Günther Dümler

Mords-Krach


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wollte seinem Mithelfer ein freundliches Lob spenden, wusste aber nicht so recht, wie er es anstellen sollte. Dieser Yusuf schien kein einziges Wort Deutsch zu verstehen, so dass sich die beiden bisher ausschließlich in Gebärdensprache, buchstäblich mit Händen und Füßen verständigt hatten. Als Pfarrer Stiegler sich wieder einmal sehen ließ, hielt Peter ihn auf und erkundigte sich, wie er sich denn mit seinem Gast verständigen würde.

      „Ach, auf Englisch klappt das mit uns ganz gut“, gab dieser zu verstehen, „Yusuf ist keineswegs ein ungebildeter Mann, Herr Kleinlein. Zuhause in Syrien hatte er eine gut gehende Schreinerei mit mehreren Mitarbeitern. Aber als die Kämpfe in der Umgebung von Aleppo, wo die Familie herkommt, immer mehr an Heftigkeit zunahmen, da wurde auch seine Werkstatt ein Opfer der Zerstörung. Zudem sind die al-Rahmanis syrisch-katholische Christen, die dort neuerdings immer wieder zwischen die Fronten der verfeindeten muslimischen Gruppen geraten und ohne den Schutz der Regierenden, den sie bis vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges noch genossen, jeglicher Willkür ausgesetzt sind. Die Nachbarn der Rahmanis wurden verschleppt und wie man später herausgefunden hat, auf brutalste Weise getötet. Darum ist die Familie, sobald die Umstände es zuließen, geflohen und hat versucht hier in Deutschland Aufnahme zu finden.“

      „Indressand“, gab Peter zu, „wenn aa furchdbar, woss dene armer Leut dortn zugemuded wird. Wie kommds na dann, dass sies daher in unser glanns und ich denk amal, in Syrien völlich unbekanndes Rödnbach verschlagn hodd?“

      Er milderte seinen ansonsten breiten fränkischen Dialekt ein klein wenig ab, wenn er mit dem Pfarrer sprach, welcher sich selbst stets eines einigermaßen reinen Hochdeutschs befleißigt, obwohl er durchaus in der Lage ist, seine Schäfchen zu verstehen, auch wenn sie reden wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Schließlich fallen auch Pfarrer nicht direkt vom Himmel, sondern werden, wie zum Beispiel Ludwig Stiegler, in der fränkischen Schweiz geboren.

      „Sie wissen vielleicht, Herr Kleinlein, dass ich mich als Student mehr als unbedingt verlangt mit biblischer Archäologie beschäftigt habe. Es war halt gewissermaßen ein Hobby für mich und aus dieser Zeit habe ich noch Kontakt zu früheren Kollegen in Palästina, die sich derzeit sehr um die Verbesserung der Lage der Christen im gesamten Nahen Osten bemühen. Einer davon, mein guter Simeon, hat mich vor kurzem kontaktiert und angefragt, ob es nicht vielleicht in unserer Gemeinde eine Aufnahmemöglichkeit für Glaubensbrüder aus dem Krisenraum dort unten gäbe und da habe ich spontan zugesagt.“

      „Und wo wohnt die Familie jetzt? Bei ihnen im Pfarrhaus?“

      „Nein, das ist leider nicht möglich. Für mehrere zusätzliche Personen reicht da einfach der Platz nicht aus, aber wir haben sie einstweilen im Pfarrsaal untergebracht. Da haben sie dann wenigstens eine Toilette für sich und können in der kleinen Küche eine Mahlzeit zubereiten, wenn auch alles sehr begrenzt ist, denn eigentlich ist die ja nur zum Würstchen warm machen bei unseren Gemeindefesten ausgelegt. Und zum Schlafen haben wir auch nur behelfsmäßig ein paar Feldbetten aufgestellt. Es wäre schon viel besser, wenn wir die Familie irgendwo in der Gemeinde unterbringen könnten. Wie ist es denn mit ihnen? Sie müssten doch eigentlich Platz haben. Seit ihre Kinder nicht mehr zuhause wohnen ist das Haus doch eigentlich viel zu groß für zwei Personen.“

      Im Grunde hatte der Mann schon Recht. Das ganze obere Stockwerk stand seit Jahren mehr oder weniger ungenutzt und leer da. Die Heidi, die inzwischen längst verheiratete Tochter der Kleinleins, hatte, obwohl schon erwachsen, noch eine längere Zeit im Elternhaus gewohnt. Da sie aber trotzdem unabhängig sein wollte, hatte sie sich im Dachgeschoß eine kleine Küchenzeile und ein eigenes Bad eingerichtet, das es bis heute, wenn auch seit damals nicht mehr benutzt, noch gab. Nicht mehr das modernste, aber es würde sicher reichen. Einige handwerkliche Eingriffe wären sicher notwendig, aber dann ginge das schon. Peter war innerlich bereits überzeugt, wollte aber ohne Rücksprache mit seiner Marga noch nichts zusagen. Aus Sicht einer Hausfrau konnte es durchaus Argumente geben, die er auf die Schnelle nicht berücksichtigt hatte, das hatte die Erfahrung immer wieder gezeigt. Also gab er dem Pfarrer erstmal noch keine Zusage, sondern gebrauchte eine Formulierung die er sonst oft benutzte, um Zeit zu gewinnen und den Druck aus einer Situation herauszunehmen.

