Sophie Lang

Violet - Dunkelheit / Entfesselt - Buch 4-5


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weißes Sofa perfekt, stilvoll im Raum platziert. Der Konferenztisch aus Kristallglas fällt kaum auf. Im Gegensatz zu dem vertrauten Menschen, der mir die Tür geöffnet hat. Ich kann es immer noch nicht fassen. Trish ist hier. Ich trete tiefer ein, aber Fischer kommt nicht mit.

      „Trish? Was machst du denn hier?“, frage ich, während sie die Tür hinter mir schließt.

      „Ich weiß, ihr kennt euch persönlich. Aber das war, bevor ich Trishtana zu meiner Assistentin ernannt habe und bevor ich von der Existenz dieses Buches erfahren habe“, sagt jemand, der sich mit Trish und mir in dem Lichtraum befindet und der ein kleines weißes Buch auf den riesigen Konferenztisch, quer durch den Raum schleudert.

      Ich blicke in die Augen des Mannes, der keine zwei Meter vor mir steht. Sie sind blau. Blau wie das Meer, das ich durch die Scheiben des Helikopters gesehen habe, der mich in die Sektion 0 geflogen hatte.

      Seine Augen scheinen sich in mein Inneres bohren zu wollen und ich halte seinem Blick nicht lange stand, lasse es zu. Es ist wie ein Kampf ohne Waffen, nur mit unseren Blicken, den ich verliere.

      Vorerst.

      Er lächelt mich an, aber es sind nur seine Mundwinkel, die sich zu einem Ausdruck gesellschaftlicher Freundlichkeit verformen. Seine Augen lachen nicht. Sind kalt und frostig und prüfen mich.

      Ich lächle nicht, nehme mir stattdessen Zeit, ihn zu mustern. Er ist vierzig, vielleicht etwas älter, vielleicht auch jünger. Schwer zu sagen, denn es ist seine Ausstrahlung, die mir das verrät und nicht seine Haut, die kaum Falten trägt. Sein Gesicht ist kantig, hat die Form eines Raubvogels, seine Haare sind kurz geschnitten und blond, fast so wie meine.

      Er ist so groß wie Adam und der maßgeschneiderte Anzug liegt perfekt an seinem schlanken Körper an. Die Ärmel hat er zurückgekrempelt, als wollte er körperlich arbeiten. Ich nehme Notiz von seinen muskulösen, drahtigen Unterarmen. Er ist hässlich, was nicht an seinem Äußeren als vielmehr an seiner Aura liegt. Der Raum in seiner unmittelbaren Nähe scheint das Licht zu verschlucken, sodass er noch finsterer und böser erscheint.

      Als wäre er direkt aus der Hölle gestiegen. Ich habe eine Vermutung, wer er ist, auch wenn alles logische Denken in mir rebelliert, wie ein hysterisches Kind.

      „Ich grüße dich, Freija. Ich habe die Käfigtür geöffnet und jetzt bist du endlich hier.“ Käfigtür? Der Ausdruck passt zu einer Bestie. Zu mir. Mein törichtes Herz beginnt wild zu klopfen. Ich sehe ihn das erste Mal und auch wenn ich ihn mir schon so oft vorgestellt habe, von ihm gehört habe, wage ich es nun kaum, zu ihm aufzublicken. Er jagt mir Angst ein.

      „Glaubst du nicht, dass das gefährlich sein könnte, sich in meiner Nähe aufzuhalten?“, frage ich trotzdem, aber es klingt nach einem piepsenden Vögelchen. Ein Lächeln stiehlt sich auf seine Lippen. Wieder ein unechtes Lächeln.

      „Nein, du wirst mir nichts tun.“ Ich schweige, weil mein Herz so stark pocht, dass ich kein weiteres sinnvolles Wort heraus bekomme. Seine Augen scheinen mich auszuhorchen, mich zu durchschauen. Ich höre, wie Trish die Tür verriegelt und beobachte ihn, wie er sich nähert, an mir majestätisch vorbei schreitet, mir den verwundbaren Rücken zuwendet und sich dann an den Konferenztisch setzt.

      Er fürchtet mich nicht oder er zeigt es mir nicht. Aber ich fürchte mich.

      „Setz dich bitte neben mich“, sagt er und klopft auf den Stuhl neben sich. Er hat bitte gesagt? Aber es hört sich anders an als bei Fischer.

      „Ich stehe lieber“, sage ich nervös.

      „Das war eine Bitte, kein Befehl.“ Und es ist doch ein Befehl, denke ich.

