gravierend verändert. Gebäude sind zerstört, es bleibt ein mehr oder weniger großer Krater, so wie auf den anderen Himmelskörpern üblich, übrig. Würde dies häufiger vorkommen, so wäre der blaue Planet bald nicht mehr von den übrigen Planeten zu unterscheiden. Dies ist aber nicht der Fall. Auslöser dieser zerstörerischen Explosionen sind die Aufrechten. Sie laden Unmengen kleiner fliegender Strukturen in große Flugstrukturen, heben von der Fläche ab und verlieren die gesamte Fracht eine kurze Zeit später aus dem Raum. Die Teile sinken dann, wegen der Anziehungskraft, verteilt über die Oberfläche ab. An jedem Auftreffpunkt passiert eine Katastrophe: Gebäude, Grünflächen und Wesen werden zerstört. Aber wozu das Ganze? Bei genauer Betrachtung erkenne ich, dass auch unzählige Aufrechte zerstört werden. Die davon gekommenen Aufrechten dieser Region zerstören sich anschließend gegenseitig mit sehr schnellen winzig kleinen Flugstrukturen, abgeworfen aus der Hand oder von den dienstbaren toten Bewegungsstrukturen. Ein Ende der Zerstörungen ist nicht abzusehen. Wäre dieser Zustand auf dem ganzen Planeten verbreitet, so gäbe es bald keine Aufrechten mehr. In fast allen anderen Regionen leben die Aufrechten und die übrigen Wesen aber friedlich miteinander zusammen.
Was ist das Geheimnis dieser verlustreichen Regionen? Wozu diese Zerstörungen? Soviel Energie wird nutzlos frei. Niemand und nichts profitiert davon. Während meiner Beobachtungen überkommt mich eine große Ratlosigkeit. Was geschieht denn da? Weshalb zerstören sich die Aufrechten gegenseitig und viele der schönen Strukturen des blauen Planeten? Es gibt keinen Grund so etwas zu tun! Nun höre ich eine Stimme: "Du warst noch nie da unten, sonst wüsstest Du Bescheid. Es ist an der Zeit, dass Du selbst dem Paralleluniversum einen Besuch abstattest." "Einerseits interessant da unten, aber muss man sich das antun", denke ich.
1. Geburt
Ich befinde mich in einem winzig kleinen Raumgleiter. Er kämpft sich durch eine klare zähe Masse in eine bestimmte Richtung, immer der Nase nach. 1)
Ein ganzes Geschwader ist unterwegs. Angetrieben werden die stromlinienförmigen Gehäuse durch einen peitschenartigen Schwanz, der eine Drehschlagbewegung ausführt. Ich bin deutlich schneller unterwegs als die unzähligen Konkurrenten. Manche scheinen die Orientierung verloren zu haben, andere pausieren. Zielstrebig erreichen wir das Objekt: Eine Eizelle, etwa 20 mal so groß wie mein Gefährt. Sofort wird angedockt und schon löst sich die Trennwand des Turbogleiters und der großen Eistation. Ich gelange ins Innere. Dort erwartet mich eine materialisierte Welle, ein wendelförmig gedrehtes Seil mehrfach verschlungen. Sofort verschmelze ich gewohnheitsgemäß mit dieser Welle, aber es gibt kein Zurück, keine Durchdringung. Ich stecke fest. Es ist nicht unangenehm. Ständige Energiezufuhr sorgt für ein wohliges Gefühl. Die hereinströmenden Wellen können sich nicht durchdringen, sie summieren sich. Wachstum entsteht. Etwas völlig neues.
Schwingungen wiegen mich frei schwebend in einer Flüssigkeit. Energiewellen gelangen über einen engen Kanal in den Körper und sorgen für ein wohliges Gefühl. Es ist fast wie zu Hause. Wären da nicht die Grenzen. Je mehr an Umfang der Körper erreicht, desto näher rücken diese Grenzen, es gibt Kollisionen. Irgendwann wird es unangenehm eng. Ich denke nur noch an das eine: Heraus aus dieser Zwangslage, endlich wieder frei schweben. Aber es kommt noch schlimmer. Anstelle sanfter Schwingungen setzen nun starke Pressamplituden ein. Der Druck kommt von allen Seiten, außer von einer kleinen Öffnung. Dort müsste man entfliehen können. Kurz bevor die Druckwellen alles zerstören erweitert sich die Öffnung. Ich werde herausgequetscht, verliere für kurze Zeit das Bewusstsein und lande tatsächlich außerhalb meines früher so bequemen kleinen Universums.
Jetzt liege ich auf einer Unterlage, die eine harte Grenze darstellt. Manchmal fühlt sie sich etwas weicher und geschmeidig an, manchmal aber auch rau, uneben, unbequem. Das Schlimmste ist aber, dass die Energiezufuhr mit diesen wohligen Wellen ausbleibt. Verzweiflung greift um sich, Unruhe kehrt ein. Plötzlich - ein kurzer Strahl warmer Flüssigkeit spritzt in den Mundraum. Instinktiv suche ich nach der Quelle und docke an. Energie durchströmt den Körper. Nach der mehr oder wenig mühsam erreichten Energiezufuhr, schlafe ich vollkommen zufrieden ein. Nun bin ich wieder zu Hause. Im Traum befinde ich mich wieder in jener Sphäre, in der es weder Zeit, noch Bedürfnisse gibt. Der Energiestrom der Nahrung geht durch den Körper durch und kommt mit dem selben Lustgefühl auch wieder heraus. Es fühlt sich warm und weich an, wenn es in die Windeln geht.