      „Da mussi erschd amal mit meiner Frau drüber redn. Über ihrn Kopf wech konni des nedd endscheidn.“

      Diesmal meinte er es aber wortwörtlich und absolut aufrichtig. Es wäre schon eine enorme Belastung des gewohnten Alltagslebens und da mussten sich die Eheleute auf jeden Fall einig sein. Er stand noch einige Sekunden unschlüssig da, als sich die Marga zusammen mit der Gemeindereferentin Barbara Reinwald und einer unbekannten, ob der kalten Temperaturen reichlich vermummten Frau näherten. Sie trugen Kartons mit selbstgestrickten Strümpfen, Topfuntersetzern aus Bast, Strohsternen, Engelchen aus farbiger Glanzfolie mit goldenen Flügeln und allerlei andere interessante Dinge, die während der Bastelabende der christlichen Landfrauen in den letzten Monaten entstanden waren.

      „Wie weid seidern scho middn Verkaufsstand, Beder? Mir wollerdn langsam amal middn Einräumen anfanger?“

      Und eilig fügte sie noch hinzu: „Die Barbara Reinwald kennsd ja nu bessdns von euerm gemeinsamen „Fall“ damals und dess da iss die Marjam. Sie kommd aus Allebbo, des is in Syrien und iss mid ihrn Mann auf der Fluchd vor dem Mörderhaufn dord drundn zu uns nach Rödnbach verschlagn worn.“

      Peter nickte den beiden Frauen freundlich zu, während Marjam sich nahe zu ihrem Mann stellte. Sie schien schüchtern zu sein und bei ihm ein bisschen Schutz vor all dem Ungewohnten zu suchen. Man merkte ihr deutlich an, dass sie in der fremden Umgebung noch sehr unsicher war.

      „Ja, der erschde Schdand iss scho ferdich. Ihr könnd scho amal äs Einräumer anfanger“, verkündete Peter. „Stell dein Kardong erschd amal ab, Marga, ich müsserd noch woss mit dir beredn.“

      Barbara und Mirjam verstanden den darin implizierten Wink sofort und machten sich an die Arbeit. Manchmal kann man eben bereits aus ein paar kurzen, hin und her fliegenden Blicken erahnen, wann man sich besser zurückzieht. Yusuf hielt Marga beide Hände entgegen, damit sie ihm ihren Karton übergeben konnte und folgte den beiden Frauen. Als die Kleinleins alleine und ohne Mithörer da standen, unterbreitete Peter seiner Marga den Vorschlag, den ihm der umtriebige Pfarrer Stiegler vor kurzen gemacht hatte.

      „… na ja, und dann hobb er mer hald denkd, der zweide Schdogg iss doch sowieso mehr oder wenicher leer, dou kommer doch fasd nedd äso sei, odder?“

      Marga wusste genau, wie ihr Peter tickte. Er konnte, wenn es um emotionale Dinge ging, einfach keine großen Worte machen, das lag ihm einfach nicht, aber in der Sache war schon immer auf ihn Verlass. Das war unter anderem auch einer der Gründe, warum sie ihn immer noch liebte wie am ersten Tag und warum sie manches Mal richtiggehend stolz auf ihn war. Marga antwortete nicht sofort, so sehr gerührt war sie von seinem Angebot. Peter, der glaubte, sie wäre noch nicht endgültig überzeugt, schob gleich noch einmal nach:

      „Horch, und etz hassens scho Yusuf und Marjam, also Maria und Josef, er iss noch derzou a Schreiner, zwar nedd aus Nazareth abber immerhin. Und dann sinns aa nu in der Weihnachdszeid auf Herbergsuche, dess iss doch scho fasd aweng a Wink middn Zaunpfahl, dou konnsd doch gor nedd nein sagn, odder?

      Odder?“, hakte er gleich noch einmal nach, bekam aber keine Antwort, jedenfalls nicht mit Worten. Vielmehr fiel ihm die Marga um den Hals und küsste ihn vor allen Leuten mitten auf den Mund.

      „Na freili“, hauchte sie, „woss anderschds kummd doch gar nedd in Fraach, Beder.“ Und die eine oder andere Träne rollte ihr über die trotz der Kälte glühende Wange.

      Beide hätten nicht zufriedener mit einander sein können als in diesem Moment. Sie war ja so stolz auf ihren Peter.

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