      Ich humple also zu ihm, setze mich neben ihn. Adam duftet hunderttausendmal besser.

      „Weißt du, warum du hier bist?“

      „Nein“, sage ich ehrlich.

      „Weil ich dir ein Geheimnis verraten möchte.“

      Ich nicke und weiß nicht wieso.

      „Ich bin der Oberste Gesandte. Bist du überrascht über die Tatsache, dass ich hier neben dir an diesem Tisch sitze?“

      „Ich könnte überrascht sein, weil ich dachte du wärst älter. Viel älter.“ Er lacht. Dieses Mal echt.

      „Der Oberste Gesandte ist ein Titel und kein Mensch. Das Alter spielt nicht die geringste Rolle“, sagt er.

      „Hast du den Titel geerbt?“ Er lacht wieder.

      „Gott, nein. Niemand erbt diese Position. Ich habe sie mir verdient.“

      „Hört sich gerecht an.“

      „Korruption, Macht und Angst sind die wesentlichen Faktoren, die den Ausgang bestimmen.“ Ich werde mir langsam sicherer, mein Herz verliert etwas von der anfänglichen Aufgeregtheit und ich bin in der Lage, meine Gedankengänge zu kombinieren und zu ordnen.

      „Dann musst du sehr reich sein“, stelle ich fest. Er schweigt.

      „Wie gesagt, du bist hier, weil ich dir etwas zeigen will. Kannst du dir vorstellen, was es ist?“

      „Ich nehme an, du wirst es mir gleich verraten.“

      „Hast du denn keine Vermutung?“

      „Es gibt einen Grund, warum Asha und ich erschaffen wurden und der Grund bist du.“

      „Du weißt es also?“

      „Ja, ich habe mich erinnert.“

      „Erinnert? Das ist interessant. Ich dachte, wenn man einmal gelöscht wurde, dann wäre das nicht möglich. Mir ist kein einziger Fall bekannt, dass das einem Vollstrecker oder einem Sektionsteammitglied jemals gelungen wäre.“

      „In Anbetracht dessen bin ich anscheinend zu Erstaunlichem fähig.“

      „Offensichtlich. Ich habe mir Fischers Bericht auf dem Weg hierher durchgesehen. Ist das wahr? Kannst du tatsächlich fliegen?“ Ich nehme erstaunt Notiz davon, wie sorgfältig gefeilt seine Fingernägel aussehen. Meine sind gerissen und gebrochen. Nicht abgenagt.

      Fliegen hat er gesagt. Ich denke an den Kampf mit den Drohnen.

      „Nein. Hope hat mich geworfen“, sage ich und schaue zu Trish, die uns regungslos beobachtet.

      „Hope? Das ist also ihr Name.“ Mich beschleicht das Gefühl, ihm bereits zu viel verraten zu haben.

      „Ist das ein Verhör?“, frage ich und denke, dass ich nichts mehr über Hope sagen werde.

      „Diese Hope, wie hast du sie kennengelernt?“ Ich schweige.

      „Und er? Ihren Bruder? Liebst du ihn?“

      „Was?“, rutscht mir das Wort aus dem Mund.

      „Er fragt die ganze Zeit nach dir. Ohne Zweifel empfindet er sehr viel Zuneigung. Ich gehe soweit und sage, dass er sich mit dir identifiziert. Identifikation kann Liebe auslösen. Man teilt Freude und Kummer. Empfindet mit dem anderen und versteht ihn. In einem solchen Prozess werden unsichtbare Kräfte wach, die in den besten menschlichen Eigenschaften – Treue, Hingabe, ja sogar Selbstaufopferung – zum Ausdruck kommen. Was haben Menschen nicht schon alles auf sich genommen. Was haben sie alles ertragen. Nun, davon spreche ich. Und? Liebst du ihn?“

      Ich bin stumm.

      „Und Asha? Liebst du sie?“

      Sein Verstand scheint mich zu benebeln. Ich denke, es ist das Beste, wenn ich weiter schweige.

      „Verstehe. Du vertraust mir nicht und du hast allen Grund dazu. Kann ich etwas für dich tun? Wasser? Etwas zu Essen? Etwas anderes? Willst du Adam sehen?“, fragt er. Er kennt seinen Namen. Ich darf ihn sehen? Damit er mein Vertrauen gewinnt? Das wird niemals geschehen, denke ich.

      „Das Licht im Bad in meiner Kammer muss repariert werden“, ist das Absurde, was ich sage, aber er geht nicht darauf ein.

      „Freija, ich will mit offenen Karten spielen. Ich will deine