Der Schock kommt mit dem Aufwachen. Völlig hilflos und alleingelassen liege ich da. Hungergefühl im Bauch und die Ausscheidungsprodukte sind kalt und erstarrt. Die Uhr läuft wieder - Zeit erscheint unendlich lange. Aus Verzweiflung schreie ich, das füllt die Leere um mich herum. Es dauert aber nicht wirklich lange, dann kommt meine Versorgung: Die Windeln werden gewechselt. Die Mutter gibt mir ihre Brust, schenkt mir Nähe und Wärme. Auch der Geruch und die vertraute Stimme sorgen für einen Zustand, der dem im Uterus ganz nahe kommt.
Später wird die gute Muttermilch durch Flaschenmilch ergänzt. Beim ersten Mal kommt mir alles hoch, samt bitterer Magensäure: Schmeckt ja total daneben. Aber so ist der Lauf der Dinge: Von der Muttermilch zum Milchersatz. Statt Busen Flasche mit Gumminuckel, dann Brei aus dem Gläschen mit dem Löffel. Das meiste bleibt an der Backe hängen oder tropft am Hals herunter. Man nennt das die Entwöhnungsphase. Auch die körperliche Nähe wird weniger. Man wird zwischen Bettchen, Wickeltisch und Krabbelkäfig hin und hergeschoben.
Am meisten Aufmerksamkeit bekomme ich, wenn Besuch da ist. Stolz werde ich aus dem Bettchen genommen und herumgezeigt. Alle schneiden irgendwelche Grimmassen oder stupsen mit dem Finger. Unangenehm ist, wenn, vor allem die Tanten, einen auf den Arm nehmen wollen und an ihren Busen drücken. Das ist kein Ersatz: Fremder Geruch, andere Schwingung (sprich Herzschlag) und hässliches Gesicht. Da hilft nur Weinen. Dann landet man wieder bei der Mutter. Die Aufmerksamkeit der Erwachsenen geht nun zu Gesprächen über. Das Baby als Nebensache kann in Ruhe selbst auf Erkundung gehen. - Da, an der Bluse der Mutter ist ein Knopf offen. Also los mit dem Händchen zum Busen. Ob da noch was zu holen ist? Doch schon lande ich am ersten Tabu. Die Hand muss raus - der Knopf wird geschlossen. Das "Missgeschick" wird diskret überspielt.
Nicht nur die Nahrung wird außerhalb des Mutterleibes ersetzt, sondern auch das feine Wiegen. Dafür gibt es ein schaukelndes Kinderbettchen, das die Mutter während der Arbeit immer wieder mal anstößt. Auch Ausfahrten mit dem Kinderwagen versetzen mich bisweilen in den vorgeburtlichen Traumzustand. Nur der Pulsschlag der Mutter kann nicht ersetzt werden. Hier heißt es Verzicht, vergessen. Aus Langeweile sucht man sich so manche Ersatzbefriedigung: Finger in den Mund, den Körper mit den Händchen erkunden, den Penis (wird später zum zweiten Tabu) und die Zehen. Ergänzt wird der Explorationsbereich mit Holz- oder Plastikgegenständen in Reichweite der Händchen.
Im Sommer geht es häufig hinaus in die Natur. Die Mutter hat auf dem Feld zu tun. Der Wagen wird am Feldrand geparkt, in der Hoffnung, dass das Baby schläft. Aber den ganzen Tag schlafen? Es entsteht eine entsetzliche Langeweile. Mutter und die anderen bewegen sich langsam mit den Hacken an den Rübenreihen entlang das Feld hinunter. Es dauert ewig bis sie wieder zurück sind. Was bleibt in dieser reizarmen Zeit? Singen und ein himmlischer Trick: Man begibt sich in eine instabile Seitenlage, der eine Arm unter dem Körper, der andere dient dazu, zusammen mit dem Kopf das Gewicht mal nach hinten mal nach vorne zu verlagern. Stundenlangens Schaukeln (besser Schwingen) ohne nennenswerte Kraftanstrengung, wenn man es beherrscht. Mutti meint: "So ein braver anspruchsloser Bub! Und Singen kann er schön!" Bei Pferden gibt es so etwas ähnliches, das Weben. Das Pferd steht in der Box und wiegte den Kopf hin und her dabei verlagert es sein Gewicht von einem Bein auf das andere. Dies ist jedoch unerwünscht, gilt als eine Art Hospitalismus und ist ein Gewährsmangel (Rückgaberecht bzw. Wertminderung). Für mich stellt es jedoch eine Möglichkeit zur Rückkehr in den seligen, bedürfnislosen vorgeburtlichen Zustand dar. Es wird mir noch lange erhalten bleiben.
2. Taufe
Mit der Zeit bekomme ich den Wochen Rhythmus mit. Genauer gesagt ich erkenne den Sonntag als einen völlig anderen Tag als die übrigen. Morgens wird lange geschlafen. Niemand hat Eile. Alle ziehen besondere Kleidung an. Mutti macht sich schön. Dann verschwindet sie allerdings in der Küche. Trotzdem hat sie mehr Zeit für mich. Vor allem Papi, den man werktags kaum sieht, hat Zeit für mich. Nachmittags, nach dem Mittagschlaf geht es spazieren, zum Spielplatz oder man fährt mit dem Auto weg.