einmal ein Zeppelin war. Seine Leute haben das dampfbetriebene Luftschiff mit Harpunen vom Himmel geholt und die Steamborgs zur Hölle geschickt. Er bezweifelt, dass es für Steamborgs so etwas wie ein Reich Gottes nach deren Ableben geben könnte, genauso wenig wie für seine eigene Rasse.

      Himmelsgewölbe? Unterwelt?

      Was spielt das für eine Rolle. Das, was für Drave zählt, ist das Leben in 4-City, so beschissen es auch manchmal sein mag. Alle Steamborgs, die es gewagt haben, in seinem Territorium zu wildern, wurden getötet. Gefangene zu nehmen, hat keinen Sinn.

      Drave hebt den kahl geschorenen Kopf und erforscht die fremdartigen Schriftzeichen.

      »Macht davon ein Lichtbild und bringt es meiner Tochter. Ich möchte heute Abend noch wissen, was das zu bedeuten hat. Sie hat sicherlich Spaß daran, es zu entschlüsseln«, befiehlt Drave und sofort beginnen ein paar Schrottsammler damit, den großen Apparat, den die Prinzessin rekonstruiert hat, aus dem Zeppelin zu wuchten. Niemand weiß im Grunde, wie er genau funktioniert, doch die Ergebnisse sind verblüffend. Ein Bild festzuhalten, das für gewöhnlich den Augen vorbehalten ist, ist etwas Besonderes in der beschränkten Welt der Schrottsammler. Vielleicht wäre es besser, die Symbole abzumontieren. Aber Drave besteht darauf, den Männern die neue Technik näherzubringen.

      Der Master betritt die Abteilung drei. Die Spuren des Kampfes gegen die Steamborgs sind unübersehbar.

      »Wer hat das riesige Loch hier rein geschossen?«

      »Das waren die Steamborgs«, traut sich einer seiner Leute, das Wort zu erheben.

      »Ich will auch so eine große Kanone«, sagt Drave mit rauer, tiefer Stimme, als hätte er die Töne aus dem Grund seines Brustkorbs ausgegraben.

      Er geht weiter, kommt an dem Spalt vorbei, in welchem sich Myo, Karma und Reico, drei Frauen auf der Flucht, vor Stunden versteckt hielten, um von der Abtei und der Auseinandersetzung der verfeindeten Rassen zu fliehen. Drave entdeckt etwas und hebt es vom Boden auf. Ein abgerissenes Stromkabel, wie es den Anschein hat und wirft es in einen Einkaufswagen, wie sie in der Alten Welt in Supermärkten benutzt wurden. Der Schrottsammler, der den Wagen hinter seinem Master herschiebt, bedankt sich und folgt mit gebückter, demütiger Haltung dem Chef. Insgeheim verabscheut Drave das Buckeln der Männer, aber andererseits verleiht es ihm ein Gefühl von Macht.

      Ein Dampfen, begleitet von einem qualvollen Stöhnen, erweckt seine Aufmerksamkeit, als er den vollkommen zerstörten Kontrollraum betritt. Leichen seiner Leute liegen aufgereiht und zugedeckt an der Wand. Getötete Steamborgs wurden auf einen Berg aufgestapelt. Von dort kommt das Geräusch. Drave nähert sich, ahnt, dass es Überlebende gibt und freut sich auf das, was er gleich tun wird.

      Der Steamborg liegt in der zweiten Schicht. Über und unter ihm Tote seiner eigenen Rasse. Abgemurkst von den Schrottsammlern. Drave packt den Feind an einem Bein und zieht ihn aus dem Haufen. Unmengen von Schwaden steigen von dem Steamborg auf und braune Flüssigkeit, Schmierstoff oder Öl tritt aus einer Öffnung aus, wo vormals ein Arm war.

      »Wen haben wir denn da?«, fragt Drave, dreht den Steamborg auf den Rücken und reißt ihm mit einem Ruck die lederne, mit Stahl und Kunststoff durchzogene Maske vom Kopf. Es kommt ein Gesicht zum Vorschein. Kein Vollständiges und doch ist noch gut zu erkennen, was er einmal gewesen sein muss, bevor er zu einem Steamborg wurde.

      Ein Mensch. Die Augen sind weit aufgerissen, sind es nicht gewohnt, Tageslicht ohne Schutzglas zu ertragen. Die Haut ist blass und an manchen Stellen nahezu durchsichtig, sodass man die blaue Flüssigkeit darunter entlangströmen sieht. Ein Öl-, Blut-, Emulsionsgemisch, welche im Blutkreislauf des Steamborgs fließt. Kupferdrähte und dünne, aus schwarzem Plastik bestehende Röhren treten aus den Seiten aus. An den beschädigten Gelenken und den Schläuchen tritt braune, breiige Schmierflüssigkeit aus und verteilt sich neben dem Kopf des Steamborgs auf dem Betonboden. Das bizarre Wesen röchelt und Drave lehnt sich zu ihm hinab.

      »Ja, was sagst du da?«

      Nach Atem ringen. Dampfen. Blubbern.

      »Tut mir leid, Kumpel, ich kann dich unglücklicherweise nicht verstehen«, sagt Drave, holt seinen Dolch seitlich aus dem Schaft im Stiefel, setzt ihn auf der Brust des Steamborgs an und schiebt ihn ganz langsam in ihn hinein. Die Augen des Feindes weiten sich, das Röcheln wird stärker, anschließend verstummt es vollständig. »Sucht nach übrigen Überlebenden und tötet sie alle«, befiehlt Drave und die Schrottsammler schwärmen aus. »Wartet noch! Falls ihr Bücher findet, dann nehmt sie mit!«

      Mit dem Diener an seiner Seite, der den Einkaufswagen stoisch vor sich herschiebt, dringt Drave tiefer in die Abtei ein. Er könnte fasziniert sein, von den technischen Errungenschaften, über welche die Einrichtung verfügt. Blöderweise befürchtet er aber, dass diese Sachen den Horizont selbst seiner gerissensten Untertanen übersteigen würden. Nur seiner einzigen Tochter Love könnte er befehlen, die Geheimnisse zu ergründen. Ihr Verstand und die Fähigkeiten, Dinge aus der Alten Welt zu rekonstruieren, übertrifft den eines gewöhnlichen Schrottsammlers bei weitem. Leider lässt sie sich nicht die Bohne von ihrem Erzieher vorschreiben und bitten liegt nicht in der Natur von Drave. Ein Master bittet nicht. Er gebietet. Was für ein Dilemma. Kann die eigene Tochter nicht einfach ihrem Vater gehorchen und ihn unterstützen, noch mächtiger und grausamer zu werden?

      Drave erreicht den Raum mit den Regenerationskapseln.